Shy for the shadows
Like you’ve been here before
Can’t find a place in this world
You don’t belong, moon child
Do you want to be here?
You feel empty just near it
We are the same damn thing
I’ve been emptied beneath it
(Duster – Copernicus Crater)
Hätte nicht diese andere, viel größere Band aus den späten 1990ern den Songtitel für sich gepachtet, das US-amerikanische Trio Duster müsste ihr drittes Album wohl rückblickend How To Disappear Completely nennen. Denn eben dieses Schicksal schien Clay Parton, Canaan Dove Amber und Jason Albertini ereilt zu haben, bevor sie überhaupt in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen waren: Zwei Alben, erschienen 1998 und 2000 – gemächliche LoFi-Tracks, verträumte Gitarren, das Rauschen von Kassetten-Tapes. Ein paar Shows, ein paar Interviews in der Internet-Frühzeit, in der Johnny Depp und Charlotte Gainsbourg für Musikvideos gemeinsam in CD-Regalen stöberten. Physische Tonträger? Schön und gut, doch was passiert, wenn das Label sich auflöst und sie niemand mehr herstellt? Kurze Zeit später gingen Duster still und heimlich getrennte Wege.
Fast zwanzig Jahre später erzielt die Vinyl-Pressung von Stratosphere 200$ auf Online-Plattenbörsen und in den Nischen des Internets tauscht ein harter Kern von Fans, die zum Erscheinungsdatum des Debüts noch nicht einmal auf der Welt waren, Informationen und Live-Bootlegs aus. Die stetig wachsenden Wellen der Begeisterung, die da durch diverse Subscenes und Undergrounds schwappen, erreichen schließlich auch die drei Musiker aus San José. Der Rückhalt der Millennials, wie es NPR im Frühjahr dieses Jahres zur Neuveröffentlichung der „verlorenen“ Alben formuliert, hat Duster nicht zurück, sondern erstmals so richtig in die Wahrnehmung der Indie-Szene gespült.
Für Außenstehende – und so müssen sich die allermeisten fühlen, die nicht im kleinen Kult um rare Original-Pressungen mitschwammen – ist das Phänomen Duster schwer zu verstehen. Wer will, kann sich an Erklärungen versuchen: ist die Jagd nach dem Besonderen schon so weit fortgeschritten, dass sie schon wieder das Gewöhnliche als scheinbar einzig Authentisches auf den Thron hebt – nur, um es kurze Zeit später irgendwo auf Spotify-Playlists wie 90s LoFi Indie oder Music for Rainy Days versauern zu lassen?
Das mag vielleicht den – keine Sorge, immer noch nischigen – Hype um die in Versenkung geratene Band näher erläutern. Doch wer so fragt, unterschätzt schnell, wie wohlverdient die neue Wertschätzung für Duster ist. Ihre unerwartete, ganz bescheiden selbstbetitelte Rückkehr liefert nun den passenden Einstieg: Der Opener Copernicus Crater holt gerade so weit aus wie nötig, um den Ton für die nächsten vierzig Minuten zu setzen: ein getragener Beat, Fuzz-Gitarren, eine perlende Melodie und irgendwo im Hintergrund Partons Stimme: „Shy for the shadows / Like you’ve been here before“.
Songs wie Chocolate And Mint erheben die Unaufgeregheit zur obersten Maxime. Synthesizer-Einsatz? Ja, aber nur eine Fläche hier und ein paar Sprenkel dort. Ein Basslauf zum Verneigen? Ja, aber nur in der Bridge. Nicht „das klingt nach Tame Impala in Zeitlupe“ wäre hier die richtige Umschreibung, denn in der Logik des Hypes muss der Vergleich natürlich andersherum lauten: Tame Impala klingen nach Duster, schließlich haben die KollegInnen von Stereogum längst festgestellt: Duster ist vermutlich „Your favorite Indie Band’s favorite Indie Band“.
Wie schon seine Vorgänger wurde das Album erneut nicht im Studio, sondern im Haus eines Bandmitglieds aufgenommen. Auch wenn es im Vergleich zum Debüt Stratosphere deutlich polierter klingt, fühlen sich Tracks wie I’m Lost oder Summer War an, als würde man gerade an einem Proberaum vorbeilaufen. Alle Drehregler stehen am Anschlag, schwerfällig krachen die Drums, dazwischen dringt sporadischer Gesang durch dicke Kellermauern. Wer innehält, kann hören, wie sich aus wolkigen Jams wie Damaged hypnotische Melodien herauskristallisieren und Drummer Jason Albertini krachend ausholt, wo gerade noch eine Drummachine ächzte.
Vielleicht setzt man sich dann vor die Tür und wartet auf den nächsten Song. So entdeckt Lomo mit seiner sanften Akustikgitarre neue Sphären der Langsamkeit, die sich auch auf Pink Floyds Alan’s Psychedelic Breakfast verbergen könnten. Im Gegenzug fährt Go Back alles herunter, bis nur Dröhnen und repetitiver Sprechgesang übrigbleiben. Und ja, auch das Etikett Music For Rainy Days lässt sich einfach nicht verleugnen: Hoya Paranoia ist der musikgewordene Blick auf das Unwetter vor dem Fenster, wenn Fuzz-Böen die Äste schütteln und Tropfen an die Scheiben tippen.
Für ein Dahindämmern in der Playlist eignen sich die Songs nur bedingt, denn das Album will ganz altmodisch am Stück gehört werden. Weil dahinter mehr als die Story einer wundersamen Wiederentdeckung steckt, hat es das auch allemal verdient. Und auch wenn der Kult, dem die Band ihren späten Ruhm verdanken, etwas zu märchenhaft klingt, ist das kein Anlass, achselzuckend „No Suprises“ anzustimmen. Mit ihrer unerwarteten Rückkehr stehen Duster nach langen Jahren endlich am richtigen Platz.
Duster – Duster
VÖ: 13. Dezember 2019, Muddguts
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