IDLES – A Beautiful Thing: IDLES Live at Le Bataclan

I fucking love you
I really love you
Look at the card I bought
It says “I love you”

(IDLES – Love Song)

Unaufhaltsam rückt es näher, das Fest der Liebe und des hemmungslosen Konsums. In die nicht ganz so lange Reihe derer, die ausschließlich den ersten Teil der frohen Botschaft für sich beanspruchen, reihen sich diesen Dezember auch die britischen IDLES mit der Veröffentlichung ihres ersten Konzertalbums ein: „Go to Paris, they said. It will be fun, they sad. I feel good, good, good!“

Doch A Beautiful Thing: IDLES Live at Le Bataclan ist dabei weit mehr als ein Weihnachtsgeschenk an ihre Fans – es lässt sich, allen Social-Media-Schnipseln zum Trotz, als beinahe altmodischer Dokumentationsversuch lesen. Im letzten Drittel ihres zehnjährigen Bestehens hat sich hier eine Band gleichermaßen in resignierende Köpfe wie gängige Bestenlisten katapultiert. Erst brachten sie 2017 mit ihrem Debüt Brutalism prägnante Kritik auf den musikalischen Punkt, indem sie als allererstes ihre eigenen Wunden offenlegten. Nur ein Jahr später präsentierten sie dann mit Joy As An Act Of Resistance keine (Br-)Exit-, sondern eine kathartische Widerstandsstrategie gegen reaktionäre Höhenflüge und verkrustete Strukturen. Das Konzert im ausverkauften Pariser Bataclan war das letzte ihrer ausgedehnten und vielgelobten Tournee und markiert damit auch den vorläufigen Schlusspunkt eines wilden Höhenflugs.

Und IDLES meinen es verdammt ernst mit der Liebe: zu Beginn der Aufnahme ist Sänger Joe Talbot zu hören, wie er dem Publikum erklärt „Whatever you do tonight, if you’re in this crowd, you look after each other, you respect each other.“ Nicht aus scheinheiliger Besinnlichkeit, sondern weil es – gerade in der Musikszene – gesagt werden muss, Punkt.

In rund achtzig Minuten verdichtet die Band aus Bristol ihr bisheriges Werk ohne jegliche Ermüdungserscheinungen zu einem geschlossenen Ganzen. Sie verhandeln (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): die im Exzess mündende Leere englischer Kleinstädte (Exeter), Feminismus (Mother), toxische Männlichkeit (Colossus, Samaritans), Depressionen (1049 Gotho) oder privilegiertes Chancenverschleudern (White Privilege). Um keine eingängige Zeile verlegen („The best way to scare a Tory is to read and get rich“ oder „This is why you never see your father cry“) fräsen sie sich dabei – trotz ihrer offen geäußerten Abneigungen gegen Etiketten – mit geradlinigem (Post-)Punk in Hirn und Herz. Gleichzeitig setzt die Wut der damit stets drohenden Vereinnahmung eine seltene, aber klare Grenze. Ein Rückzug dahinter kommt jedoch nicht in Frage, wie die fünf Musiker schon im Video zur Single Danny Nedelko klarstellten: „No one is an island“

A Beautiful Thing ist wichtig, denn es dokumentiert die Band in einem Moment, in dem sie ihre Stimme und ihren Sound gefunden haben und voll entfalten können. Es will und kann keine Live-Auftritt ersetzen, sondern hält den Moment fest und macht ihn zugänglich für alle, die noch nicht dabei waren. Wer möchte, kann also obendrein und guten Gewissens die Verkündigung zum Weihnachtsfest um eine ganze Reihe äußerst drängender Themen erweitern.

IDLES – A Beautiful Thing: IDLES Live at Le Bataclan
VÖ: 06. Dezember 2019, Partisan Records
www.idlesband.com
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