Foto-© Sophia Kahlenberg
Sie ist neu in der deutschsprachigen Pop Musikszene, aber passt perfekt in den heutigen Zeitgeist. Eine Künstlerin mit Berliner Mundwerk, die kein Blatt vor den Mund nimmt, sagt was sie denkt, anderen Mut machen möchte und in Zusammenspiel aus organischen Sounds und Beats mit sehr intimen und emotionalen Texten über eigenen Geschichten singt. Meine Liebe heißt ihre Debüt-Single und regte uns mit großer Neugier an, die Sängerin näher kennen zu lernen.
Hi Wilhelmine. Herzlichen Glückwunsch zu deiner Debut Single Meine Liebe. Wie fühlt sich das an, seine erste Single veröffentlicht zu haben?
Es ist abgefahren! Man macht so lange Musik und auf der anderen Seite ist trotzdem genau das erst der Startschuss. Es ist als ob man die ganze Zeit auf einen Berg rennen würde, obwohl es erst der Anfang ist und trotzdem ist es erst der Beginn von einem anderen Berg. Es ist einfach ein super schönes Gefühl und ich bin unfassbar stolz, dass die Single jetzt draußen ist. Ich bin auch total berührt, was das für Wellen schlägt und was für Leute mir schreiben und wie sie auf mich zurückkommen. Das ist ein ganz wilder Mix aus verschiedenen Gefühlen, die mich unterm Strich total beflügeln und glücklich machen.
Du bist in Berlin groß geworden, einer Stadt wo viel passiert, bist in einem besetzten Haus aufgewachsen und in einen deutsch-türkischen Kindergarten gegangen. Hat dich das oder deine Musik auf irgendeiner Weise geprägt?
Ja definitiv. Wenn man halt damit aufwächst, dass im Treppenhaus Menschen liegen, über die man rüber gehen muss oder an denen man vorbeigeführt werden muss, da muss man natürlich auch etwas mutig sein. Und das ist ja auch eine Art Angst mit der man schon so früh konfrontiert wird, dass so etwas einen natürlich auch prägt. Vor allem natürlich auch in Kreuzberg, in der Nähe vom Kottbusser Tor aufzuwachsen, wo der Kotti noch nicht so chic und trendy wie jetzt war und es auch nicht so angesehen war dort zu wohnen, sondern eher alles ein bisschen räudiger. Und heutzutage treffen sich dort Leute und gehen in Bars, wo ich mir immer denke, wow, ok, es hat sich so viel verändert!
Das kann man sich heute echt kaum noch vorstellen, wenn man nicht ursprünglich aus Berlin kommt. Kannst du dir denn vorstellen woanders als in Berlin zu wohnen oder ist das etwas was dich antreibt, inspiriert und dir Nahrung für deine Songs gibt?
Als ich zur Schule gegangen bin, bin ich dann ins Wendland gezogen, aber die Sommerferien war ich immer hier in Berlin. Also hatte ich so gesehen immer beides. Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen einen Rückzugsort zu haben, der viel mehr in der Natur liegt. Ganz klar, das ist sogar eher für mich ein super Regler um in die Ruhe zu kommen, komplett auszuschalten und dann zu sehen was übrig bleibt, wenn es komplett ruhig ist. Was man dann für Themen hat, die einen bewegen, antreiben Musik zur machen und so weiter. Also ja, ich kann mir definitiv vorstellen woanders zu leben als in Berlin.
Wie hast du mit der Musik angefangen?
Ich hatte damals einen Musiklehrer, der sah ein wenig aus wie Flanders von den Simpsons, also eigentlich genau so. Er hat damals immer mit der ganzen Klasse gesungen, da war ich in der 6. Klasse. Wir haben Lieder von den Prinzen und Britney Spears gesungen, also eine ganz interessante Mischung. Er hat seine Stimme dann immer über ein Mikrofon selbst verstärkt und an einem Tag hat er dann in die Runde gefragt, wer denn durch sein neues Mikrofon durchsingen will. Da habe ich mich dann drauf gemeldet und wo die ganze Klasse gesungen hat, aber man meine Stimme lauter gehört hat, habe ich das erste Mal gehört, dass ich singen kann. Das war so ein bisschen der Startschuss. Dann habe ich angefangen Beat Box zu machen. Kennst du TeamSpeak? Das ist ein Tool gewesen über das man wenn man gezockt hat gleichzeitig kommunizieren konnte. Ich habe das aber nicht benutzt, um während des Zockens zu kommunizieren, sondern dort in den Tiefen irgendwelche Beat Box Schulen gefunden, wo Leute Englisch geredet haben und das hat mich so beeindruckt, dass ich dann eine Stunde zugehört habe und so dann selber zum Beat Boxen gekommen bin. Dann habe ich dadurch meine erste Band gehabt und so fing das dann an. Das war im Prinzip wie so ein natürlicher Prozess, der in die Wege geleitet wurde.
Wie kam es denn dazu, dass du jetzt schon bei einem Major Label unter Vertrag stehst?
Hmm, wie kommt so etwas?! Es kam dadurch, dass ich mich vorgestellt habe.
Ah ok, also du hast dich ganz klassisch vorgestellt und es war jetzt kein Zufall oder irgendetwas anderes?
Nee, ich habe einfach gezeigt und gesagt wer ich bin und habe dann ein tolles Team gefunden, die Lust darauf haben, genau das mit mir zu machen. So bin ich in der Warner Music Family gelandet.
Was macht dir daran so viel Spaß?
Wow, das ist eine sehr riesige Frage. Also die Musik an sich und auch das Texte schreiben an sich ist für mich ein Werkzeug, wie ich über Dinge sprechen kann, über die ich sonst vielleicht nicht sprechen könnte. Es ist ein Werkzeug, wie ich mir unter die Arme greifen kann und mir selber damit sagen kann, es ist gut so wie du bist und du darfst alles sein. Dadurch lerne ich mich auszudrücken. Und das ist nur ein Teil der Musik. Denn Musik machen und vor Menschen zu singen, dass ist ja das quasi wo ich als Musikerin für da bin. Nämlich um genau das zu machen, Menschen anzusehen, währenddessen ich sie ansinge, dass sie meine Texte fühlen und verstehen, sie das berührt und sie mitmachen. Das ist für mich das Allergrößte!
Deine Lieder sind ja schon sehr persönlich, intim und selbst reflektierend. Kannst du dir auch vorstellen über die Erfahrung anderer oder etwas Ausgedachtes zu schreiben oder ist dir wichtig authentisch über deine Erfahrung und deine Welt zu singen?
Also ich glaube da gibt es verschiedene Kapitel. Manchmal tut es gut sich eine Geschichte auszudenken oder über jemand Anderes zu schreiben oder über eine erfahrene Geschichte zu texten, damit man das nicht so nah fühlt. Ich denke, da gibt es verschiedene Wege aber für mich ist der Weg eigentlich am schönsten, wenn ich die Geschichte so erzähle, wie sie mir passiert ist, wie ich sie beobachtet habe oder auch wahrgenommen habe. Aber wie gesagt, ich denke, das sind einfach verschiedene Kapitel. Ich kann mir vorstellen, dass ich irgendwann nur noch in der sie-Perspektive erzähle und dann darüber ein komplettes Album schreibe, also wie ein anderer Mensch es wahrgenommen hat. Das kann ich mir also schon vorstellen, nicht nur über mich zu schreiben.
Da sind wir gespannt wie es weiter geht. Aber in deiner Debut Single geht es ja um dich und du sagst selber, dass du deine Geschichte in deinen Liedern wiedergibst. Hilft dir das etwas zu verarbeiten oder dich an etwas zu erinnern oder warum ist deine persönliche Geschichte so präsent in deinen Songs?
Wie ich schon gesagt habe, es ist ein Werkzeug, aber es ist auch viel mehr. Ich versuche indem ich offen zu dem stehe, was mir passiert ist, ob es jetzt Homophobie ist oder ob es andere Arten von Diskriminierung ist, dazu zu stehen und erhoffe mir, dass das jemandem dem es vielleicht ähnlich geht oder ging einfach einen Funken Mut gibt. Wenn auch nur das ein bisschen passieren würde, macht es für mich total Sinn, damit für immer weiter zu machen. Ich möchte einfach, indem ich mich zeige, andere Menschen ermutigen, dass sie sich auch zeigen und dass sie auch mutig sein können.
Du hast ja sicher schon mehrere Songs geschrieben. Warum hast du dich dazu entschlossen Meine Liebe als Debut Single auszuwählen?
Das ist so ein kleines Kapitel von mir und meiner Lebensgeschichte, dass ich mit einer Frau zusammen bin und es ist ja gerade erst der Anfang dieser Musikgeschichte, die ich erzählen darf. Ich habe mir gedacht, vielleicht gibt es dann dazu keine Fragen mehr, vielleicht ist das Thema dann geklärt. Wilhelmine ist mit einer Frau zusammen und es ist völlig ok. Genauso versuche ich das zu zeigen, vielleicht auch durch dieses Statement. Es kann sein, dass andere tiefere und bewegendere Themen noch kommen, die ich noch zeige in meinen Liedern, damit es auch als selbstverständlich wahrgenommen wird.
Also kennen wir jetzt schon dadurch einen kleinen Teil von Wilhelmine und lernen mehr durch deine nächsten Songs. Wie gehst du denn vor, wenn du einen neuen Song schreiben willst?
Wenn ich das Gefühl habe einen Song schreiben zu wollen, dann brodelt das in mir und ich habe das Gefühl ich muss das innerhalb kürzester Zeit umsetzten. Also in kürzester Zeit, da rede ich von einer Woche. Und wenn ich das spüre, dann schreibe ich Jemanden, wie zum Beispiel Dave, meinem Gitarristen, mit dem ich auch schon Sachen zusammen geschrieben oder auch komponiert habe. Dann setzt man sich zusammen hin und findet erst mal sozusagen den Mut für diese Aussagen, die ich treffen möchte. Wenn ich an dem Tag dann zum Beispiel durchs Laub laufe und geile Laute oder anregende Musik gehört habe, dann bin ich eher energetisch und dann versuchen wir auf der Gitarre Akkorde zu finden, die halt energetisch sind oder die das auslösen, was wir an dem Tag gefühlt haben. Und das habe ich dann als Grundstein und darauf schreibe ich den Text. Da gehe ich relativ strukturiert vor, ich schreibe meistens erstmals die Strophe, dann den Refrain, dann die nächste Strophe. Also so wie der Song auch aufgebaut ist, so schreibe ich ihn auch. Es gibt ja auch andere Songwriter, die erst den Refrain schreiben aber ich gehe da halt eher strukturiert vor und suche aber auch währenddessen ich ein Lied schreibe nach dem Gefühl der Magie, dass man merkt, ok, das ist es. Wow! Das geht dann einmal durch den Raum, dass alle Beteiligten oder Dave und ich fühlen, das ist die richtige Richtung. Der Akkord, mit der Melodie, die ich mir ausgedacht habe, für den Refrain, das baut sich schön auf. So gehe ich vor.
Klingt nach viel Spaß! Was hörst du denn privat für Musik? Ist das sehr ähnlich zu deiner Musik oder eher unterschiedlich?
Das kommt auf den Modus an, in dem ich mich befinde. Ich höre, wenn ich Musik höre, Genusses Halber. Dann höre ich meistens, damit ich nicht alles analysiere, Texte, die nicht in meiner geläufigsten Sprache sind. Sonst achte ich zu extrem auf den Text, aber wenn ich Musik höre, um es zu genießen, höre ich entweder spanische Musik oder englische Musik, aber wo ich die Leute dann nicht wirklich verstehe, weil sie so nuscheln oder im Slang reden. Deutsche Musik höre ich aber trotzdem total gerne. In Enno Bungers Album habe ich mich total verliebt, das höre ich rauf und runter. Madeline Juno, da flippe ich aus bei ihren Melodien, weil die so unfassbar gigantisch sind. Erst kommt der Pre-Chorus und dann die Refrain Melodie und man denkt sich nur, oh wow, wie konntest du dir das ausdenken? Also sie ist die Melodie Göttin. Ich bewundere sie sehr. Ich lasse mir aber auch gerne von meinen Band Jungs irgendwelche Alben zuschicken und höre Alben dann am Stück durch, um ein Gespür zu bekommen, wie die Übergänge sind.
Aber du hast jetzt kein spezielles Genre, wo du sagst, du hörst nur das?
Nee, der rote Faden ist, dass die Melodie mich meistens anzieht. Manchmal höre ich zum Beispiel sehr gerne, wenn ich koche und ein Glas Rotwein habe, Jazz Musik, weil ich dann das Gefühl habe, dass die Musik gerade total gut in den Raum und die Stimmung passt.
Du singst auf Deutsch? War das eine bewusste Entscheidung?
Ich denke das kam einfach, weil ich keine Maske aufsetzten möchte, weil das die Sprache ist, die ich am Besten beherrsche. Und ich Dinge genauso aussprechen können möchte, wie ich sie fühle ohne mich hinter irgendwas zu verstecken.
Was können wir von einem Wilhelmine Album erwarten?
Ich hoffe, dass man von einem Wilhelmine Album ins Fühlen gebracht wird. Ob das jetzt dadurch ist, dass man einer anderen Person dabei zuhört, wie sie ihr Herz ausschüttet oder ihre Geschichten erzählt. Oder auch ob das Selbst in einem Erinnerungen weckt, daran wie man sich selbst mal versteckt hat oder Selbst nicht zu dem stand, was einen ausmacht. Ich hoffe einfach, dass man irgendetwas fühlt und es bewegt, dass es etwas auslöst. Auch wenn es Unverständnis ist oder wenn man sich nicht damit connecten kann, wäre das schlimmste für mich, wenn jemandem das egal wäre. Man kann traurig, man kann wütend sein auf das was man da nicht verstehen kann oder nicht greifen kann, man kann auch total fröhlich sein, aber wenn man wirklich gar nichts fühlt, das wäre schade. Wenn man es aber schafft sich darauf einzulassen, dann könnte man durch ein Wilhelmine Album auf jeden Fall verschiedene Empfindungen näher gebracht bekommen.
Gibt es denn schon einen Zeitpunkt mit dem wir damit rechnen können?
Hmm. (Sie schmeißt sich aufs Sofa, kneift die Augen zusammen, steckt den Arm nach oben und grinst.) Zeitnah!
Und zum Abschluss. Hast du dir ein Ziel gesetzt, was du mit deiner Musik erreichen möchtest?
Ich versuche immer von Schritt zu Schritt zu denken und mein nächstes Ziel wäre, wenn ungefähr, bei meiner ersten kleinen Tour im Frühjahr 2020, so fünf bis zwanzig Leute kommen würden, um meine Musik zu hören, weil sie irgendwie darauf gestoßen sind, das wäre abgefahren. Das wäre schon mein Goal. Das die Leute sich entschieden haben an dem Abend in ihrer Stadt rauszugehen, um ein Konzert von mir zu besuchen. Das wäre abgefahren!
Wilhelmine Tour:
27.01. Bar jeder Vernunft, Berlin
14.04. zehner, München
15.04. Museumskeller, Erfurt
16.04. schon schön, Mainz
17.04. Temple Bar, Essen
18.04. Sputnik Cafe, Münster
20.04. LUX, Hannover
21.04. Luxor, Köln
22.04. Haldern Pop Bar, Haldern
23.04. Hebebühne, Hamburg
27.04. Bar jeder Vernunft, Berlin
28.04. Bärenzwinger, Dresden