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If you don’t get there in time, we will lose 1.600 men, your brother among them.
(Sergeant Sanders – 1917)
Es ist das Jahr 1917 und der erste Weltkrieg steht kurz vor seinem Zenit. Die jungen britischen Gefreiten Blake (Dean-Charles Chapman) und Schofield (George McKay) haben einen denkbar einfachen und gleichzeitig schier unmöglichen Auftrag. Sie müssen durch das Niemandsland weit hinter die feindliche Front um ein versprengtes Regiment vor einem Hinterhalt zu warnen. Schaffen sie dies nicht vor dem nächsten Morgengrauen, sind alle 1.600 Männer des Regiments, unter ihnen Blakes Bruder, dem Untergang geweiht.
Beginnen wir mit dem Dreh- und Angelpunkt der Marketing-Maschinerie um 1917. Der Film läuft quasi in Echtzeit und augenscheinlich ohne Schnitt. Zunächst ist er damit nach Christopher Nolans Dunkirk (2017), welcher geschickt unterschiedliche Zeitebenen von Bodentruppen, Marine und Luftfahrt vermischt hat, in kurzer Abfolge der zweite Kriegsfilm, der den Faktor Zeit inszenatorisch in den Mittelpunkt rückt. Dieses Mal wird zwar an zwei Stellen getrickst, aber insgesamt entsteht ein unglaublich treibendes Mittendrin-Gefühl, was den Zeitdruck der beiden Soldaten wesentlich nachvollziehbarer macht. So beeindruckend wie in Nolans Meisterwerk wird hier jedoch nicht mit dem Thema Zeit gespielt. Es ist aber auch nicht der Echtzeit-Aspekt, der am meisten beeindruckt, sondern der Verzicht auf sichtbare Schnitte, der schlicht ein gewisses Maß an Echtzeit bedingt. Natürlich existieren Schnitte und der geneigte Cineast kann sicher auch einige von ihnen schon beim ersten Mal erkennen, selbst wenn man nicht explizit darauf achtet. Dass 1917 dennoch ein handwerkliches Meisterwerk ist, kann man ihm aber nicht absprechen. Massenschlachten, Effektspektakel, Szenen mit Hundertschaften, physisch scheinbar unmögliche Kamerafahrten – alles geht absolut fließend ineinander über und man ist die ganze Zeit mittendrin, unglaublich nah an den beiden Protagonisten. Der Film schafft es dabei einen unglaublichen Druck aufzubauen, der den Antrieb der beiden Soldaten spiegelt und hält diese Dynamik bis auf wenige bewusste Brüche über die gesamte Laufzeit. Gleichzeitig hochwertig produziert und dabei trotzdem so intim hat man den Ersten Weltkrieg noch nicht auf der großen Leinwand erlebt. Sicher hätte man einzelne Szenen mit Schnitten aufwendiger und schöner inszenieren können, aber als Gimmick sollte man dies nicht abtun, denn das Gesamtwerk profitiert enorm von diesem Stilmittel.
Gerade bei der Darstellung des Ersten Weltkriegs, im Vergleich zu seiner Fortsetzung immer noch unterrepräsentiert im Film, drängt sich diese realistische Darstellung geradezu auf. War doch der Erste Weltkrieg, bei aller Grausamkeit des Zweiten, gerade auf dem Schlachtfeld noch verwirrender und schmutziger und ist gleichzeitig wegen der geringeren medialen Präsenz weniger greifbar. So wird die Härte und Trostlosigkeit dank des Gefühls mittendrin und dabei zu sein noch erlebbarer. All dies würde nichts nützen, wenn die Darsteller nicht ebenfalls abliefern würden. Glücklicherweise überzeugen sowohl die beiden Hauptdarsteller, als auch das Who is Who der britischen Darstellerriege, die immer wieder auftauchen um als hochrangige Offiziere Befehle zu erteilen (Colin Firth als General, Daniel Mays als Feldwebel, Andrew Scott als Leutnant, Benedict Cumberbatch als Oberst usw.). Kurz gesagt, auch ohne die besondere Inszenierung würde 1917 inhaltlich überzeugen. So wie er ist, kann man ihn aber sowohl als mitreißenden Actionfilm genießen als auch als Denkanstoß zum Ersten Weltkrieg und zu Krieg im Allgemeinen heranziehen.
1917 (UK/US 2019)
Regie: Sam Mendes
Besetzung: Dean-Charles Chapman, George McKay, Daniel Mays, Colin Firth, Andrew Scott, Benedict Cumberbatch
Kinostart: 16. Januar 2020, Universal Pictures