Run around, run away from you, America
While it burns in the streets
I been here standing on top of the mountain
Shouting down what I see, ugh
Seen the pig with the pop out of confusion
That he tried to release
Seen a sun coming over the horizon
Straight across from the east
(Algiers – Dispossession)
Algiers – das klanggewaltige Industrial-Soul-Quartett aus Atlanta ist nicht nur musikalisch gesehen einer der wichtigsten nordamerikanischen Akteure der letzten Jahre, sondern hat es spätestens seit dem vorangegangenem Album The Underside of Power (2017) geschafft, für eine politische Aussagekraft zu stehen, die in der musikalischen Szene ihresgleichen sucht. In kulturkritischer Tradition lehnen sich Algiers gegen Missverhältnisse politischer, sozialer und religiöser Ebene auf. Es ist Protestmusik, die von ihrer künstlerischen Bedeutung jedoch eindringlicher und gehaltvoller kaum sein könnte. Ein aufgeheizter Sound, getragen von frenetisch orchestrierten Gitarrenriffs, angetrieben von wummernden Rhythmen und ungestümen Synthesizern bilden die Kulisse für die lyrischen Kundgebungen von Sänger und Multi-Instrumentalist Franklin James Fisher. Der Klang der Band überschreitet mit seiner Mischung aus Post-Punk, Gospel, Soul und Blues jegliche Grenzen. Die Message auf der dritten Platte There Is No Year ist noch dringlicher und geladener als je zuvor. Es steht völlig außer Frage: Die Musikwelt braucht mehr Protagonisten wie die Algiers.
Stürmisch wird es gleich zu Beginn mit dem eröffnenden There Is No Year, welches mit seinen treibenden Synth-Klängen und dem Stakkato-artigen Beat einen euphorischen Einstieg in das Werk bietet. Das folgende Dispossession, ein mahnender Track über den Kampf gegen die Geschichtsvergessenheit, ist ebenso energetisch wie aufwühlend und stellt die gewaltige Stimme von Sänger Franklin James Fisher in einen permanenten Dialog mit einer von Klavier und Rhythmus getragene Klangwelt. Doch nicht nur Aufruhr steht im Mittelpunkt des Albums, das zeigen vor allem Stücke wie das wunderbar soulig-atmosphärische Losing Is Ours oder das getragene, stimmungsvolle Wait For The Sound, welches vor allem durch mitreißende Gesangsparts begeistert und für einen Moment die monumentale Klangwelt der Formation aus Atlanta hinter sich lässt. Mächtige elektrische Gitarren und treibende Bässe sind dann wieder das Fundament des vorletzten We Can’t Be Found, das dann viel zu früh schon vorbei ist, wenn man sich gerade wieder in den Klangstrom von Algiers begeben hat. Das stimmungsgeladene Nothing Bloomed bildet dann vorerst den fulminanten Abschluss eines Werks, das vielfältiger, einfallsreicher und bedeutungsvoller kaum sein könnte.
Dass es einer Band gelingt, eindrucksvolle Botschaften in progressive Klangwelten zu kleiden ist eine Sache. Algiers vollbringen auf There Is No Year jedoch auch das Kunststück, ihre politische Agenda – das Aufbegehren gegen jegliche Form von Repression – innerhalb einer musikalischen Erfahrung zu vermitteln, in der das Streben nach einer besseren und gerechteren Welt nicht den klanglichen Experimenten der Band zum Opfer fällt. Demnächst macht die Band auch für einige Stationen bei uns auf Tour halt. Das sollte man sich nicht entgehen lassen.
Algiers – There Is No Year
VÖ: 17. Januar 2020, Matador Records
https://algierstheband.com
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