TARA NOME DOYLE – Alchemy

Foto-© Sonja Stadelmaier

Life washed me out
Just to colour me in
Made me a saint
Just to tempt me with sin
Told me to call
But then let the phone ring
Gave me a taste of love
Then food-poisoning
Dear life, I will let you proceed
And let go
Of what I wanted you to be

(Tara Nome Doyle – Dear Life)

Tara Nome Doyle ist ein Kind der Gegensätze. Die norwegisch-irische Sängerin ist in Berlin geboren, aufgewachsen und zwischen unberührter Natur und aufregendem Großstadtgedränge zu einer bemerkenswerten Künstlerin herangewachsen. Als Kind lernte sie Klavier zu spielen und schon mit elf fing sie an zu komponieren und Songtexte zu schreiben. Manchmal auf englisch und manchmal auf norwegisch erzählt sie von dem Zusammenstoß unberührter, stiller Natur und menschgeschaffenem Chaos. Bis heute ist das Klavier die Grundlage ihres kreativen Schaffens und mit Anfang zwanzig veröffentlicht sie jetzt endlich ihr Debütalbum Alchemy, dass sie mit einer neu zusammengestellten Band sowohl im norwegischen Wald als auch in Berlin aufgenommen hat.

Zu diesem besonderen Album kann und muss mehr gesagt werden als man es vielleicht gewöhnt ist. In neun Liedern behandelt Tara Nome Doyle darin nämlich die vier Entwicklungsphasen aus der vormodernen Naturphilosophie, der Alchemie, wie sie von C.G. Jung mit seiner Psychologie des Unbewussten in Verbindung gesetzt wurde. Mehr oder weniger einfach gesagt geht es um den spirituellen Aspekt der Selbstvervollkommnung als Interpretation des Versuches der Alchemisten, Gold herzustellen. Mit einem Booklet hat uns die junge Künstlerin deshalb eine Hilfe an die Hand gegeben, mit dem man ihr Album besser verstehen können.

Beginnen tut Alchemy mit Heathens. Ein mystischer Klangaufbau ertönt, der einem einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Ihre ausdrucksstarke Stimme und die Melodie bäumen sich zu einer gewaltigen Klanggröße auf, die zwischen Harmonie und Chaos existiert. Das Lied thematisiert die Leere und Verwirrtheit, die durch den Verlust von Glauben hervorgerufen wird. Es spiegelt die erste Phase des alchemistischen Verfahrens, Nigredo, wider und somit den unreinen und chaotischen Zustand von Materie. Es folgt Supernova und ihre Klaviermelodie wird von der Band zu einem balladenartigen Beat vervollständigt. Ihre sanfte Stimme zeigt das erste Mal ihre wunderschön rauchigen Elemente und ihr perlendes Klavierspiel endet in einem ruhigen und trotzdem lauten Finale. Der Song behandelt das Ende einer Ära aber auch den Anfang. Metaphorisch wird es, wie der Name zeigt, an dem Beispiel eines sterbenden Sternes beschrieben.

Mit Mercury beginnt die zweite alchemistische Phase, Rubedo, die Reinigung von Materie. Die verlorene Seele wird von einer mystischen Kraft eingenommen und sanft, aber bestimmt ins Licht geführt. Das Lied lebt von einer minimalistischen Melodie von Klavier und Gitarre und der als Instrument eingesetzten Stimme. Heisere Background-Vocals geben dem Song Tiefe und einen mystischen Touch. Es folgt Natural Order, ein Track, der trotz einer ordentlichen Ladung Soul perfekt in das Album passt. Es wird der Verlust von Spiritualität durch festgefahrenen Glauben und Gewohnheiten behandelt aber auch der erste Schritt in Richtung Selbstvervollkommnung eingeleitet. Es kommt eine neue Stufe an Energie in das Album und trotz massiven Drums und E-Gitarren Solo, geht ihre Stimme nicht unter.

In Poem trägt Tara Nome Doyle das Gedicht The Sky vor und initiiert so die dritte alchemistische Phase, Citrinitas, die Transmutation. Es ertönt der Anfang von Neon Woods. Ein grandioser Track, der durch Metaphern mit dem Verschmelzen des wilden Stadtlebens und der unberührten Natur spielt. Es wird darauf hingewiesen, wie gefährlich eine permanente Überlastung der Reize sein kann. Ein schöner Gitarrenbeat leitet den siebten Track des Albums, Transmutation ein. Der eingängige Song mit dem treibenden Beat der brillanten Band und ihrer tänzelnden Stimme glänzt mit überraschenden Stimmspielereien. Der Song beschreibt wie der Verlust von Kontrolle über das eigene Leben gleichzeitig schmerzhaft und befreiend wirken kann und dass man am Ende wahres Glück nur in sich selbst finden kann.

Die vierte und letzte Phase des alchemistischen Verfahrens, Albedo, ist das Ende der Transmutation und behandelt wie interne gegensätzliche Kräfte akzeptiert und vereint werden müssen, um ein erleuchtetes Dasein zu schaffen. Passend zu diesem Finale konzentriert sich The One mit epischen Bläsern und bassbetonten Drums auf ihre leicht verzerrte Stimme. Sie erzählt von Selbstliebe und davon, dass man gleichzeitig Suchender und Erlöser sein kann. Mit Dear Life geht das schöne Album zu Ende. Es ist ein Liebesbrief an das Leben in all seinen Formen. Chorgesang, herzschlagartiger Beat und poetische Lyrics klingen langsam aus und es lässt einen das Gefühl nicht los, man hätte gerade etwas Besonderem gelauscht.

Alchemy ist unerschrocken, ein Werk, das offen und beständig an einer Inspirationsquelle festhellt, die nicht dem allgemeinen Interesse entspricht. Tara Nome Doyle ist Old School und nicht, weil sie das Booklet mit einer Schreibmaschine geschrieben hat, sondern weil Alchemy von vorne bis hinten mit einer mystischen Überzeugung durchzogen ist, die man heute nicht mehr häufig vorfindet. Vor diesem Album kann man nur auf die Knie sinken und sich in seine Fänge begeben, bis man vielleicht eines Tages seine eigene Sonne findet und sich von ihr wärmen lässt.

Tara Nome Doyle – Alchemy
VÖ: 24. Januar 2020, Martin Hossbach
www.taranomedoyle.com
www.facebook.com/taranomedoyle

Tara Nome Doyle Tour:
05.03.2020 Feinkost Lampe, Hannover
06.03.2020 Roter Salon, Berlin
07.03.2020 Franz Mehlhose, Erfurt
11.03.2020 Milla, München
12.03.2020 Die Wohngemeinschaft, Köln

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Lea Kleisinger

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