I hang my head for those
Who ain’t been held too close
In times of pain
When the ceiling drips
The room’s bathed in grey
Outside’s a trip
For another day
((Don’t Let The Dragon) Draag On – King Krule)
Die Symbiose mit dem Organismus Großstadt hat ihre Spuren bei Archy Marshall alias King Krule hinterlassen. “Why stop breathing? / When the page is about to turn / Such a funny life I lead”, fragt der Londoner, schon vor seinem mit nur 19 Jahren veröffentlichten Debüt gefeiert, auf seinem dritten und jüngsten Werk Man Alive!. Schimmerte im Dunst des Vorgängers The Ooz noch eine Faszination für heroes and bloodsuckers unter dem Mond, für parasitos in versteckten Südlondoner Paradiesen, singt Marshall nun mehr denn je aus der Isolation heraus. Die Wände des grauen Zimmers sind nähergekommen, verkündet er abgeschlagen in (Don’t Let The Dragon) Draag On, das stellvertretend für den Klammergriff der Depression steht, der das Album umfasst.
Die Brücken zwischen Zelle und Außenwelt sind fragil: einsame Sprachnachrichten, Fernsehen, das Cellphone verliert die Verbindung: „There’s a French girl / On the television / She’s crying / In the palm of my hand“, bellt Marshall und treibt den Opener Cellular mit seinen schwingenden Bässen nach vorne. Sie ist noch da, die zurückgenommene, stets leise zweifelnde Coolness, klingt durch auf Dubtracks wie Supermarché und sanft dahintreibenden Gitarrenballaden wie Airport Antenatal Airplane oder Slinky, in denen Innenleben und Alltagsbeobachtungen ineinanderfließen: „I dreamt I was here before / Above wet pavements / Across deep blue skies she was sore / Leaving her engravement“
Auch der Sound ist so unverwechselbar wie eh und je. Da stapeln sich Schichten aus Drum Machines, zirpenden Synthesizern, Sprachfetzen und der familiär gewordenen Gitarre, brechen auseinander und gleiten durch den Nebel, bis sie erneut zusammenfinden. Und wenn die Melodien von Saxophonist Ignacio Salvadores sich nicht gerade mit Marshalls Croonen bis zur Ekstase überkreuzen, senken sie sich wie ein weiches Laken auf die Ohren herab. Aber vorsicht, der behütete Eindruck trügt: „I wrap myself inside my duvet / You think those blue giants feel the same?“
Neu dagegen ist die Wut, mit der Marshall sich gegen die bleierne Schwere auflehnt. Es dröhnt und rumpelt nur so, bis er über einer Persiflage genüsslich jaulender Bluesriffs kotzt: I’m Stoned Again trudelt schließlich mit winselnden Gitarren ins Nichts, die an John Frusciantes nicht minder verzweifeltes Solowerk erinnern. Und ebenso neu ist die auf Mailboxen gesungene Liebe von Perfecto Miserable und Please Complete Thee am Horizont des Albums. Zwar scheint die Rede vom Hoffnungsschimmer noch schwer zu fallen, wenn sich wie in Alone, Omen 3 die Frage stellt, wer mit einem immer nervöser beschwörenden „Don’t forget you’re not alone / Deep in the metropole“ hier eigentlich wen besänftigt – und doch steigt sie nach und nach zum eigentlichen Thema des Albums auf.
Während der Produktion ist Archy Marshall Vater geworden und mit seiner Partnerin und Kindsmutter, der Fotografin Charlotte Patmore, hinaus aufs Land gezogen. Vielleicht ist es noch zu früh, Man Alive! daher als bitteren Schlusspunkt einer großen, verwickelten Londoner Trilogie zu bezeichnen. Zugleich ist es – als ob das nicht schon genug wäre – mehr als ein Lebenszeichen von einem Künstler, von dem man auch nach einem herausragenden dritten Album noch viel erwarten darf. Don’t Let The Dragon Draag On You, Mr. King Krule!
King Krule – Man Alive!
VÖ: 21. Februar, XL Recordings
www.kingkrule.net
www.facebook.com/pages/category/Musician-Band/King-Krule
King Krule live:
08.03. Columbiahalle, Berlin – ausverkauft