Born swimming in blue water
Didn’t ever need another
Now I live underwater
(Squirrel Flower – I Was Born Swimming)
Wenn Ella O’Connor Williams aka Squirrel Flower davon erzählt, am heißesten Tag des Jahres 1996 schwimmend geboren worden zu sein, erinnert das unvermeidlich an das berühmte tauchende Baby, das fünf Jahre zuvor das Cover von Nirvanas Nevermind zierte. Mit den Herren aus Seattle hat die aus einer Musikerfamilie an der Ostküste stammende Williams jedoch nur wenig gemeinsam, sieht man einmal von den sparsamen, aber kompromisslos offenen Lyrics ab, mit denen sie ihr Debüt eröffnet: „I tried to be lyrical / but lyrics failed me / so I gave up poetry / and ran west on I-80“
Auch paddelte sie als Baby nicht im Swimmingpool einem Geldschein hinterher, sondern wurde, um die Geschichte aufzulösen, in ihrer Fruchtblase geboren – vom harten Licht der Welt noch einen Moment durch eine Membran geschützt. Und tatsächlich wogt und wabert auch das ganze Album nur so dahin wie ein wohliges Bad im Warmwassertank. Dazu ist keine große Produktion nötig: die in Boston und New York aufgenommenen Tracks konzentrierten sich ganz auf Williams‘ Stimme und ihr melancholisch-versunkenes Gitarrenspiel, ergänzt um Percussion und Overdubs. Wenn aus der Tiefe dann auch noch Zeilen wie „Realize I‘m not getting older but I’m not getting younger / Headlights look different when I’m looking over my shoulder” (Headlights) dringen, klingt das erstmal nach Indie-Phrasendrescherei, fügt sich aber ganz selbstverständlich ein in die musikalische Entspannungskur, die Williams ihren HörerInnen verschreibt und mit Seasonal Affective Disorder im Album einen frühen Höhepunkt findet.
Versucht sie dem Warmwasserbecken jedoch zu entsteigen, droht das Album zu enttäuschen: Songs wie Red Shoulder oder Street Light Blues können nur behäbig heruntergegniedelte Bluesriffs anbieten, die für ein Debüt-Album eine Spur zu routiniert daherkommen. Hier unterscheidet sich Squirrel Flower eindeutig von ihrer Kollegin SASAMI, die letztes Jahr mit einem ähnlich gelassenen Erstling für Aufsehen sorgte, aber deutlich mehr Drive und Einfallsreichtum bewies.
Solange sich jedoch Williams‘ Stimme ungestört entfalten kann, ist das alles schnell vergessen. Ob sie in Home von Wärme und Geborgenheit singt (“You pull me out of bed in the morning / make sure I have my coat / make sure I have my shoes tied up”), sanft und bestimmt eine Ode an den Belly Of The City richtet (“Midnight workers / I know the darkness of these roads as well as you do”) oder zum Ende des Albums zur titelgebenden Story zurückkehrt (I Was Born Swimming) – stets sitzen die wenigen Worte und laden ein, es ihr gleichzutun und noch ein wenig im Schutz der eigenen Membran zu verharren, während man durch das Ungewisse treibt.
Squirrel Flower – I Was Born Swimming
VÖ: 31. Januar 2020, Full Time Hobby
www.squirrelflower.net
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