Foto-© anna.k.o., 2019
Was viele nicht wissen – wir sind ja seit langem schon Fans MiA. und dementsprechend auch heute hocherfreut über das neue Album Limbo von Sängerin Mieze Katz, Schlagzeuger Gunnar Spies, Bassist Robert Bob Schütze und Gitarrist Andy Penn. Vor gut drei Jahren haben MiA. ihren 20. Geburtstag gefeiert. Mehr als zwei Jahrzehnte, sechs Alben, unzählige Hits, Neuanfänge einer Band, die sich immer wieder selbst neu erfunden hat und doch irgendwie immer sie selbst war. Und das ist sie nun in 2020 umso mehr: Die Band trennt sich von ihrem langjährigen Kreativteam aus Label und Management. Von jetzt an ist man erst mal auf sich alleine gestellt. Auch, was die vielen Fragen angeht, die so ein Geburtstag mit sich bringt: Was hat MiA., was haben aber auch Mieze, Andy, Gunnar und Bob für Wünsche, Träume und Vorstellungen? Was kommt nach diesen 20 Jahren? Wer ist man da als Band, aber auch als Mensch? Macht man weiter? Wie selbstverständlich ist das? Jetzt und in Zukunft? Und überhaupt: Warum MiA.? Aus all diesen fundamentalen Fragen heraus entstand mit Limbo ein Album voller Energie, großen Pop-Momenten und das klingt als sie die Band wieder zurück in Mitten ihres eigenem Zentrums. Wir haben die Band passend zum heutigen Release zum Track by Track gebeten:
1.) Limbo
Wir haben vorsichtige Pessimisten und unverbesserliche Optimisten in der Band. Insofern war so eine Art Standortbestimmung, so ein Statement wie in diesem Song längst überfällig. Lustigerweise kamen die ersten Textbausteine für „Limbo“ aus der Pessimistenecke und die Pessimistenecke hat dann die Optimistenecke überzeugt, dass das ein guter Start für einen Song ist. Das Playback schleppten wir schon einige Jahre durch die Gegend und eigentlich hat keiner mehr damit gerechnet, dass da tatsächlich mal irgendwann ein Lied draus wird. Aber plötzlich kam eins zum anderen und ab diesem Moment wollten wir dieses Lied unbedingt schreiben. Als der Song dann fertig war, wussten wir, dass das mehr ist, als „nur“ ein Albumsong.
2.) KopfÜber
Der erste Song, den wir für dieses Album geschrieben haben und das quasi „aus Versehen“. Aus Versehen insofern, als dass wir nicht vorhatten, einen Song über das Neuanfang-Ding zu schreiben. Zu diesem Thema gibt es schon so viele Songs, da wären wir jetzt nicht draufgekommen, dass die Welt sowas auch noch mal von uns braucht. Angefangen hat alles mit Andys Zeile „Knie aus Papier“, die in seinen Augen eigentlich nur ein Platzhalter sein sollte. Wir haben mit diesem sinnlichen Bild weiter herumgespielt und von da an hat sich der Song fast von alleine geschrieben. Als KopfÜber dann irgendwann fertig war, haben wir gemerkt, dass es auch ein Lied über uns, über unsere jüngste Vergangenheit als Band ist. Mit diesem Song sind viele Türen für das Album aufgegangen.
3.) Tortenguss
Ein Großstadtlied. Ein Song über Geborgenheit im Lärm, im Durcheinander, im Getöse. Der Tortenguss in Tortenguss deckt das bunte Chaos zu und man fühlt sich in dieser wuseligen, unberechenbaren Ruhelosigkeit zu Hause. Bei der Produktion dieses Songs haben wir besonders deutlich gemerkt, dass wir – total unkonform zum Zeitgeist – Lust auf eine analoge, im klassischen Bandsinne orientierte Soundidee für das ganze Album haben.
4.) Immer wenn ich dich seh’
Das Liebeslied auf Limbo. Ein Lied für die Person, die Dich abholt, wenn Du mit all Deinen Unzulänglichkeiten, mit all Deinen Unzufriedenheiten und unangemessenen Vorstellungen ganz allein an der Bushaltestelle in der Darkness stehst. Die erste Skizze zu diesem Song haben wir schon 2015 diskutiert und irgendwie war dieser Song seitdem für uns schon immer da. Irgendwie ein Song für die Indiedisko – falls es sowas noch gibt…
5.) Richtig im Falschen
Menschen sind schwach und das ist voll ok, denn Leichtsinn ist zwar gefährlich, aber eben auch leicht. Manchmal lassen wir Menschen uns die unmöglichsten Dinge einfallen, damit wir, obwohl wir schon längst auf der schiefen Bahn sind, noch ewig das Gefühl behalten, einfach so weiter machen zu können. Es hat extrem Spaß gemacht, dieses Lied zusammen zu schreiben. Wir haben viel ausprobiert und einige Schleifen gedreht, Teile ausgetauscht, Melodien komplett verworfen und viele Textvarianten verbraucht, bis es irgendwann gepasst hat und alles Falsche genau richtig ist.
6.) Crash
Wenn man über zwanzig Jahre zusammen als Band existiert, ist das Streit-Ding so eine Art Grundgeräusch, das immer dabei ist. Dieses Thema war also auch überfällig. Außerdem wird Streit ja auch gern mal unter den Teppich gekehrt, vermieden, oder ausgelagert. Wir hatten mal Lust zu erzählen wie das bei uns so läuft. Das Playback mit seinen 60ies / Sci-fi / Bond-Vibe war ein großer Spaß und eine dankbare Umgebung für so ein Thema.
7.) Vorbei
Manchmal ist es echt gut, wenn es vorbei ist. So eine Ent-Täuschung tut zwar weh, ist aber unter Umständen ein Moment großer Befreiung. Schon alleine deshalb, weil man dann solche Lieder darüber schreiben kann. Obwohl dieser Song jetzt so einfach und klar daherkommt, hatten wir lange sehr viele lose Enden in der Hand. Zusammengeknotet haben wir dieses Lied bei einem Kreativausflug in einem schönen alten Landhaus in der Uckermark.
8.) Reisen
Obwohl der Song Reisen heißt, geht’s hier um’s Anhalten. Anhalten ist ja manchmal gar nicht so leicht und es ist immer wieder interessant, welche Knöpfe man drücken und welche Hebel man bewegen muss, um sich einfach nur mal auszuklinken. Genau so busy wie dieser Vorgang im „richtigen“ Leben oft ist, klingt dieser Song stellenweise auch. Andererseits strahlt dieses Lied auch eine gewisse Entspanntheit aus – zumindest für uns. Alle kleinen Licks und auch der Becher-Groove in der Strophe sind aus einer gelösten und relaxten Grundhaltung entstanden.
9.) Mauerpark
Hier auch Reisen, aber Zeitreisen. Manchmal ist man an einem Ort, den man gut kennt und von dem man glaubt, dass er keine Überraschungen mehr parat hat und plötzlich geht da durch einen Sound, durch einen Blick, oder einen Geruch, oder sonstwas, ein Film los. Erinnerungen schießen ein, man ist komplett überwältigt von so einem Flashback und unverhofft sind Personen und Momente der eigenen Geschichte total gegenwärtig. Einer dieser Orte ist für uns der Mauerpark. Wir haben beim schreiben dieses Songs krass viele Geschichten aufgewärmt, übereinander erfahren und ausgetauscht – einer der ganz großen Glücksmomente bei der Arbeit an diesem Album.
10.) Sorgenfalter
Ohne Empathie, ohne Beistand können wir alle einpacken. Wenn die Gedanken mal randalieren, dann baucht man einfach jemanden, der zuhört. Da muss erstmal gar nicht viel verbessert oder repariert werden, zuhören reicht fürs erste vollkommen aus. Zuhören mussten wir uns gegenseitig auch beim schreiben dieses Songs. Zwischenzeitlich hatte vermutlich jedes Bandmitglied eine eigene Vision für dieses Lied. Das Playback gab es in mindestens vier verschiedenen Varianten und es wurden diverse Textideen mit diesem Song erprobt. Alles fühlte sich doof an, bis der Sorgenfalter angeflogen kam. Vielleicht sowas wie der heimliche Hit vom Limbo-Album…
11.) No Bad Days
Musik und Tattoos – erstmal nicht so besonders besonders. Aber die Geschichte dieses Songs ist dann doch besonders für uns und beginnt mit einem Social Media Post. Marie, eine Langzeit-MiA.-Supporterin hat ein neues Tattoo und postet ein Bild davon. Die Band, also wir, sehen das und fühlen uns irgendwie angesprochen, irgendwie bewegt. Und weil es immer gut ist, Songs über Momente zu schreiben, in denen sich was bewegt, schreiben wir also einen Song über dieses Tattoo, über den Menschen mit diesem Tattoo und darüber, was uns mit diesem Menschen vielleicht verbindet: Selbstbestimmung, Sinnsuche, Lebensfreude, Courage. Den Spieß umzudrehen hat Spaß gemacht – keine tätowierte Textzeile nach Album-VÖ, sondern ein Tattoo als Textvorlage, als Inspiration, als Ursprung. Marie und ihr No Bad Days-Tattoo haben den Deckel auf dieses Album gemacht. Dieser Song war nicht wirklich geplant, er hat sich im Grunde kurz vor Schluss auf dieses Album gedrängelt.