Foto-© Ilenia Tesoro
Der Kanadier Patrick Watson veröffentlichte kürzlich sein siebtes Studioalbum Wave. Es ist schlichter und ergreifender als alles, was er zuvor gemacht hat. Liegt es an dem erbärmlichen Zustand der Welt? Nö – es hat mit Watsons privaten Dramen zu tun. Außerdem hat er mit Frank Ocean einen neuen Helden für sich entdeckt.
Patrick Watson raucht wie ein Schlot. Es ist schon fast unfair, dass seine Stimme immer noch zwischen Höhen und Tiefen wechselt, wie eine junge Gazelle zu springen vermag. Liegt das daran, dass der Kanadier bestens ausgebildeter und studierter Musiker ist? Möglich. Seine Mitmusiker*innen im Studio und seine Liveband bestehen ebenfalls nur aus höchst elaborierten Universitätsabsolventen. Ist vermutlich der Grund, warum Alben wie Adventures in your own backyard (2012) oder Love Songs For Robots (2015) so vielschichtig, so komplex und so undurchdringlich daherkamen – ohne dabei nicht auch hin und wieder mit eingängigen Refrains und Details zu locken. Watson war jetzt halt eher nicht so zum Nebenherhören geeignet. Der Junge konnte einen bei aller bedingungslosen Begeisterung, die man für ihn empfinden muss, durchaus auch mal anstrengen. Chamber-Pop nennt man sowas wohl im Fachjargon.
Wave, Watsons nunmehr siebtes Studioalbum, erschien am 18. Oktober letzten Jahres. Es vereint Watsons Liebe zu hübschen Melodien und seine Fähigkeit, die Hörenden mit einem einzigen Song tief zu umarmen – jedoch ohne allzu ausladend zu sein. Man könnte fast sagen: Die Stücke auf Wave erreichen einen auf recht konventionelle Art und Weise – zumindest was das Songwriting angeht. Die Platte ist nämlich durchaus aufwändig und anspruchsvoll produziert, aber es finden sich hierauf in Länge und Aufbau recht unkomplizierte Popnummern. Eine Feststellung die Watson einem übel nimmt? Im Gegenteil: „Die Welt ist doch kompliziert genug. Ich wollte nichts machen, was alles noch schlimmer macht.“ Watson lacht. Das tut er oft, auch wenn es gar nicht so lustig ist. Meist klingt er dann kurz etwas aus der Spur geraten, bevor er wieder an seiner Zigarette zieht. „Naja hör mal, ich wollte nicht schon wieder an jedem Song tausend Ebenen suchen. Hätte ich machen können, glaub mir. Aber die Herausforderung war dieses Mal, etwas zu machen dass den ganzen Pomp gar nicht braucht. Ich wollte etwas, dass auch so funktioniert.“
Einfachheit – etwas, dass man als Antwort auf die Kritiken seines Vorgängeralbums Love Songs For Robots verstehen kann? Damals fanden Kritiker wie Fans, dass die Platte etwas zu verkopft geraten war. „Ehrlich gesagt glaube ich, die Leute haben sich vom Titel abschrecken lassen. Roboter klingen natürlich direkt kalt. Dabei war es eine sehr herzliche und emotionale Platte. Ich glaub, das hat niemand verstanden.“ Watson lacht, man lacht mit ihm (ist irgendwie plötzlich doch ganz lustig) und wünscht sich kurz, nie mit dem Rauchen aufgehört zu haben, um jetzt einfach auch mal einen hastigen Zug von einer Selbstgedrehten nehmen zu können.
„As a wave came and washed on by (…) it broke my body as it crashed into my sleeping mind”, heißt es im Titelsong zum Album Wave. Kann man sehr leicht als Katastrophe interpretieren, die einem keine Wahl lässt, als zu leiden. Klingt bisschen nach dem, was gerade in der Welt so abgeht: Trump in Amerika, braune Suppe in Europa, Brexit, Flüchtende, die vor rechter Gewalt Angst haben müssen und Mauern zu Mexiko, die Menschen entzweien und Hass schüren. Das sind nicht nur aktuelle gesellschaftliche Probleme – sie waren auch schon auf der Tagesordnung, als Watson noch an seiner Platte schrieb. Handeln tut diese dennoch von persönlichen Krisen: „Die ganze Traurigkeit passt super zur aktuellen Zeit, da gebe ich dir recht. Aber es ging eigentlich um mich. Meine Frau und ich haben uns getrennt, meine Mutter ist gestorben und mein Drummer, der mich 22 Jahre begleitet hat, verließ die Band. Das muss man erst mal verdauen, stimmts?“ Watson lacht. Ob aus Verzweiflung ist unklar.
Das resultierende Album markiert die Arbeit durch dieses Tal. In seinen Lyrics begleitet man Watson auf seinem Kampf durch überdimensionale Wellen, zu starke Ströme, fühlt sich gebrochen und kaputt, wahnsinnig klein und einsam. Dennoch fließt das Album einem herrlich einfach und angenehm in die Gehörgänge. Es ist Traurigkeit, die einen aber nie bodenlos niederdrückt. Es ist alles melancholisch, aber nie tonnenschwer. „Ja, das liebe ich. Frank Ocean bekommt das so gut hin. Er hat mit seiner Musik eine neue Art der Melancholie erfunden“, erzählt Watson begeistert. Seiner Meinung nach ist Ocean der Musiker, das Mastermind der Stunde.
Frank Ocean und Patrick Watson – beide gehen sehr sogfältig mit ihren Kompositionen um, sie beide lassen sich schwer auf nur ein Genre herunterbrechen, beide spielen gerne mit Instrumentierungen und Experimenten. Auf Anhieb hätte man die beiden aber dennoch nicht unbedingt zusammengebracht: Luxuriöser R’n’B-Pop auf der einen Seite und vielschichtiger Singer-Songwriterpop auf der anderen Seite. Aber Watson ist sowieso nie so richtig interessiert gewesen an strengen Kategorien – bei ihm treffen sich Brüche und Genres ja auch völlig übergangslos. Und auf seiner Platte folgt auf die große Bestürzung auch wieder die Hoffnung. Wellen brechen, Stürme beruhigen sich wieder und auf Angst folgt im besten Fall neu gewonnene Stärke. Was aber so oder so bleibt ist wundervolle Musik und dieses sanfte Gefühl, süßer Melancholie. Ob nun die neue Art oder die alte.
Patrick Watson live:
12.03. Metropol, Berlin