Foto-Credit: © Shervin Lainez
I can’t keep on singing everybody’s changing
I can’t keep on getting being pushed around
I can’t keep on singing everybody’s changing
(The Districts – Changing)
Ah, das verdammte zweite, dritte, nein, vierte Album. Auf You Know I’m Not Going Anywhere (und damit bleibt es bei Quarantänen-Witzen in diesem Text) verabschieden sich The Districts und ihr Bandleader Rob Grote vom bluesigen Indie-Rock der Vorgänger und wagen sich an neue Sounds. Dabei sind sie nicht die erste Band, die ihre Skinny Jeans gegen – die Single-Auskopplung Cheap Regrets hatte es schon verraten – Glitzerhosen eintauscht und dem käsigen Disco-Sound ein letztes bisschen Coolness abzutrotzen versucht. Damit die zusammengezimmerte Tanzfläche nicht unter den ersten Schlägen der hallenden 80er-Kickdrum zusammenbricht, hat sich das Quartett deshalb Unterstützung von Produzent Dave Fridmann geholt, der zuvor schon mit den Flaming Lips und MGMT die Verbindungen von Pop und Psychedelia probte.
Der Opener My Only Ghost lässt aufhorchen: da kriecht ein angemessen geisterhafter Chor und Tape-Loops in die Gehörgänge, während dazwischen Bass und E-Piano umherwandern. Die frühere Ungeschliffenheit ist langjährigen Districts-HörerInnen in Form von sperriger Folk-Gitarren erhalten geblieben, aber an allen Ecken und Enden wird jetzt geloopt und geschichtet. Hier ein Synthesizer, dort noch ein Delay-Effekt – selbst zurückgenommene Ruhepausen zur Albummitte werden wie Descend nochmal mit verhallten Pads und Klang-Collagen angereichert. Spätestens da wird klar, dass die Band es mit ihrer Neuorientierung ernst meint.
In den besten Momenten verbinden sich diese Neuerungen mit der früheren Rohheit zu einem verletzlichen Soundtrack für beziehungsfokussierte Lyrics. Es überwiegt jedoch eindeutig der Drang zur Pop-Hymne – und je größer die Geste, desto generischer fällt sie aus. Während nach dem Hören von Hey Jo oder Changing der Makel der Beliebigkeit wenigstens durch sofortiges Vergessen ausgeglichen wird, fordern glattgebügelte Refrains wie in Velour and Velcro selbst leiderprobte Einzelhandels-EinkäuferInnen heraus. Absurderweise gibt es für alle, die noch hinhören wollen, selbst hier Vielversprechendes wie verwaschene Voice-Samples in Paranoid-Android-Tradition.
Wo bleibt denn da die versprochene Tanzfläche? Cheap Regrets – ein geradliniger Up-Beat in bester Arcade Fire-Manier – hatte sie schon erfolgreich ausgeleuchtet. Aber klar, kein Disco-Schwoof kommt ohne Saxophon aus – schon gar nicht, wenn Grote dabei wie auf Dancer „I get lost in every twirl“ hauchen darf. Statt einer ausschweifenden Blechbläser-Orgie bleibt es glücklicherweise bei sparsamen Einsätzen, die im Zusammenspiel mit Grotes Falsett gekonnt eine Brücke zwischen Eingängigkeit und Träumerei schlagen. Irgendwie haben sich in Person von Sidecar jedoch auch noch die 00er-Jahre am Türsteher vorbei geschmuggelt: „Well, I don’t want to be the sidecar / On the passenger side“ – angesichts einer vollen Breitseite generischer Rockgitarren und heulender Doo-Whoops hilft da nur die Flucht zur Bar, bevor der Laden völlig auseinander fällt.
Vielleicht zeigen auch nur die Cocktails endlich ihre Wirkung, aber zum Schluss bekommt das Album doch noch die Kurve. Der süßliche Mix aus Streicher-Arrangements und pulsierenden Bässen (erneut nach Arcade Fire-Rezept) macht And The Horses All Go Swimming sogar zu einem späten Höhepunkt. Wenn schon hymnisch, warum nicht immer so wie hier? 4th of July rundet das Ganze schließlich mit unaufgeregter Sanftheit ab – beziehungsweise ist, um ein letztes Mal die Disco-Metapher zu bemühen, der Song für das erste Sonnenlicht: „We left our bodies on the bank / And when the tide came in they sank / Into the blue moons glow“.
The Districts nehmen die Neuorientierung auf You Know I’m Not Going Anywhere ernst genug, um dem Alten den Rücken zuzudrehen, aber verharren wortwörtlich noch am Scheidepunkt zwischen Eigenständigkeit und poppigem Einheitsbrei. Wer so große Refrains singt, muss sich also auch die große Frage gefallen lassen: Wohin soll es jetzt gehen?
The Districts – You Know I’m Not Going Anywhere
VÖ: 20. März 2020, Fat Possum
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