Foto © The1Point8
Sometimes, existential dread
Comes ringin‘ through loud and clear
I‘ll adjust and simply let go
I guess it is what it is.
I‘m not sure of what‘s coming next,
But I‘ll be alright
As long as I keep breathin‘
I know I‘ll be alright
I know I‘ll be alright.
(Thundercat – Existential Dread)
Es gab Zeiten, da galt der Bass als unerwünscht. The White Stripes, Johnossi, Blood Red Shoes und die frühen Yeah Yeah Yeahs wollten ihn nicht haben. Das Thema schaukelte sich zum Statement hoch. Aber mal ehrlich – Musik ohne Bass?„You, whaaaatt“?, donnerte Stephen Bruner aka Thundercat entsprechend empört. Er randalierte echauffiert in der Hardcore-Band Suicidal Tendencies und debütierte an der Seite von Cameron Graves, Kamasi Washington und Bruder Ron als Mitglied der kurzlebigen Young Jazz Giants. Engagements bei Erykah Badu, Flying Lotus, Mac Miller und – in nicht unerheblichem Maße – auf Kendricks TPAB folgten. Stephens erstes Album unter dem Namen Thundercat erschien vor neun Jahren und hieß The Golden Age Of Apocalypse.
Es gibt Konstanten. Stephen liebt technisch begabte Fusion-Jazzer, die wie er am Bass brillier(t)en – Jaco Pastorius, Stanley Clarke oder Headhunter Paul Jackson. Ihn begeistert Synth-Sound, den Prince (hier: Dirty Mind) oder The System lieferten. Er liebt psychedelische Trips. Oddball-Momente sind auch Teil des Plans, sie folgen von der Idee her denen auf Stevie Wonders Journey Through A Secret Life Of Plants. Vieles von dem, was man von Thundercat kennt, ist auch auf It Is What It Is enthalten. Aber er findet noch etwas wichtig. „If you don‘t like funk, you suck“, belehrte Stephen den Berichterstatter von The Wire. Also gastiert in Black Qualls neben Gitarrist Steve Lacy von The Internet und Childish Gambino auch Veteran Steve Arrington (in Deutschland vor allem wegen seines Solo-Hits Feel So Real aus dem Jahr 1985 bekannt). Absolut umwerfend ist das, was unter Arringtons Führung in der Band Slave geschah. Es ging um Stellar Funk, um freien Flow zwischen Geist und Galaxie, kosmische Ausstrahlung und höllischen Rhythmus. Stephen steht drauf. Arringtons geschmeidiger Gesang ist für ihn ebenso ein Vorbild wie die kantigen Grooveathons von Slave-Bassist Mark Adams. Der Funk kommt auf It Is What It Is auch in Miguel‘s Happy Dance vor. Und in Funny Thing natürlich – sagt ja der Titel schon fast. So bereichert Stephen sein Repertoire.
Im Mittelteil wird unser Mann zum Eroberer. „We can do it on a plane, I just want to be with you“, schlägt er in Overseas vor. Im Video zu Dragonball Durag macht er Quinta Brunson, Kali Uchis und den HAIM-Schwestern einen Antrag. „I‘m trying to get intimate“, lässt er die Damen wissen. Baby, ich brauch‘ euch – fast schon eine Antithese zur #MeToo-Mania. Erfrischend. Im Kontrast dazu steht der Endteil der Platte. Zuerst kommt es zur Klage über unerwiderte Liebe: „Baby, you‘re the one, the one that got away, this is what it feels like to have regrets, it is what it is.“ Der Albumtitel taucht als Textzeile in mehreren Songs auf und wird zum Mantra – nicht zuletzt eingedenk des Verlusts von Mac Miller. „I think the existential dread set in when Mac disappeared. Things became a bit realer to me. I was faced with a choice – to either follow suit or figure it out. And I guess this is me trying to figure it out“, wird Stephen in der New York Times zitiert. Auch er hat Krisen hinter sich, nicht umsonst heißt das Vorgängeralbum Drunk. Er hat schon seinen Freund Austin Peralta verloren, nun folgten Mac Miller und Nipsey Hussle. Das Album endet mit den Worten „Hey, Mac“. Es ist der letzte Gruß an einen engen Freund.
It Is What It Is ist mal happy-go-lucky, gelegentlich führt sich Thundercat wie ein Filou auf. Und er lässt Schmerz zu. Am Ende sorgen er und Stamm-Ko-Produzent Flying Lotus dafür, dass alles kompakt und stringent klingt. Nur das hektische Drumming von Louis Cole fällt an einer Stelle aus dem Rahmen. Sonst gilt: Keep it smooth! Natürlich könnte Stephen mit seinem klobigen 6-Saiter von Ibanez den großen Bassgiganten geben, die Anlage dazu hat er. Doch er hält sich zurück, anders als die Protagonisten in Fusion und Funk früher. Lieber lässt er seine Stimme schweben und begnügt er sich in Miguels Happy Dance auch mal mit trocken-primitivem Syndrum-Sound als Begleitung. Nur nicht übertreiben – so kann er Träumer, Verführer oder Trauergast in Personalunion sein. Wirken tut es so oder so. Bis tief in die Poren. Man kann diesem Kerl einfach nicht widerstehen.
Thundercat – It Is What It Is
VÖ: 3. April 2020, Brainfeeder
www.thundercat.bandcamp.com
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