Foto © Sarah Knüpfer
Wie viele Sommernächte hab’n wir ohne Schlaf verbracht?
Der Boden warm, die Luft schon kalt
Es gab kein Morgengrauen, das ohne uns anbrach
Wir lagen ständig auf Asphalt
Wir war’n berauscht und einfach viel zu high
Von unserer bloßen Gegenwart
Wir war’n berauscht und leider viel zu jung
Zu merken was wir beide war’n
(Das Moped – Viel zu lang)
Es bleibt ein wilder Ritt für Das Moped: Kein ganzes Jahr nach der Veröffentlichung ihrer ersten EP mit dem schmalzig-schönen Titel Alle Wollen Liebe legte das Trio um Martin Brunner, Augustin Zimmer und Ali Baltz Anfang dieses Jahres mit der EP Niemand Sonst nach und teilte bis vor kurzem noch die großen Bühnen mit Wanda – bevor uns die Coronakrise allseits um die Ohren flog. Gefühlt ist das alles lang her und so manches künstlerische Konzept könnte in diesen unsicheren Zeiten zugrunde gehen, nicht aber für die kommende deutsche Indie-Pop-Hoffnung, deren Mitglieder ursprünglich aus Rheinland-Pfalz kommen. Erstaunlich klar lautet der Titel der Debütplatte, die soeben das Licht der Welt erblickt hat. Wie schon auf den EP-Vorgängern schreit auch hier alles: „Pop!“. Stilistisch reiht sich der Sound irgendwo zwischen Wanda, Bilderbuch, Echt und der Münchener Freiheit ein, schafft aber doch immer wieder neue Momente voller Dampf und Glitzer. Das Kunststück, inmitten gleißender Synth-Architekturen und energischem Power-Pop Augenblicke zart-ehrlicher Zerbrechlichkeit zu zünden, ist dabei ein Markenzeichen, das dieses Debüt so besonders macht.
Lieder über die Liebe, wie man sie sich eigentlich wünscht: Ohne großen Kitsch oder überhöhtes Selbstmitleid. Das ist einer der ersten Eindrücke, den Erstaunlich klar zum Vorschein bringt. Tanzbare, euphorische Retro-Verliebtheit mischt sich dabei mit emotionalen Offenbarungen, die der furiosen Pop-Maschinerie des Trios nachdenkliche Facetten entgegensetzen. Das beginnt schon beim ersten Song Lucky Luke. Glitzernde Synth-Klänge und wummernde Beats sind hier das treibende Element, können aber nicht über die gesungenen Gefühlswelten hinweg täuschen, die ein inneres Wirrbild enttäuschter Erfahrungen zeichnen und das Chaos unerfüllter Hoffnungen in ehrliche Worte kleiden. Auch in Niemand Sonst rauscht einem zunächst ein Schwall nostalgischer 90s-Vibes entgegen, unter dessen glitzernder Oberfläche jedoch pure romantische Ekstase herausbricht: „Ja ich mache viele Fehler / und verliere oft die Balance / vielleicht meldest du dich später / denn ich warte immer noch / Ich will niemand anderen sonst“.
Und weiter? Karussell dröhnt sich krachend in die Gehörgänge, monoton hämmert sich die Basedrum durch den Vers, während das Falsetto von Sänger Augustin Zimmer dem Song etwas erstaunlich sanftes entgegensetzt. Der Chorus bricht den Song auf ins Rund, mündet ins Sphärische, bis die kreisenden Bewegungen plötzlich abrupt enden und den Ritt von vorne beginnen lassen. „Bitte gib mir mehr Zeit / Es geht zu schnell vorbei“. Das mag man sich auch bei dieser Perle von Lied denken. Flaneur gibt sich dann wieder mit vollem in den Rausch Funk-geladener Euphorie und artikuliert die alte neue Sehnsucht suchender Großstädter nach Inspiration und Selbstvergessenheit in der Masse des Unbekannten: „Große Stadt, bitte zieh mich / in deinen endlosen Sumpf“. Sanfter geht es schließlich in Traurig zu, der vielleicht klassischsten Pop-Ballade des Albums, dem die Streicher-Elemente sein melodramatisches Extra verpassen. Erstaunlich klar, der letzte Track der Platte, reißt dann schließlich in einem wilden Enthusiasmus das große Gefühlskarussell nochmal herum und ist ein hymnischer Abschluss, der in hymnischer Euphorie flehend die Hoffnung auf das Jetzt im Hier von den Gipfeln der Stadt und aus dem Innersten ruft: „Heute Nacht ist wahr“!
Und eigentlich will man dem auch gar nichts mehr hinzufügen. Hier schallt aus allen Ecken nostalgischer Funk-Synth-Pop mitten aus dem Leben derer, die (noch) im Dazwischen stehen, aber jetzt schon dem Leben alles abgewinnen wollen, und zwar sofort. Das Moped hat mit Erstaunlich klar ein glitzerndes, überschwängliches und doch immer aufwühlendes Erstlingswerk produziert, das ihren Status als neue Marke im deutschen Pop festigen dürfte. Und dass die drei Musiker selbst diesen unruhigen Zeiten etwas abgewinnen können, spricht einfach nur für sie, wie dieses Statement von Bassist Ali deutlich macht: „Ich finde den Aspekt schön, dass man jetzt mal wieder mehr Zeit hat, Musik zu hören. Wir haben so für dieses Album gekämpft, deshalb möchten wir die Leute einladen, sich für uns und unsere Musik Zeit zu nehmen. Vielleicht hilft sie ja.“
Das Moped – Erstaunlich klar
VÖ: 22. Mai 2020. EPIC Records
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