MOSES SUMNEY – græ

Why don’t you wear some colour?
It’d bring out your eyes
You say you’d never bother
‘Cause you’d be telling lies
Why don’t you try some Earth tones?
Since you claim you wanna die
The colour of compost
Might make you feel revived
Well, I think it’d look great on you
Go on, show yourself
There’s nothing to be scared of
Do it for your health
Say I wanna change you
That was never true
Look up at the grey hues
They could all be shades of blue.

(Moses Sumney – Colouour)

Foto © Eric Gyamfi

Moses Sumney hat endlich die zweite Seite seines Doppelalbums grae herausgerückt und jetzt ist die Zeit gekommen dieses Gesamtwerk in angemessenes Licht zu rücken. Grae behandelt viele tiefgründige Themen, die Sumney in überaus poetischen Lyrics mehr oder weniger deutlich ausspricht. Am Anfang des Albums wird das Thema Isolation in den Raum geworfen wobei jedoch kurz danach verdeutlicht wird, dass der Zuhörer nun in eine Grauzone geführt wird. Die menschliche Grauzone zwischen Gefühlen, Ursachen und Lösungen, die uns tagtäglich begleitet, wenn auch oft unbemerkt. Sumney stellt sich die richtigen Fragen, um näher zu sich zu finden. Er wandelt sie in Lieder um, in denen er mit seinem beeindruckenden Falsett beinahe ganze Geschichten erzählt.

Ein perfekter Start ins Album gelingt mit Cut Me. Gezupfter Kontrabass, Drums und Bläser lassen einen mitreißenden Rhythmus entstehen. Ein Futuristisch-Jazziges-Lied mit dem der Künstler nach eigenen Angaben eine Ode an Aretha Franklin geschrieben hat. Es folgt ein Kontrastprogramm mit Virile. Eines von mehreren Liedern auf dem Sumney das Thema Maskulinität bespricht. Düstere, rockartige Klänge entfalten sich, seine Stimme ist ausdrucksstark. Harfenklänge ertönen. Wie man sich im Gefängnis bestimmter Vorstellungen entwickelt und ob man sich traut auszubrechen ist seine Frage. Sumneys Auftreten lässt erahnen, dass er auf dem Weg ist sich wohl zu fühlen, ohne den festgeschriebenen Vorstellungen von Maskulinität zu entsprechen.

Die erste Hälfte des Albums bespricht Themen indem die Allgemeinheit direkt angesprochen wird. Ob treibende Tribal-Drums in Conveyor, futuristischer Spoken-Word in boxes oder klare Jazzklänge gemischt mit Walgesang auf Gagarin. Die kreative Energie sprudelt dem Zuhörer mit jedem Lied entgegen. Auf Gagarin erklingt Sumneys Stimme derart verzerrt, dass man sie mit den Tönen eines Saxofons verwechseln könnte. Das wunderschöne Lied Colouour wurde von FKJ koproduziert. Neben Saxofon erklingen ab und zu auch psychedelisch wabernde Bläser und neben minimalen Melodien konzentrieren sich fast alle Lieder besonders auf die einzigartige Stimme des US- Amerikanischen Sängers. Eines der Highlights der ersten Albumhälfte ist Polly, ein bittersüßer Track, der eine greifbare Verletzlichkeit ausstrahlt. Während eine Gitarre leise vor sich hin spielt singt Sumney über den Schmerz unerwiderte Liebe. Seine Stimme wird dupliziert und das Lied erzeugt eine wunderbare Sog-Kraft. Die zweite Albumhälfte fährt mit der persönlichen Ebene fort die Polly geschaffen hat. Die Ich-Form wird von dem Künstler regelmäßig verwendet und die Lieder scheinen einen akustischeren Eindruck zu machen. Atmosphärische, dahinplätschernde Lieder wie Bystanders und Keeps me alive bringen dem Album ein sanftes Ende. Auf Me in 20 years fragt sich Moses Sumney ob er in zwanzig Jahren allein sein wird. Damit winkt das Album vorsichtig dem Debutalbum Aromanticism, indem Sumney viel über seine Einsamkeit und anscheinende Inkompatibilität sinnierte.

Grae spricht den Menschen ganz direkt in seiner Emotionalität an. Das Album stellt Fragen und gibt Antworten auf unerklärbare Phänomene der Gesellschaft. Es ist ein sowohl musikalisch als auch lyrisch anspruchsvolles Werk, das wieder einmal das kreative Genie Sumneys beweist. Egal wie oft man die 20 Lieder hört, man entdeckt immer wieder etwas Neues und die vielschichtigen Lyrics lohnen sich auf jeden Fall als Lektüre für zwischendurch.

Moses Sumney – græ
VÖ: 15. Mai 2020, Jagjaguwar / Cargo
http://www.facebook.com/mosessumney
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Lea Kleisinger

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