The thought keeps buzzin’ round my head since knowing you were gone
Wondered how I’d failed to see it coming on
And in my dreams, I often think of you, I wonder where you’ve been
See, I don’t remember all too much since then
And we wait, we wait
Oh, we wait for you to rest
And we wait, we wait
Some may call it fate but I just bow my head and run
It was nothing but a hand upon a gun
Now in my dreams I come and sit with you and I ask you how you’ve been
‘Cause I don’t remember much as I did then
(Other Lives – We Wait)
Foto © Michael Mackay
Nach dem Erfolg von Rituals war es lange Zeit ruhig um Other Lives. Frontmann Jesse Tabish befand, dass ihm alles zu viel ist. Zu viel Technik, zu viel Ablenkung, zu wenig Authentizität. Er zog sich mit seiner neu zur Band gestoßenen Frau zurück und verließ Portland, um mit ihr in einem Nurdachhaus in der Cooper-Mountain-Region in Oregon, umgeben von hoch aufragenden Bäumen und keine NachbarInnen in Sicht, zu arbeiten. Dort wollte er den organischen, menschlichen Sound wiederfinden, der für ihn Other Lives ausmacht. Das hat er geschafft – nach fünf Jahren erschien am letzten Freitag das neue Studioalbum For Their Love. Der Sound der Live-Auftritte sollte eingefangen werden und so erfolgte die Aufnahme ohne viel Schnickschnack. Dabei verliert die Band jedoch weder ihren Perfektionismus noch ihren cineastischen Ansatz der großen Streicher, Bläser und Klangwände – richtig dosiert und einer ausgeklügelten Dramaturgie folgend. Man möchte kaum glauben, dass sie explizit vermieden haben, Dinge zu überarbeiten und neu aufzunehmen.
Dass trotz Haus im Nirgendwo und dem Abschwören der elektronischen Klänge kein Minimalismus angesagt ist, stellt der Opening Track Sound of Violence direkt nach fünf Sekunden mit den einsetzenden Streichern klar. Kühl, rhythmisch und dunkel startet die neue Platte und das steht der Band aus Oklahoma erstaunlich gut. Wie in einem Cowboyfilm, in den sich ein perfektionistisches Orchester verirrt hat, singt Tabish: Make some room for the afterlife / Golden gates, a happy wife / Nothing compares to the sound of your violence. Ein Zusammenspiel aus Lässigkeit und Perfektionismus, das auch bei All Eyes-For Their Love mit Chören aus weiblichen Stimmen und einer Klangvielfalt, die immer dramaturgisch und nie chaotisch klingt, dafür sorgt, dass man sich – erinnernd an Ennio Morricone – im nächsten Arthouse-Film sieht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Songs durchplätschern und keinen Raum für Experimente lassen. Hier ist das Streben nach Vollkommenheit nicht Feind der Kreativität, wie das ruhige Stück Dead Language beweist. Das wird getragen von Tabishs Stimme, anfangs nur mit Gitarre, doch die Chöre und die eingängige Pianobegleitung lassen nicht lange auf sich warten. Die ungewöhnliche Struktur aus zwei Strophen, keinem Refrain und einer Bridge schafft, gepaart mit den zarten, aber komplexen Klangebenen, eine fast geisterhafte Stimmung. Ein interessanter Kontrast dazu ist das treibende Nites Out, das durch das Verlassen des folk-inspirierten Sounds eingängig im 80s-Gothic-New-Wave-Gewand daherkommt und von inneren Kämpfen und Paranoia erzählt. Der grundsätzliche Ton des Albums ist bestimmt durch ein hinterfragendes Aufbrechen des Americana-Narrativs, das Teilen von Schmerz und die Auseinandersetzung mit sozialen Fragen wie in Hey Hey I. Ein Höhepunkt des Albums ist We Wait. Die Single beschäftigt sich ungewöhnlich eingängig mit traumatischem Verlust. Das Zusammenspiel aus Bläsern und Tabishs tief emotionalen, aber fast schon abgeklärten Lyrics hallt noch lange nach.
Auch wenn sich der Vergleich aufdrängt, tut man For Their Love Unrecht, wenn man das Album als eine Art Soundtrack abtut, auch wenn die fantastischen cineastischen Elemente dazu verleiten. Die Songs lassen in ihrer Komplexität Szenen entstehen, statt sie zu unterlegen. Die zehn Tracks in knapp 37 Minuten sind so vollgepackt, dass sich die Platte sehr viel länger anfühlt. For Their Love sollte mit Zeit gehört werden. Zeit, um abzutauchen und sowohl die inhaltlichen als auch die klanglichen Schichten zu durchdringen. Other Lives beweisen mit ihrem neuen Album, dass Beschränkung nicht Schlichtheit bedeuten muss, sondern zur Perfektion des Gegebenen antreiben kann. Zum Glück!
Other Lives – For Their Love
VÖ: 24.04.2020, PIAS/Rough Trade
https://www.facebook.com/OtherLives/
otherlives.com