Foto-© Thorsten Bruening
Was sind Musiker eigentlich, wenn nicht Geschichtenerzähler, die in Song geformt von den kleinen und großen Schicksalen, Problemen und Gefühlen erzählen? Thorsten Nagelschmidt, vielen wahrscheinlich eher als Nagel und Sänger, Gitarrist und Texter von Muff Potter bekannt, ist solch ein Geschichtenerzähler und versteht es auch abseits seiner Songs und Alben in Form seiner bisher erschienenen vier Büchern den Leser zu packen. So auch bei seinem neusten Roman Arbeit, der vor kurzem erschienen ist!
„Guten Morgen Berlin, Du kannst so hässlich sein, So dreckig und grau, Du kannst so schrecklich sein, Deine Nächte fressen mich auf“, befand schon Peter Fox in seinem Song Schwarz zu Blau und auch Thorsten Nagelschmidt wirft sich mit Arbeit in den nächtlichen Schlund der Berliner Metropole. Er erzählt von Schicksalen, häufig komplizierten, wenn nicht irgendwie auch gescheiterten. Von dem was es bedeutet seinen Job nachts in Berlin auszuüben und was es mit einem macht. Wen man vor Ort trifft und auch wie viele seiner Charaktere dort gelandet sind. Es geht um Geld, Existenzen, Exzess, Drogen, Liebe und Sex. Wie in Songs geben die Kapitel einen teils nur oberflächlichen Einblick, skizzieren das Szenario mal kurz, mal länger, um dann zum nächsten interessanten Objekt der Betrachtung zu springen oder einen Faden auch wieder aufzunehmen und zusammen zu führen.
So wirkt Arbeit letztlich wie ein Medley aus der Berliner Nacht, mal dramatisch, mal tragisch, nicht immer zwingend oder stringent, teilweise lässt Nagelschmidt auch bewusst Lücken, um die Fantasie des Lesers selbst das Bild ausfüllen zu lassen, welches er teilweise nur zu skizzieren wagt. Und letztlich ist es doch so: wenn Berlin so etwas ist, wie der deutsche Gegenentwurf der Stadt, die niemals schläft, gibt es eben auch die Menschen, für die das eben nicht Vergnügen ist, sondern Arbeit. Manchmal stößt man sich dabei auch an Plattitüden oder zu vorhersehbaren Entwicklungen, zu sehr konstruiert wirkenden Verbindungen, oder einzelne Geschichten wirken zu abgehackt. Doch das bügelt Nagelschmidt kurz darauf auf der nächsten Seite schon mit einer charmanten Formulierung oder dem nächsten guten Gedanken wieder weg, dass man letztlich nur weiterhin empfehlen kann: Nagel sollte man nicht nur hören, man sollte ihn auch lesen!
Thorsten Nagelschmidt – Arbeit
Gebundene Ausgabe, 336 Seiten
ISBN: 978-3103974119
VÖ: 29. April 2020, S. Fischer
22 Euro