Foto-© Atsushi Nishijima
Sie wollten eine Show, ich gab ihnen eine.
(Celeste – Vox Lux)
Pop-Musik hat mitunter einen schlechten Ruf, gilt sie doch als kommerzielles Produkt, bei dem es häufig nur um Geld, Ruhm und Bereicherung geht – sie ist also das schwarze Schaaf in dieser ansonsten doch so idealistisch wirkenden Kreativ-Branche. Und unter diesen Vorzeichen hat der Filmregisseur Brady Corbet sich der Pop-Musik angenommen und ihr, wie es darin heißt, ein „Twenty-First Century Portrait“ gewidmet. Wir haben uns dieses zur Heimkino-Veröffentlichung von Vox Lux angeschaut.
Die ganze Nation steht unter Schock als ein weiteres Schulmassaker ganz Amerika erschüttert. Die 13-jährige Celeste (Raffey Cassidy) überlebt das Attentat ihres Mitschülers gerade so mit einer gefährlichen Halsverletzung und wird kurzerhand zum Hoffnungsschimmer in der dunklen Stunde, als sie beim Gedenkgottesdienst der Schule einen Song, den sie mit ihrer Schwester geschrieben hat, aufführt und damit landesweit im Fernsehen Gehör findet. Kurze Zeit später hat Celeste einen Manager, ein Label, PR-Beauftragte, sogar eine Choreografin und während sie mit ihrer Musik wenig bis keine Ambitionen hat, wittern andere das große Geschäft, das mit dem schweren Schicksal der unschuldigen Teenagerin zu machen ist.
Schnitt, Zeitsprung. Jahre später ist aus der zurückhaltenden jungen Newcomerin eine Pop-Ikone (jetzt gespielt von Natalie Portman) geworden, die hinter dem glänzenden Äußeren einen ganzen Sack voll Probleme mit sich herumträgt. Sie ist eine Diva, behandelt alle wie Dreck und muss an ihrem Comeback feilen, nachdem sie Probleme mit Drogen, sowie der Justiz hatte. Der Ruhm und das Geld hat sie verdorben, ihre Tochter lebt bei ihrer Schwester, Alkohol und Drogen ruinieren sie immer noch und sie wirkt vor ihrem ersten Comeback-Auftritt in ihrer Heimatstadt wie ein seelisches und körperliches Frack. Doch die Show muss weiter gehen, die Scheinwerfer gehen an, die Tänzer tanzen und dazu ertönt schamlos inhaltsleere Pop-Musik.
Vox Lux hat eine klare Message und ist gerade in der ersten Hälfte großes Kino. Geradezu dokumentarisch entfaltet Corbet das Schicksal und den Aufstieg Celestes und berührt einen dabei, dass die Fallhöhe aufgrund der Entwicklung des Sympathieträgers im zweiten Teil umso höher erscheint. Hier kommt dann zwar die wie immer gute Natalie Portman endlich zu tragen, doch ihre Figur ist so dermaßen verdorben von ihrer Vergangenheit und drückt einen in den Dialogen so penetrant ihre verquere Wahrnehmung in den Vordergrund, dass die Darstellung beim Zuschauer ähnliche Wirkung erzeugt, wie das Massaker am Anfang des Films. Und über allem steht das Thema „Pop-Musik, Ruhm und Geld vergiftet die Menschen“ – was sicherlich auch oft so stimmt. Der finale Vorhang fällt dann mit einer lächerlich überspitzten Pop-Show, die noch mal zeigt, wie sinnlos und leer diese Musik – die hier übrigens von Sia geschrieben wurde – sein kann und mit wieviel Bombast und Geschmacksverstärkern das dem geneigten Fan trotzdem regelmäßig vorgesetzt wird. Ein finaler Act, der leider auch zu lang und exzessiv gezeigt wird, ist die Message doch schon früh erkannt…und doch hat Vox Lux seine Stärken und deckt das böse Gesicht der Pop-Musik auf. Dass einem dieses nicht gefällt, mag so sein, der unmittelbaren Wucht des Films tut es trotzdem keinen Abbruch. Denn Vox Lux versucht auch gar nicht angenehm zu unterhalten oder sich anzubiedern…es ist ja auch ein Film und keine Pop-Musik.
Vox Lux (USA 2018)
Regie: Brady Corbet
Darsteller: Natalie Portman, Jude Law, Raffey Cassidy, Stacy Martin, Willem Dafoe
Heimkino-VÖ: 20. Mai 2020, Koch Media GmbH