BLANCO WHITE – On the Other Side

How could I ever know which way the riddle goes
If time’s beat isn’t enough?
To carry the sky over the edge and out of sight
Lifting the key to the door

Desert days
There is a sea that can’t be crossed (Na na na)
Desert days
And all that you need is what you lost (Na na na)

(Blanco White – Desert Days)

Foto © Sequoia Ziff

Blanco White heißt eigentlich Josh Edwards und ist ein britischer Gitarrist, Sänger und Songschreiber, der schon als Kind sein Herz an die Anden und Südspanien verloren hat. Nachdem er in Cádiz (Spanien) Gitarre und später in Sucre (Bolivien) das andine Instrument Charango studiert hatte, begann er, Elemente andalusischer und lateinamerikanischer Musik sowie Einflüsse aus seiner Heimat zusammenzubringen. Nach drei EPs (The Wind Rose, Colder Heavens und Nocturne), durch die Decke gehenden Streamingzahlen und ausverkauften Konzerten erschien am Freitag sein Debütalbum On the Other Side bei Yucatan Records. Die elf Songs des Albums zeugen von Edwards Detailverliebtheit und Hingabe. Die dichten Klanglagen schmiegen sich intelligent und sanft übereinander und überhaupt lebt der Sound von einer Art eindringlicher Zurückhaltung, die zeitlos wirkt und eine eigene Welt erschafft.

Der titelgebende Opener On the Other Side und das darauffolgende I Belong to You setzen den Ton des Albums: Edwards Stimme erhebt sich ruhig, aber eindringlich über spanische Gitarren, geklatschte Rhythmen und mystische Klangflächen. All That Matters und das jazzigere Samara haben ein bisschen mehr Tempo, letzteres mit einem interessanten Staccato-Beat und fast schon 90er-Jahre-Gitarrenmelodien, verlieren aber nicht die luftige Entrücktheit, die den Blanco-White-Sound ausmacht. Desert Days und die vorab veröffentlichte Single Papillon haben einen folkigen Charakter. Papillon erinnert an die Reduziertheit der ersten Veröffentlichungen. Spätestens an dieser Stelle sollte man auch über die intelligenten Texte sprechen. Es scheint, als wäre jedes Wort abgewogen worden und verdichtet sich zusammen mit dem komplexen Sound zu einer durchgehenden Ästhetik, die in den Schwarz-Weiß-Bildern zum Album abgerundet wird: The truth turns the needle true north / and trusts us to follow its course. Ein bisschen aus der Reihe tanzt der Ohrwurm Olalla – das mystische Element fehlt hier vollkommen, die Gitarren sind eingängig und fast spielerisch, während Edwards in den Lyrics die Melancholie nicht ganz verlässt, aber doch mit einem positiven Ausblick berichtet: You are hiding over the hill / In a quiet never so still/ From Olalla to the city lights / Somebody told me to believe in better times. Das darauffolgende Chasing Dials ist dann wieder ein eher reduzierter, trauriger, ruhiger Song, der den Weg bereitet für den Abschluss der Reise, Mano a Mano. Hier wird noch einmal alles aufgefahren: orchestrale Sounds, spanische Lyrics und Backup-Vocals von MAVICA.

On the Other Side schafft es, eine eigene Welt zu kreieren, in die es sich lohnt, abzutauchen. Josh Edwards etabliert seinen ganz eigenen Klang, der komplex und doch eingängig ist. Mit der mystischen Melancholie der Platte ist außerdem eine Zeitlosigkeit gelungen, die erreicht, dass man auch nach Jahren diesem Album nicht überdrüssig werden wird. Beeindruckend ist die Detailverliebtheit auf allen Ebenen, die auf fast magische Weise trotzdem nicht zu einer Überladung führt. Wenn man Blanco White eine Sache vorwerfen möchte, dann hätte die Platte etwas mehr Abwechslung bieten können. Songs wie Olalla oder Desert Days, die das Gehörte plötzlich aufbrechen, machen das Ganze erst richtig spannend.

Blanco White – On the Other Side
VÖ: 05.06.2020, Yucatan Records
https://www.facebook.com/blancowhitemusic/
http://www.blancowhite.info

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