Kinotipp der Woche: MONOS – ZWISCHEN HIMMEL UND HÖLLE

In einer abgelegenen Region in Südamerika, auf einem Berggipfel über den Wolken leben die acht Teenager Rambo, Lobo, Lady, Sueca, Pitufo, Perro, Boom Boom und Patagrande. Sie trainieren täglich für einen ominösen Krieg, der unten im Tal herrschen soll und warten darauf, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen könnte um in den Einsatz geschickt zu werden.

Die Prämisse des Films ist augenscheinlich sehr eindeutig und linear. Monos wirkt wie eine Mischung zwischen Lord of the Flies und Kriegsfilmen wie The Thin Red Line und Apocalypse Now. Filme, die unter anderem durch eine oberflächlich simple Handlung und einen gewaltigen Tiefgang hervorstechen. Und die Vergleiche kommen nicht von ungefähr, werden vor allem visuelle Hommagen eben jener genannten Werke in Monos verarbeitet. Nichtsdestotrotz erzählt er eine ganz eigene Geschichte, auf seine ganz eigene fesselnde Art und Weise und muss sich nicht vor den referenzierten Filmen verstecken.

Monos – Zwischen Himmel und Hölle spielt, wie der deutsche Titel bereits benennt, irgendwo dazwischen, in einem regelrechten Limbus. Es wird nie erklärt für oder gegen wen oder was gekämpft wird. Bis auf die Namen erfahren die Zuschauer nichts über die Protagonisten, woher sie kommen, weshalb sie Teil der Gruppe geworden sind, was ihre Motivation ist und ob sie überhaupt eine haben. Dieses Wissen scheinen die Jugendlichen selbst nicht zu haben, oder es kommt nie zur Sprache, da nicht einmal ihr Leben vor oder außerhalb der Truppe Erwähnung findet. Sie leben in ihrer eigenen abgeschiedenen Welt mit ihren eigenen Regeln und Idealen. Am Tage trainieren sie entweder diszipliniert oder gehen den ihnen auferlegten Aufgaben nach und in der Nacht geben sie sich ihren Genüssen und Bedürfnissen hin und leben diese bis zum Exzess aus. Sie kommunizieren auf ihre eigene Art, die meist wenig Worte bedarf und oft in Gewaltausbrüchen endet. Generell tragen sie ihre zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen sehr oft auf der körperlichen Ebene aus und kaum auf einer verbalen; so wie es Kinder eben tun.

Sie scheinen nichts über die Gesellschaft außerhalb ihrer eigenen zu wissen, bloß ab und an erscheint ein Mitglied einer mysteriösen Organisation, die massiv am Krieg beteiligt zu sein scheint und die Gruppe von Jugendlichen überwacht, um den acht weitere Aufgaben und Befehle zu erteilen. Doch der Zustand der Nichtbeachtung und einer gewissen andauernden Unsicherheit bleibt stetig bestehen, so dass die Charaktere sich oft in einem Stadium der Zerrissenheit befinden. Einer Zerrissenheit von Bestrebungen und Gefühlen. Und diese hat eine unmittelbare Ursache, denn die acht jungen Menschen stehen auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen Kindheit und Krieg.

Monos gelingt es gekonnt diverse Extreme in einer im Grundsatz sehr intimen Geschichte so miteinander zu verweben, dass selbst der Zuschauer nicht genau benennen kann, was richtig oder falsch ist. Sowie auch die Gesinnung der Mädchen und Jungen nie zum Tragen kommt. Niemand hat ihnen je vorgelebt, was richtig oder falsch überhaupt bedeutet, was gut und böse sei.

Und so bleibt auch die Erzählung ambivalent und wird nie in einen politischen oder moralischen Kontext gezwängt. Das Umfeld, in dem die Teenager heranwachsen, ist grausam und faszinierend zugleich, wild und doch atemberaubend schön. Die Darstellung ihrer Welt strahlt eine besondere Anziehungskraft aus und wirkt hypnotisierend und erschreckend zugleich. Dies liegt besonders an der technisch herausragenden Umsetzungen, die Regisseur Alejandro Landes und sein Team in einer visuellen und musikalischen Pracht zeigen. Die Dreharbeiten fanden an Originalschauplätzen, auf den höchsten Berggipfeln und im tiefsten Dschungel, statt um die Authentizität zu wahren und um die Extreme, die die Protagonisten auf erzählerischer Ebene durchleben, in atemberaubenden Szenenbildern einzufangen. Die Kompositionen von Mica Levi (Under the Skin, Jackie) schaffen es zudem mit minimalistischen Ausdrucksweise gleichzeitig eine monumentale musikalische Untermalung zu kreieren. In Kombination mit den betörend schönen Bildern und der Musik wirkt Monos wie die lyrische Dichtung eines nicht enden wollenden Fiebertraums. Und ohne konkrete Orientierung haben weder die acht Jugendlichen noch die Zuschauer jemanden, der ein Vorbild sein könnte oder eine Richtlinie vorgibt, um aus diesem Traum zu entfliehen. Wie in einem Traum wird nicht überlegt oder nachgedacht, jede der einzelnen Figuren handelt nach ihren Gefühlen und rebelliert schließlich aufgrund dieser. Und so muss sich auch der Zuschauer mit seinen Gefühlen und seinen Vorstellungen einer Gesellschaft der Extreme und Ambivalenz auseinandersetzen. Ein Film, auf den man sich einlassen muss und sollte.

Monos (COL 2019)
Regie: Alejandro Landes
Cast: Moises Arias, Sofia Buenaventura, Julián Giraldo, Karen Quintero, Laura Castrillón, Deiby Rueda, Paul Cubides, Sneider Castro, Julianne Nicholson
Kinostart: 4. Juni 2020, DCM

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Helena Barth

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