Foto-Credits © Michelle Jekel
In unserer neuen Reihe stellen wir sympathische Plattenläden aus ganz Deutschland und ihre Besitzer vor. Nach Echobeat Records in Aschaffenburg geht es dieses Mal in den hohen Norden, genauer gesagt nach Hamburg. Dort statten wir Zardoz Records, ehemals auf dem Schulterblatt und seit 2018 im Karoviertel, einen Besuch ab. Zardoz ist ein Plattenladen alter Schule: egal ob Mainstream oder ausgefallenes Sammlerobjekt, das “traditionsreiche Geschäft für neue und gebrauchte Schallplatten und CDs verschiedenster Musikstile” lebt von der Breite seines Angebots. Wir haben uns mit Besitzer André Sorgenfrei auf einen Schnack getroffen und über die Corona-Krise, Online-Streaming und Veränderungen in der Musikindustrie gesprochen. Viel Spaß!
1. Wie kamst du/kamt ihr dazu einen Plattenladen zu eröffnen und ist das führen des Ladens & die Motivation dahinter wirklich so „romantisch“ wie es immer dargestellt wird?
Unseren Laden (Beziehungsweise Zardoz als Solches) wurde ja bereits 1981 eröffnet. Folglich also zu einem Zeitpunk, als es noch keine Alternative zur klassischen Schallplatte gab – von der Kompaktkassette mal abgesehen. Deshalb war es zum damaligen Zeitpunkt nicht allzu waghalsig einen Schallplatten-Store zu eröffnen. Das erste Geschäft, damals in Eimsbüttel, wurde von einigen Musikenthusiasten bzw. Schallplattensammlern gegründet. Sie haben quasi die Leidenschaft zum Beruf gemacht. So romantisch, wie es dargestellt wird ist es sicherlich nicht immer. Dennoch macht die Arbeit die meiste Zeit enorm Spaß, auch wenn sie stressig ist. Es ist schon schwierig, es immer allen Recht zu machen und alles unter einen Hut zu bringen:
Den ständigen Strom an Neuveröffentlichungen im Blick behalten, Kundenwünsche erfüllen, neue Platten einsortieren, alte Platten wieder aussortieren, Sortimentspflege betreiben. Hinzu kommen noch die vielen Mails und das Telefon. Außerdem birgt der Kontakt mit verschiedenen Kunden natürlich auch immer Herausforderungen, auch wenn die meisten unserer (Stamm-)Kunden wirklich lieb sind. Im Fazit: Das Klischeebild vom entspannten Kaffee trinken, Musik hören und ein Schwätzchen halten trifft eher nicht zu. Am Ende der meisten Tage lohnt sich der Aufwand aber.
2. Wie lange gibt es den Laden schon, wie hat sich die Musikindustrie seitdem verändert und würdest du heute immer noch einen Plattenladen eröffnen?
Wie oben schon erwähnt, 1981. Die Musikindustrie hat sich natürlich extrem gewandelt in den letzten Jahrzehnten. Schallplatten sind ja nur noch ein sehr kleiner Markt, welcher sich aber zum Glück auf einem akzeptablen Niveau hält. Trotzdem sieht die Konkurrenz durch Online-Streamingdienste heute selbstredend ganz anders aus. Heute den Laden nochmal öffnen? Würde ich möglicherweise schon, aber wohl ausschließlich mit gebrauchten Platten. Neuware zu verkaufen ist der grösste Stressfaktor, ohne dass es sich am Ende des Tages großartig rechnet. Die Gewinnspanne bei Schallplatten ist ja ausgesprochen lausig.
3. Die Corona-Pandemie hatte ja zuletzt noch mal einige einschneidende Auswirkungen sowohl auf die Musikindustrie, als auch alle Bereiche des Tourens und Vertriebs von Musik. Wie habt ihr die Auswirkungen bei euch im Geschäft erlebt, habt ihr vielleicht auch euer Geschäftsmodell angepasst oder irgendwelche Aktionen gemacht – falls ja, wie waren eure Erfahrungen?
Wir konnten von Glück sagen, dass wir bereits einen gut funktionierenden Online-Handel (discogs) betreiben, der während der Corona-Wochen sehr ansprechend lief. Da haben wir einen klaren Vorteil anderen Stores gegenüber. Wir sind zwar nicht auf Rosen gebettet, kommen fürs erste aber ganz gut zurecht. Das liegt vor allem an den Kunden, die jetzt zuhause vermehrt Zeit haben Musik zu hören, aber auch an der Solidarität. Einen Plattenladen zu betreiben basiert eh auf Selbstausbeutung – das war auch vor Corona schon so und wird sich wohl auch nicht mehr ändern.
4. Wie ist jetzt eure Situation und welche Langzeitauswirkungen seht ihr derzeit durch die aktuelle Krise für euch und die allgemeine Lage von Bands/Acts, Labels und Musikschaffende?
Es ist wirklich bedauerlich und ein Trauerspiel. Während Labels und Plattenläden hoffentlich halbwegs klarkommen, sieht es für Clubs und alles was daran hängt echt übel aus. Wenn diese nicht für lange Zeit vom Staat unterstützt werden, sehe ich für die Clubs und Konzertveranstalter schwarz. Eigentlich ist das etwas, dass weder der Staat noch die Stadt wollen können – dass uns ein so großes Stück der unabhängigen Kultur und der hiesigen Vielfalt weg bricht. Wenn es ganz schlecht läuft, werden die ganzen kleinen Geschäfte die Krise nicht überstehen und im Nachhinein von größeren Unternehmen aufgekauft. Vor allem die Bands, die in den Jahren hauptsächlich von ihren Auftritten leben konnten werden es jetzt sehr schwer haben. Aber hoffen wir auf das Beste.
5. Abseits von der Krise: wie seht ihr ansonsten die Entwicklung des deutschen Musikmarktes im letzten Jahr?
Der Musikmarkt hat sich, wie bereits in den Jahren zuvor, stark auf die Streamingdienste verlagert. Der CD-Markt bröckelt jeden Tag mehr. Der Schallplattenverkauf ist zwar noch immer recht erfreulich, aber eben auch nur eine kleine Nische. Wir reden von Auflagen, die häufig nicht über 300 hinausgehen.
6. Wie steht ihr persönlich zu Streaming-Diensten?
Die sind ja theoretisch durchaus ein Zugewinn und ich kenne einige Menschen, die Spotify nutzen, aber auch weiterhin Schallplatten kaufen. Es sollte mehr als Ergänzung statt als Ersatz begriffen werden. Nichtsdestotrotz kann ich persönlich damit nichts anfangen, mir liegt das Haptische einfach mehr. Darüber hinaus bekommen die meisten Künstler*innen zu wenig vom Kuchen ab. Letztendlich ist es mir recht schnuppe, wie die Menschen Musik hören. Hauptsache ist, dass sie es tun. Und dass man mir meine Schallplatten nicht wegnimmt.
Schaut doch gerne mal vorbei:
ZARDOZ RECORDS
Marktstraße 55
20357 Hamburg
Mo.-Sa.: 12-20 Uhr
www.zardoz-schallplatten.de
www.facebook.com/zardozrecords
www.instagram.com/zardoz_records