Phoebe Bridgers – Punisher

Phoebe Bridgers © Frank Ockenfels

Phoebe Bridgers - Punisher Album Art
Foto © Frank Ockenfels

If you’re a work of art
I’m standing too close
I can see the brush strokes
I hate your mom
I hate it when she opens her mouth
It’s amazing to me how much you can say
When you don’t know what you’re talking about

(Phoebe Bridgers – ICU)

Als Phoebe Bridgers vor gut drei Jahren ihr Debütwerk Stranger In The Alps veröffentlichte, war die heute 25-jährige Singer-Songwriterin aus Los Angeles noch eine große Unbekannte. Der eingängige Folk-Pop ihres Erstlings war, dem ersten Schein nach, zunächst nichts bahnbrechend neues und es wäre sicherlich ein Leichtes gewesen, die Künstlerin nur als weitere nette weibliche Stimme auf den Spuren einer Joni Mitchell abzutun. Doch nicht nur wurde das Solodebüt von der Kritik nach und nach mit viel Wohlwollen beachtet, auch legte Bridgers in der Folge einen Aufstieg hin, der mit nichts weniger als kometenhaft betitelt werden kann. In 2018 formierte sie gemeinsam mit Julien Baker und Lucy Dacus das Trio boygenius, im nächsten Jahr veröffentlichte sie direkt ein Album mit Kollaborateur Conor Oberst, mit dem Nebenprojekt Better Oblivion Community Center. Eine Zusammenarbeit mit The Nationals Matt Berninger im selben Jahr sowie ein Feature auf dem neuen Album von The 1975 erscheint da nur noch wie die Krönung ihres jungen Erfolgs. Mit Punisher, der vierten Veröffentlichung und dem zweiten Solowerk, festigt Bridgers nun ihren Ruf als gnadenlos komplexe Songwriterin – und sie tut dies mit facettenreicher Schönheit, die von mehr Weisheit spricht, als man von ihrer Musik vielleicht erwarten würde.

Ein geheimnisvolles und verworrenes instrumentales Intro verbirgt sich zu Beginn hinter DVD Menu, das dann fast nahtlos in Garden Song übergeht. Wie ein von leicht verstärkten Gitarren angetriebener Erinnerungsgang durch ein akustisches Labyrinth bewegt sich dieser Song und weckt dabei Stimmungen, die von einem harmonischen Wohlgefühl bis zur Unheimlichkeit reichen. Phoebe Bridgers’ vokale Performance und wie sie diese einzusetzen weiß, trägt ein Wesentliches zu dieser Vielfalt bei. Wesentlich angetriebener und weniger traumgleich zeigt sich dann Kyoto, das in Bridgers’ Œuvre fast schon euphorisch wirkt. Weniger dagegen das Songwriting, das immer wieder das Talent der Künstlerin offenlegt, auf leichtem Fuß gehaltvolle Dinge offenzulegen, nicht selten mit einem guten Schuss ironischem Potenzial: “I’m gonna kill you / If you don’t beat me to it / Dreaming through Tokyo skies / I wanted to see the world / Then I flew over the ocean / And I changed my mind”. Der Titeltrack Punisher rückt als nächstes Stück wieder mehr in den Hintergrund, setzt sich voll in den Dienst von Bridgers’ zarter Stimme, nur unterlegt mit Klavierelementen und gelegentlichen atmosphärischem Beiwerk. Diese gewisse Unheimlichkeit, gepaart mit der subtilen Schönheit, die die Singer-Songwriterin hier zelebriert, bricht sich hier ein Stück nach dem anderen Bahn. Dabei schafft es Bridgers, die Ängstlichkeit und Zerbrechlichkeit der Texte, etwa in dem ergreifenden Chinese Satellite (I want to believe / Instead and I look at the sky and I feel nothing / You know I hate to be alone / I want to be wrong”) mit einer harmonischen Eleganz einzurahmen, die einen so erfasst, dass man zwischendurch fast schon vergessen kann, wie traurig das doch alles sein kann. Man braucht manchmal nur eine wegweisende Melodie und eine Stimme, die sie singt, schon fühlt sich das Leben viel leichter an.

Schon der New Yorker befand, dass Phoebe Bridgers‘ neues Werk “both frank and anxious” sei und trifft damit auf einen wesentlichen Kern im Schaffen der Songwriterin, dass sich in Punisher deutlich zeigt. Die Künstlerin hat hier nicht nur ein atemberaubendes Set an verschachtelten und introspektiven Folk-Songs geschaffen, sondern dem auch eine solide Textarbeit zugrunde gelegt, welche der verstörenden und beängstigenden Seite unserer Welt eine raue Ehrlichkeit und Offenheit entgegensetzt. Das klingt mal verworren und verwirrt, mal euphorisch und frei, ist aber immer von einer Schönheit vereinnahmt, die begeistert, durchdringt und, fast schon versöhnlich, in den Arm nimmt.

Phoebe Bridgers – Punisher
VÖ: 19. Juni 2020, Dead Oceans
www.phoebefuckingbridgers.com
www.phoebebridgers.bandcamp.com
www.facebook.com/phoebebridgers

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Andreas Peters

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