BING & RUTH – Species

Bing & Ruth @ Tonje Tholesen

Bing & Ruth Species Cover
Foto-Credit © Tonje Thilesen

Auch wenn der Name es nicht vermuten lässt: hinter den Ambient-Klängen von Bing & Ruth steckt kein Duo, sondern der New Yorker Pianist David Moore, der unter diesem Namen mit Species diese Woche bereits sein viertes Album vorlegt. Verzog er sich für die Vorgänger dabei schon mal mit einem Spinett in den Nationalpark (Tomorrow Was The Golden Age, 2015) oder experimentierte mit der Mikrofonierung seines Klaviers (No Home Of The Mind, 2017), konzentriert er sich nun ganz auf die Möglichkeiten der Farfisa-Orgel.

Farfisa? Die elektronische Orgel, populär im Rock der 60er und 70er und selbst von den Klangfetischisten von Kraftwerk eingesetzt (Autobahn, 1974), ist in Zeiten digitaler Klangerzeugung eigentlich längst überholt. Doch nicht nur die periodischen Retrowellen der Popmusik halten den ungewöhnlich warmen, manchmal rauen Sound am Leben: auch der kanadische Minimalist Philip Glass erkannte in dem unhandlichen Klangerzeuger das Potenzial für endlose Drone-Schneisen und präzise Arpeggios, die er in seinen (Film-)Kompositionen festhielt.

Ausgebildet in zeitgenössischer Musik und auf atmosphärische Soundtracks spezialisiert, weiß Moore natürlich längst um diese Referenz. Sein Einstieg Body in a Room klingt mit seinen meditativen Läufen dementsprechend fast wie die Neu-Interpretation eines Glass-Werks. Moores Spiel ist jedoch geduldiger, ja fast schon gemächlich. Als passionierter Langstreckenläufer – von dessen Trancezuständen das Album inspiriert wurde – heißt es für den in die Sanddünen von Point Dume, Kalifornien, übergesiedelten Komponisten, sich bloß nicht zu verausgaben: für Stücke wie Badwater Psalm setzt er daher ganz auf gleichmäßigen, warmen Klangfluss statt kaskadenartiger Reizüberflutung.

Auch wenn Moore sein ursprüngliches Soloprojekt Bing & Ruth bereits für den Vorgänger zum Ensemble ausgebaut hat, muss sich seine Farfisa hier nicht mit Bläsersätzen oder Chören messen, sondern darf sich Schicht für Schicht entfalten: satte Bassregister schieben sich unter die sprudelnden Arpeggios (I Had No Dream) und laden zur entrückten Entspannung ein. Damit die HörerInnen bei all dem seligen Schwelgen in sich selbst – oder auf Live Forever mit Kontrabassist Jeff Ratner – nicht wegnicken, hat der geruhsame Spannungsbogen des Albums ein paar Längen auszugleichen. In The Pressure of this Water ist jedoch alles wieder im Fluss, bevor Nearer den spartanischen Schlusspunkt setzt.

Waren die Kompositionen der Vorgänger noch einsame Fahrten durchs Ungewisse, ist Species ein langer Lauf zu sich selbst. Den Schmähnamen „Heimorgel“ (home organ), der sein wuchtiges Instrument bis heute begleitet, wendet Moore hier kurzerhand ins Positive: Species hilft, bei all der Aufregung irgendwo ein Zuhause zu finden.

Bing & Ruth – Species
VÖ: 17.07.2020, 4AD/Beggars/Indigo
www.bingandruth.com
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