“I’m gonna be free or die!“
(Harriet – Harriet)
Mitte des 19. Jahrhunderts neigt sich die Zeit der Sklaverei in den USA langsam ihrem Ende zu. Dennoch hält die weiße Oberschicht vieler Staaten verbittert an dem alten System fest. Die Freiheit in ihrer Heimat verwehrt, flüchtet Harriet Tubman (Cynthia Erivo) aus der Sklaverei in Richtung Philadelphia. Einem Wunder gleich gelingt ihr, auf einer Strecke von über 100 km ganz auf sich alleine gestellt, die Flucht. Von Visionen Gottes geleitet kann sie jedoch nicht das ruhige Leben in Freiheit genießen, sondern sucht, mit einer Determination und Unnachgiebigkeit, die ihres gleichen sucht, gemeinsam mit dem Netzwerk der Underground Railroad, andere bei der Flucht zu unterstützen.
Lange Zeit in Vergessenheit geraten, ist die inspirierende Geschichte und der Name Harriet Tubman mittlerweile fast jedem in den USA bekannt. Ein Name übriegens, den sie sich in Freiheit angekommen, selbst in Gedenken an die für sie wichtigsten Menschen gegeben hat. So war Harriet der Name ihrer Mutter und Tubman der ihres Ehemanns. Unter dem mal wieder etwas sperrigen Titel Harriet – Der Weg zur Freiheit versucht der Film diese Bekanntheit nun auch über die Grenzen der USA hinaus, bzw. ganz konkret in Deutschland, zu steigern. Wo der Trailer sehr actionreich geschnitten ist, vielleicht sogar einen Hauch von Tarantinos Django Unchained verspricht, verläuft der Film selbst dann eher ruhig und mit 125 Minuten sicher auch etwas zu lang. Ist man von der initialen Flucht noch komplett mitgerissen, bieten die wiederholten Flucht- und Ausbruchsszenarien zu wenig Variation. Harriets wiederholte, in schwarz / weiß gehaltene Visionen Gottes stiften zusätzlich unnötige Verwirrung, ob der Motivation und des geistigen Zustandes der Protagonistin bzw. zunächst ob der Funktion der Visionen generell. Auch wenn die reale Harriet ebenfalls Visionen gehabt haben soll, die für sie möglicherweise irreführend und desorientierend waren, wirken diese hier wie ein Fremdkörper in einem ohnehin zu langen Film. Trotz dieser Länge schafft es der Film nicht wirklich tief in die Materie einzusteigen und einen differenzierten Einblick in das Leben Harriets zu gewähren. Wir sehen sie fast konstant und ausschließlich auf der Flucht während dieser sie war glorifiziert aber eben nicht wirklich charakterisiert wird.
Die konstante Flucht beschert uns jedoch auch immer wieder spannungsgeladene Szenen und profitiert von einer durchweg glaubwürdige Inszenierung. Besonders das absolut gestörte Verhältnis zwischen Sklavenbesitzer und Sklaven wird sehr gut herausgearbeitet. Beispielhaft hierfür die undankbare und unmenschliche Haltung von ihrem ehemaligen Besitzer und später Jäger Gideon Brodess (Joe Alwyn), mit dem sie gemeinsam aufwuchs. Ein Verhältnis, auf seiner Seite geprägt von einem Mix aus rivalisierenden Geschwistern, der in dieser Form wirklich perversen Bindung eines Herrchens zu seinem Lieblingshaustier und einer guten Priese Hassliebe wohl aufgrund ihres Aufgebähren.
Das Gefühl von treibender Flucht, der Angst vor Verrat und der unglaublichen Erleichterung entkommen zu sein, wird Mal für Mal überzeigend vermittelt. Einzig die Repetition wirkt nicht, wie in der Realität, zermürbend, sondern ein wenig ermüdend. So bleibt Harriet ein wichtiger und guter aber eben, anders als seine Protagonistin, kein herausragender Film und ist nur empfehlenswert für alle historisch Interessierten.
Harriet (US 2019)
Regie: Kasi Lemmons
Besetzung: Cynthia Erivo, Lesli Odom Jr., Joe Alwyn, Henry Hunter Hall, Jennifer Nettles, Vondie Curtis-Hall, Clarke Peters, Vanessa Bell Calloway, Janelle Monáe
Kinostart: 09. Juli 2020