I’m not asking for release
I’m not asking to forget, ooh
Never regret what you’ve given me
What is permanent remains
Despite the plans we make (Made)
Some will walk, some will run
But as we go, we lose everyone
Somehow, somehow
(Son Lux – Plans We Made)
Bild © Djeneba Aduayom
Nicht eins, nicht zwei, nein, drei Alben haben Son Lux für die kommenden zwölf Monate angekündigt – und veröffentlichen mit Tomorrows I nun den ersten Teil ihrer ambitionierten, zunächst digitalen Trilogie. Für den Single-gesättigten Streamingmarkt mit seiner Abhängigkeit von 30-sekündigen Aufmerksamkeitsspannen mag das eine Aussage sein. Für das seit 2015 auch zum Studio-Trio erweiterte Projekt ist es dagegen nur konsequent – machen Ryan Lott, Gitarrist Rafiq Bhatia und Drummer Ian Chang musikalisch ohnehin ihr eigenes Ding.
Auch auf Tomorrows I bleiben die drei Genrekonventionen fern – und sich selbst treu, indem sie Son Lux als Klangexperiment weiterführen. Für den knapp über eine halbe Stunde fassenden ersten Teil der Trilogie ist deshalb schon der Titel des Intros Programm: Dissolve. Lott & Co, die das Komplexe vorher zu poppigem Bombast verdichteten, widmen sich jetzt der Zerlegung ihres Materials in seine Einzelteile. Folgerichtig eröffnet Lott das Album auf Plans We Made gemeinsam mit Kadhja Bonet mit einer Klage über Unbeständigkeit, vom Scheitern und Zerbrechen, während die einst wuchtige Instrumentierung sich auf wenige Tupfer beschränken muss.
So auf ihre Essenz eingedampft, erinnern die Songs stellenweise an die Unplugged-Versionen, die Son Lux bereits für Hits wie Easy zum Besten gaben. Organische und elektronische Instrumente greifen dabei nahtlos ineinander über. Gekonnt trägt die Produktion so ihren Teil dazu bei, dem fragilen Sound einen sicheren Rahmen zu geben. Wenn das Experimentelle schon nach Dekonstruktion verlangt, betreiben Son Lux immer noch ausgesprochen hörbare Selbstzerlegung.
Und doch hat das Trio die Eingängigkeit früherer Alben mitsamt der Pop-Schale abgepellt. Lotts Falsett geleitet die HörerInnen nun durch die Versuche, die Bruchstücke wieder zusammenzusetzen. Im Angesicht des Last Light mahnt er zwischen galoppierenden Drums und flackernden Synthi-Klängen zur Selbstvergebung: „Forgive yourself / This is a fast life / This could be the last light“, beschwört eindringlich sein suchendes Leiden, während Klavierakkorde wie Fallbeile den hoppelnden Bass guillotinieren (Only) und zittert sich anschließend durch die tänzelnden Rhythmen von Honesty.
Die Tracks bieten große Wehmut in kleinen Versatzstücken, die mitunter von lockeren Jazz-Gitarren aufgemischt werden (Days Past) oder in raschelnde Björk-Ouvertüren (Into Wind) überleiten. Die virtuosen Einlagen von Bhatia und Chang sind längst Teil des charakteristischen Stilmix von Son Lux geworden: Chang, der diesen April sein Solo-Debüt veröffentlichte, trägt schließlich auch das Finale von Undertow, dessen alarmierenden Streicherarrangements sich erst im cinematischen Involution in Wohlklang auflösen. Wie in Zeitlupe taumelt der erste Part der Trilogie gen Ausgang – wohl wissend, dass es längst nicht vorbei ist.
Auch wenn Tomorrows I mit seinem verhaltenen Anlauf zur Dekonstruktion durchaus als eigenständiges Werke glänzen kann, empfiehlt es sich doch, es als Prolog für die kommenden Alben zu verstehen. Umso mehr steigt daher die Vorfreude darauf, wenn Lott, Bhatia und Chang die Bruchstücke ihres Sounds wieder zusammensetzen.
Son Lux – Tomorrows I
VÖ 14.08.2020 – City Slang (digital only)
https://www.sonluxmusic.com
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