FENNE LILY – Breach


Foto © Nicole Loucaides

my light is a light you can see all night
was I born to be living this way
your light is a light I need alright
iterate your dream for me

(Fenne Lily – Alapathy)

Das Gefühl der Abschottung von der Welt dort draußen ist für die Bristoler Songwriterin Fenne Lily zur Mitte dieses Jahres hin beileibe kein neues gewesen – ihr gesamtes zweites Album Breach, das nun bei Dead Oceans erscheint, wäre ohne einen selbstgewählten Rückzug in ihre eigenen Kammern womöglich so nicht entstanden. Der Vergleich hinkt natürlich ein wenig: nicht durch ein Virus in das eigene Zuhause gezwungen, sondern vielmehr durch eine innere Notwendigkeit und das starke Bedürfnis, herauszufinden „whether I would be a good person on my own“, dringt die versierte Songwriterin auf ihrem zweiten Werk tief in ihr Inneres hinein. Und ganz nebenbei erschafft sie dabei verträumte akustische Klangräume, deren harmonischer, weicher Nachhall über die Tiefe der Themen spielerisch hinwegtäuscht.

Die Themen hätten sich im Vergleich zu ihrer ersten LP On Hold auf ganz natürliche Weise geändert, äußert die Künstlerin schon in unserem Interview. Während diese Phase doch sehr von den Themen Liebe und Beziehungen durchdrungen war, geht Fenne Lily hier tiefer in sich selbst hinein. Existenzialistischer, philosophischer und oft auch poetischer klingt das dann in der Summe. Alapathy ist hier ein starkes Beispiel. Ein ungewöhnlicher up-beat treibt das Stück mit verzerrten Gitarren voran, was den sanften, fragilen Unterton der Sängerin jedoch nicht aus der Waage bringen lässt. Textlich geht es hier dann schließlich um die Auseinandersetzung mit einer eigenen inneren Verdunkelung. „I lose my mind under the glow of a temporary fade“ ist hier eine besonders starke Zeile, die nicht weniger verdeutlicht, als dass der Kampf gegen depressive Zustände, ohne oberflächliche medizinische Behandlung von Symptomen („allopathic remedies for now“) wahre Stärke abringt. 

Musikalisch ist sich Fenne Lily weitgehend treu geblieben. So schwingt auch Breach wie schon der Vorgänger harmonisch vor sich her, während die Texte auf der anderen Seite von harter Arbeit an sich selbst zeugen. Berlin etwa, von einer akustischen Sanftheit durchzogen, reflektiert die Natur des Alleinseins und schafft es binnen gut dreieinhalb Minuten das ganze Spektrum desolater Verirrungen bis zu dem Frieden des für-sich-Seins zu durchleuchten. Das Thema der Einsamkeit, welches tatsächlich als eines der häufigsten Motive in Breach anzutreffen ist, führt sich dann auch etwa in Solipsism weiter fort. Wie auch Alapathy musikalisch etwas rauer und rockiger, sucht hier das Ich nach Halt im Haltlosen und resümiert fast schon resigniert: „I am empty at one and twenty“. Hier erklingt das Lebensgefühl einer übersättigten und doch verängstigten Generation, der das Gefühl zu einer Realität ohne deren Repräsentation durch Social Media abhanden gekommen ist. Someone Else’s Trees, wo sich die Platte fast dem Ende zuneigt, ist eine bewegende Ballade, auf dem sie ihrem frühen Idol Joni Mitchell tatsächlich sehr nahe kommt. Ausschließlich akustisch instrumentiert, sinniert sie über einen Beinahe-Tod als sie noch ein Kind war. „And I never heard you scream before the night I couldn’t breathe / you tell me now you thought that I was gone“, singt sie hier von einem Zwiegespräch mit ihrer Mutter und spannt den Bogen zurück zu dem motivgebenden Albumtitel Breach, dessen Zweideutigkeit sich aus dem identisch klingenden Wort „breech“ ergibt. Eine „breech birth“ bezeichnet so viel wie eine „Steißgeburt“, die Fenne auch bei ihrer eigenen Geburt war. Der Weg hin zu dem „Durchbruch“, der auch in der Schreibweise des Albumtitels zum Vorschein kommt, ist schließlich dann auch die Reise, die Breach vollzieht. In all der existenziellen Tiefe, welche diese Analogie verlangt. 

So ist dann das verhaltene Laundry And Jet Lag mit seinem Fundament aus akustischer Gitarre und atmosphärischen Streichern ein würdiger Abschluss dieser Platte. Während der Hall noch nachwirkt, so sind es vor allem die tieferen textlichen Verästelungen in das eigene Ich hinein, die Fenne Lilys Zweitwerk stark und bedeutend machen und die hoffentlich noch länger nachklingen werden. Wenn sich eine Songwriterin derart daran macht, die eigenen Ängste, Zweifel und Dunkelheiten zu vermessen und zu durchdringen, umgeben von derart einbettenden Klängen, ist das nicht nur eine sehr große Leistung, sondern in den besten Momenten auch ein starker Trost für Tage, deren Licht sich nicht umgehend einen Weg in die abgedunkelten Räume unseres Lebens bricht.

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Andreas Peters

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