“They will destroy you, your reputation, your career, your family“
(Jack Solomon – Seberg)
Seberg ist inspiriert von und erzählt eine Episode aus dem Leben der amerikanischen Schauspielerin Jean Seberg (Kristen Stewart). Seberg war einer der Stars der Nouvelle Vague, eine der neuen Stilrichtung des Französischen Kinos Anfang der 1960er Jahre. Der Film setzt dabei nach ihrem großen Durchbruch Ausser Atem (FR: À bout de souffle, 1960) an, was bedeutet, dass sie zu diesem Zeitpunkt einer der weltweit gefragtesten Filmstars überhaupt war. Obwohl in Paris Ehemann und Sohn auf sie warten, lässt sie sich während der Arbeit in den USA bzw. schon auf dem Flug dahin mit dem charmanten Black Panther- Aktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) ein. Die verhängnisvolle Affäre öffnet ihr die Augen für die Unterdrückung der Afroamerikaner, worauf sie sich entgegen aller Warnung offen für diese ausspricht. Ohne ihr Wissen gerät sie dabei in das Fadenkreuz des FBI, in Form des motivierten Neulings Jack Solomon (Jack O’Connell), dem abgebrühten Profi Carl Kowalksi (Vince Vaughn) und ihrem politisch hörigen Chef Frank Ellroy (Colm Meaney). Einem FBI, dem jedes Mittel recht ist, um den Status Quo des weißen Amerikas aufrecht zu erhalten.
Wer die wahre Geschichte von Jean Seberg oder auch nur das politische Klima der USA in den 60ern kennt, der ahnt, dass es kein entspannter Filmabend wird. Umso mehr überrascht die relaxte erste Hälfte. Bis auf Seberg selbst, die ab Szene eins von Kristen Stewart >90% der Zeit stoisch und leidend dargestellt wird, scheinen alle eine richtig gute Zeit zu haben. Anthony Mackies Jamal wirkt fast wie sein Falcon aus dem MCU, Jack O’Connells FBI- Neuling Jack Solomon freut sich einfach dabei zu sein und Vince Vaughn spielt seinen abgehärteten Partner, fast wie in einer Buddy- Cop- Komödie. Umso härter treffen einen dann die Schläge in die Magengegend, wenn das FBI anfängt das Leben der beiden Protagonisten zu sabotieren. Filmisch wird der Zuschauer so in den gleichen Gemütszustand wie Seberg versetzt. Die ebenfalls alle Warnungen ignoriert. Wobei Regisseur Benedict Andrews zumindest den Großteil der Laufzeit offen lässt, ob Seberg einfach nur naiv, selbstzerstörerisch oder tatsächlich politisch so motiviert ist, dass sie die möglichen Konsequenzen willentlich in Kauf nimmt. Unterstützt wird dies dabei, ob absichtlich oder nicht, von Kristen Stewarts bereits erwähnter einseitiger Performance. So wird sie die perfekte Projektionsfläche der Gefühle des Zuschauers.
Wie so oft bei Filmen mit realem Hintergrund ist auch Seberg leider nur für die uneingeschränkt zu empfehlen, die an der Thematik interessiert sind. Für alle anderen hat die erste Hälfte zu wenig Witz, während die Zweite den Zuschauer nicht richtig mitnimmt, wenn man nicht schon ein wenig in die realen Hintergründe investiert ist. Dafür wirkt Mackie zu unantastbar, Stewart zu unnahbar und O’Connell zu blass. Was geboten wird, ist eine realistische Darstellung eines sehr tragischen Schicksals. Seberg wird dabei keineswegs als frei von Fehlern oder als erstrebenswertes Vorbild dargestellt. Vielmehr als jemand, der bei Unrecht nicht wegsehen kann und will, aber letzten Endes an der Ohnmacht gegenüber dem System und der Rücksichtslosigkeit gegenüber sich selbst zerbricht. Allein damit diese Ungerechtigkeit noch einmal in das kollektive Gedächtnis gerufen wird, auf jeden Fall ein Film, der es wert war gedreht und von allen Interessierten auch gesehen zu werden.
Seberg (US 2019)
Regie: Benedict Andrews
Cast: Kristen Stewart, Yvan Attal, Gabriel Sky, Jack O’Connell, Margaret Qualley, Colm Meaney, Vince Vaughn, Anthony Mackie
Kinostart: 17.September, PROKINO