“White people, we’re the worst.”
(Pop – The Hunt)
12 Fremde erwachen auf einer Waldlichtung ohne Erinnerungen wie oder warum sie hierher gekommen sind. Alles was sie wissen, ist, dass sie geknebelt sind und kurz nach ihrem Erwachen das Feuer und somit die Jagd auf sie eröffnet wird…
Über The Hunt ist im Vorfeld, besonders in den USA, aufgrund der offensiv ausgespielten politischen Ausrichtung der Jäger (Demokraten) und Gejagten (Republikaner) viel diskutiert worden. Trump griff den Film indirekt auf Twitter an und der ursprüngliche Kinostart wurde aus Respekt vor mehreren in dem Zeitfenster verübten Amokläufen verschoben. Die daraus entstandene Aura eines Skandalfilms wurde vom Marketing geschickt aufgegriffen und angeheizt; perfekt auf den Punkt gebracht in der Tagline: „The most talked about movie of the year is one that no one’s actually seen.“ Was auch eine Anspielung darauf sein könnte, dass Trump den Film selber noch gar nicht gesehen haben konnte, wurde ironischerweise Realität, als der Film Monate später seinen Start genau in der Hochzeit der COVID-19 Pandemie in den USA hatte. So viel zum Vorspiel.
Ist The Hunt nun ein gefährlicher Skandalfilm oder eine tiefgehende politische Satire? Weder noch. Kokettiert er recht gekonnt mit Stereotypen, regt ein wenig zum Nachdenken an und macht schlichtweg Spaß, absolut! Dass es auch brutale Mörder gibt, die Wert auf vegane Ernährung, politisch korrekte Ausdrucksweise und den Kampf gegen den Klimawandel legen, kann man ruhig auch mal bringen. Vor allem, wenn es im Rahmen eines völlig überdrehten Splatterfilms ist. Dennoch ist es zumindest im ersten Drittel, auch für Splatterfans, teilweise unangenehm den Film zu schauen. Nicht wegen den Gewaltszenen, die sind zwar hart, aber fast comichaft übertrieben und kurz genug, dass man schnell drüber wegkommt. Was das anschauen zunächst erschwert ist, dass dem Film über lange Strecken bewusst eine klare Identifikationsfigur fehlt. Die Leute, die angeblich die Welt verbessern wollen und auf „political correctness“ achten, sind sadistische Mörder und die irgendwie charismatisch charmanten Rednecks verlieren eben diesen Charme, wenn sie anfangen ihre politischen Sichtweisen zum Besten geben. Außerdem sterben sie schlicht so schnell, dass man keine Beziehung zu ihnen aufbauen kann. Im Laufe des Films wird der Fokus dann recht organisch auf die mürrisch stumme Crystal (Betty Gilpin), auf der Seite der Gejagten und Athena (Hilary Swank) auf Seiten der Jäger gerichtet. Auch wenn der Versuch den Konflikt zwischen den beiden auf eine persönliche Ebene zu heben nicht ganz überzeugt, hilft die gewonnene Struktur dem Film nicht komplett im Chaos unterzugehen und ein doch irgendwie befriedigendes Ende zu finden.
Wie die vielen halbautomatischen Waffen in The Hunt könnte der Film in den falschen Händen gefährlich sein. Niemand sollte hier die Message mitnehmen, dass alle Wohlhabenden oder schlimmer alle politisch Aktiven, Teil einer übergreifenden Verschwörung gegen das Volk sind. Da beide Seiten völlig überzeichnet sind und der Film sich klar nicht ernst nimmt, muss man diese Botschaft aber auch wirklich sehen wollen um sie zu finden. Mitnehmen kann und sollte man jedoch, dass das äußere Erscheinungsbild oft trügt und dass der Zweck eben nicht die Mittel heiligt. Vor allem aber, dass man auch sich selbst und seine Agenda hin und wieder hinterfragen und vielleicht weder sich noch diesen Film ganz ernst nehmen sollte. Wer Splatter mag, politisch interessiert, gefestigt ist und ein Herz für den Predator und Animal Farm, was ständig referenziert wird, hat, der sollte The Hunt unbedingt schauen.
The Hunt (US 2020)
Regie: Craig Zobel
Darsteller: Betty Gilpin, Hilary Swank, Ike Barinholtz, Wayne Duvall, Ethan Suplee, Emma Roberts, Christopher Berry
Heimkino-Start: 3. September 2020