Foto-© Will Butler
Come on, surrender to something
The world’s bigger than we are
The world’s bigger than we are
We gotta break through the circle
We gotta see how we’re broken
(Will Butler – Surrender)
Groß angelegt ist nicht nur der Titel der neuen, zweiten Platte von Will Butler, gewichtig mutet auch der Rahmen des Albums an, das nun bei Merge Records erscheint. Generations heißt das neue Werk des rastlosen Multi-Instrumentalisten, Produzenten, Solo-Künstlers und nicht zuletzt Band-Mitglied der Indie-Rock-Formation Arcade Fire – und glaubt man dem Künstler selbst, haben seine Songs in den vergangenen Jahren mehr Tiefe, Reife und Weite gewonnen: “My first record, Policy, was a book of short stories, Generations is more of a novel – despairing, funny, a little bit epic“, lässt Butler verlauten. Es sind dann auch engagierte Fragen nach dem Platz in der Geschichte Amerikas und der sehr persönlichen Verortung in der gegenwärtigen Gesellschaft, die der Musiker kühn in den Strom fiebriger Rhythmen und glühender Melodien wirft. Wie so oft, ist das mit den Antworten in der Musik so eine Sache für sich – die zehn Songs aber zeugen von elektrisierender Kraft und sprechen eine Sprache für sich allein.
Wilde Synths-Arrangements mischen sich gleich auf dem eröffnenden Outta Here mit treibenden Bässen, während Butlers Stimme durch das Klangdickicht mäandert: „I’m getting outta here … Gonna walk right through that door“. Was die emotionale Geladenheit angeht, hier getragen von fiebrigen Gitarrenriffs, lässt auch das folgende Bethlehem kaum etwas zu wünschen übrig. Mit Verve und satter melodischer Kraft geht Butler hier in die Vollen und auch lyrisch wird eifrig angefacht: „the only word is fire, and the only song is the singing of the flame“. Das sitzt. Keine Frage, den besonderen Appeal entwickelt Generations durch den affektiven Power-Pop, der vor allem auf Stücken wie der Opener Outta Here, Hide It Away oder und vor allem Surrender zelebriert wird. Letzteres ist ein absolutes Highlight dieser Songs und entfaltet durch seine Eingängigkeit und die „call-and-response“-Gesangspassagen (Remember—you told me—that you wanted—to surrender?) einen Drive, den man beinah mit klassischen Arcade Fire-Songs wie Rebellion (Lies) in eine Reihe stellen will. Eine ähnliche Sprache spricht auch das vorletzte Not Gonna Die. Überhaupt – und das ist eine angenehme Tendenz im gegenwärtigen Pop – ist Generations darin stark, Melodien in den Vordergrund zu rücken, bei denen man oft einfach auch mitsingen möchte. Hier und da versinkt diese Qualität in dem ab und an erdrückenden Rausch von Synths, Bass und Beat, aber auf Stücken wie auf Close My Eyes blitzt der pure melodische Reiz ungehindert durch. Eines der vergleichsweise ruhigeren Stücke besticht der Song durch tragende Synths-Klänge und der starke, fast schon narrativ vorgetragene Gesang Butlers, bevor sich der hell-melodische Klang des Refrains eröffnet. Das a-capella-Ende des Stücks ist einer der Höhepunkte des Albums, weil hier ganz abseits von der musikalischen Finesse von Will Butler Atmosphäre erzeugt wird, die verbindet was zusammengehört.
Auf Generations gelingt es dem Künstler, dringliche Fragen nach persönlicher Verantwortung in einer Welt die den großen Zusammenhalt zu verlieren droht, mit fiebrigen und oft mitreißenden Klangmustern zu verknüpfen. Die Songs werden immer wieder durchbrochen von der reichhaltigen poetischen Qualität der Songtexte, die an Stellen allein für sich gelesen funktionieren. Und wie oft findet man das schon noch so vor? Stilistisch-musikalisch bewegt Will Butler sich immer auch auf sicherem Terrain, teils wirken die Arrangements etwas überladen, vor allem in Anbetracht dessen, wie effektiv es ihm dann immer wieder gelingt, mit wenig Mitteln und nur der Kraft der Melodie Atmosphäre zu erzeugen. Surrender und Close My Eyes sind hier die Prädikate, die bleiben und hoffentlich auch nachhaltig in den Bann zu ziehen vermögen. Das letzte Statement dieses Künstlers werden sie jedenfalls nicht gewesen sein.
Will Butler – Generations
VÖ: 25. September 2020, Merge Records
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