„Warum hassen die Menschen Baba?“ –
(Ella – Du hättest gehen sollen)
Schuldgefühle sind etwas Grausames. Die größte Folter liegt aber in der Schuld, die nicht mehr beglichen werden kann – mit der ein Leben lang gelebt werden muss. Regisseur David Koepp konzentriert sich mit seinem Film You should have left auf eben diese Art der Schuld und einen sehr katholischen Sündenbegriff – ein beklemmendes, teils langatmiges Projekt.
Schon von Beginn an wissen wir als Publikum, dass Hauptfigur Theo (Kevin Bacon) keine reine Weste haben kann. Wer von einer bedrohlichen, das eigene Kind angreifenden Gestalt träumt, die etwas über die Sünden des Familienvaters brüllt, ist das Setting klar. Und so beginnen 93 Minuten Flucht vor der Wahrheit – 93 für das Publikum sehr ambivalente Minuten. Nachdem der Film in Horror-Genre-Manie das Böse in der ersten Sequenz vorstellt, wird über die nächsten 40 Minuten schnell vergessen, dass es ein Horrorfilm sein soll. Viel mehr steht das Familiendrama um Theo, seine Tochter Ella (Avery Tiiu Essex) und seine Frau Susanna (Amanda Seyfried) im Fokus – zentral geht es dabei um Theos Vergangenheit und seine Eifersucht.
Erst als die drei ein Ferienhaus in Wales beziehen, um dem Alltag zu entfliehen, besinnt sich Regisseur Koepp wieder auf das Grusel-Genre. Bis hierhin stand die Frage im Raum, ob es eine wirkliche Bedrohung gibt oder ob alles in der Psyche des Hauptcharakters stattfindet. Schnell ist diese Frage jedoch vergessen, sobald sich das Ferienhaus als Irrgarten gleiche Hölle entpuppt, aus der es kein Entkommen zu geben scheint. Und genau hier entfaltet You should have left sein volles Potenzial. Die Angst und die Schuldgefühle, die sich zuvor nur in Theos Kopf befunden haben, werden nun durch das düstere Haus mit seinen scheinbar unendlichen Türen nach außen gekehrt und für das Publikum sichtbar. Das bedrückende Gefühl, nicht entkommen zu können, egal wie sehr sich angestrengt wird, ergreift das Publikum und der stetig wachsende Wahnsinn des Protagonisten wird immer greifbarer.
You should have left sollte nicht als Horrorfilm oder Thriller begriffen werden, sondern viel mehr als Psycho-Drama mit einem gewissen Grusel-Potenzial. Durch Setting, Perspektive und Handlung schafft es Koepp, Wahnsinn und Schuldgefühle empathisch zu inszenieren. Leider wurde die Vorgeschichte bis zu diesem Punkt so lang hingezogen, dass ein gewisser Frust unvermeidbar ist. Ein kleines Manko für einen sonst faszinierenden Film.
Regie: David Koepp
Darsteller: Kevin Bacon, Amanda Seyfried, Joshua Jackson
Heimkino-Start: 29. Oktober 2020, Universal Pictures Germany GmbH