Foto-Credit © Gus Black
„Years falling by like the leaves
Dead in the cold
I’ve got a desk full of unsent letters
That I should’ve sent long ago
Dear long lost love
It is me
The one who gave up
And I couldn’t blame you for cursing my name
And damning the thought of my love“
(Eels – Of Unsent Letters)
Auch wenn wohl einige Things The Grandchildren Should Know (so der Titel von Mark Oliver Everetts bereits 2008 erschienener Autobiographie) hinzugekommen sind: Eels klingen immer noch wie Eels. Nach ein paar Takten des Openers Anything For Boo muss man einsehen, dass Glockenspiel und Mellotron-Streicher wohl einzig und allein dafür erfunden wurden, die wunde Stimme ihres Bandleaders zu kurieren. Sie reibt sich an den gezupften E-Gitarren, sie gibt den gefühlt seit Novocaine For The Soul stoisch dahinmarschierenden Drums ein paar schwungvolle „Do’s“ und „Boo’s“ mit – und sie auf dem vergleichsweise ruppigen Vorgänger The Deconstruction (2018) abriss, baut sie nun mit Earth To Dora wieder auf.
Gutgelaunt knarzt sich Everett mit „Walkin’ down the street / Or walkin’ on the moon / What’s it matter / Outta my cocoon“ durch Are We Alright Again. Im Frühjahr als „Quarantine Daydream“ komponiert, markiert der Song den einzigen Berührungspunkt mit der Pandemie, die auch die Musikwelt in ein Vorher und Nachher aufteilt. Vor all den zwitschernden Vögeln, Marching Bands und frohen Botschaften kommt er dabei ganz ohne konkrete Verweise auf seine Entstehungssituation aus. Ohnehin zeigt sich Everett in den Songs weniger daran interessiert, das Tagesgeschehen zu kommentieren, als daran, es wieder und wieder zu überstehen. Schmerzhaften Enttäuschungen (Are You Fucking Your Ex) begegnet er erst mit lakonischen Verweisen wie „I got hurt / Oh yeah / And it didn’t feel good“ (I Got Hurt), dann mit Bitterkeit (OK) und schließlich mit hoffnungsvoller Akzeptanz: „Anything can happen now / Nothing’s ever safe / So why don’t you just take my hand / And take a chance on love“ (Waking Up). Damit sind die Grundthemen des Albums ähnlich zeitlos wie Eels‘ Sound: sich aufrappeln und anderen dabei helfen, es zu tun. Oder: zu lernen, wenn es nicht passt (Dark And Dramatic) und dann doch wieder so gnadenlos optimistische Liebeslieder singen (Baby Let’s Make This Real), dass es ansteckend wirkt.
Ist das nicht ein bisschen kitschig? Und all der musikalische Zucker, mit dem Eels dabei ihre Songs bestäuben – warum funktioniert das nur so gut? Es braucht nicht unbedingt das Wissen um die Tragik in Everetts Leben (von der er in besagter Autobiographie übrigens gekonnt erzählt), um ihm Glauben zu schenken. Vielmehr lässt sich am Titelsong Earth To Dora gut hören, woher seine Fähigkeit rührt, SkeptikerInnen weichzukochen: die Bassmelodie, die warmen Streicher, das unaufgeregte Schlagzeug und mittendrin Everett, der unverdrossen Trost spendet („See that sun smiling down on you / Give him a hug / He’s been smiling since your birth“) – es sind seine Vorbilder von den Beatles, die Everett verinnerlicht hat. Wie eine Mischung aus Martha My Dear und Dear Prudence, einem liebevoll-blödelnden McCartney und einem Raue-Schale-Weicher-Kern-Lennon, nimmt das Lied seine HörerInnen an die Hand und führt sie sanft zu den Anfängen ihrer Pop-Sozialisation zurück.
Die bandgewordene Bittersweet Symphony ist schon lange eine Institution: Earth To Dora ist nicht weniger als das dreizehnte Album, das Everett seit 1996 mit Eels aufgenommen hat. Man könnte ihm diese Kontinuität, zu der sein zeitloser, aber eben oft nur vorsichtig variierter Sound einiges beiträgt, auch als Schwäche auslegen. Wo andere sich ständig neu erfinden, belässt er es bei einer Rolle. Doch wo andere sich längst erschöpft haben, macht er auch einfach weiter – und das, Earth To Dora beweist es einmal mehr – klappt erstaunlich gut.
Eels – Earth To Dora
VÖ: 30. Oktober 2020; Pias/E-Works (Rough Trade)
www.eelstheband.com
www.facebook.com/THEEELS