Foto-Credits © Michelle Jekel
KLAN – Das ist das Leipziger Pop-Duo, bestehend aus Michael und Stefan, welches seit 2016 zusammen Musik macht und inzwischen in Berlin lebt. Passend zu den letzten warmen Temperaturen haben die Brüder nun das zweite Halbum (so nennen sie es selber) veröffentlicht.
Die Sommerseite ähnelt der Winterseite stilistisch und bedient sich einem ähnlichen Klang. Wonach es klingt? Nach leicht zugänglichem Pop und einer Prise Indie. Dabei stets melodisch und ohne starke Brüche – die Tracks fließen ganz natürlich ineinander und schaffen eindringliche Ohrwürmer. Textlich bewegt sich das Halbum irgendwo zwischen Sehnsucht, Gesellschaftskritik und zwischenmenschlichen Beziehungen. Während diese Themen in der Winterseite noch häufiger begleitet waren von sanfter Melancholie, klingt die Sommerseite hoffnungsvoller, leichter und wen überrascht es – sommerlicher.
Wir trafen KLAN zum Interview in Hamburg. Bei einem Spaziergang an der Alster konnte ich mit den beiden über stressige Phasen, Konzertkultur während Corona und vor allem das neue Album sprechen. Und ich habe erfahren, warum Socken das beste Geschenk sind.
Hallo Ihr Lieben, danke dass ihr euch die Zeit genommen habt! Wir haben uns ja vor nicht so langer Zeit zuletzt gesehen. An eurem Releasetag. Konntet ihr euch ein wenig erholen seitdem?
Stefan: Leider noch nicht so richtig. Im Moment haben wir einfach ein recht hohes Pensum und viel zu tun. Ich glaube Michael hatte da minimal mehr Erholung als ich.
Michael: Ja, ich habe die letzten zwei Tage tatsächlich einfach mal zwischendurch ein bisschen was anderes gemacht. Und falls das zählt; ich habe auf der Zugfahrt hierher geschlafen – das war sehr sehr angenehm. Und ich überlege nochmal ein Semester Medizin zu studieren, da wir die Tour ja ein zweites Mal verschoben haben. Das Medizinstudium ist für viele nicht das erholsamste, aber wahrscheinlich ist es besser als die ganze Zeit rumzusitzen und sich selbst Stress zu machen. Keine Zeit für ein schlechtes Gewissen zu haben klingt für mich erholsam – das ist nämlich das, was wahrscheinlich die meisten Künstler*innen so fertig macht.
Das kenne ich von mir selber auch ganz gut. Dass ich abends ganz oft denke „Ach, Mist, da hätte ich heute noch mehr machen können, ich hätte produktiver sein sollen“. Michael, du kommst jetzt mit der Medizin natürlich auch aus ner ganz anderen Richtung. Wie ist das bei dir, Stefan, ist da bei dir ein Stück weit mehr Gewohnheit dabei?
Stefan: Ja, wir teilen das natürlich ganz fair. Michael macht Urlaub und ich mache die Arbeit. Nein, Quatsch. Ich habe da schon auch meine Erholungsinseln. Das sind in diesem Jahr vielleicht nicht so viele, aber ich habe 5 oder 5 Wochenendurlaube gemacht dieses Jahr, wenn Konzerte weggefallen sind. Da war kein großer Urlaub dabei, aber ich versuche das auch weiterhin so zu halten. Langsam bin ich ja auch in meinem Lebensabend, oder Lebensnachmittag, – lacht – angekommen und es tut mir ganz gut an den Wochenenden mal raus aus dem lauten Berlin zu kommen. Feiern kann man ja aktuell sowieso nicht.
Ihr durftet ja glücklicherweise doch noch einige Open Airs spielen. Wie ist das Gefühl auf der Bühne zu stehen und es tanzt niemand? Könnt ihr dem für euch gerade auch etwas positives abgewinnen?
Michael: In Hamburg, wo wir uns ja auch gesehen haben, war das so speziell, weil es hier das strenge Tanzverbot gab. In Leipzig und Berlin durften die Leute sogar aufstehen, insofern jede*r auf seinem*ihrem Platz bleibt. Die Regeln sind gut und sinnvoll und man sollte sich auf jeden Fall daran halten. Und natürlich war das komisch vor den weißen Klappstühlen zu stehen. Das hat sich etwas angefühlt wie ein Auftritt beim ZDF Fernsehgarten. Mir ist aber auch etwas Positives aufgefallen: Die Leute sind viel präsenter und hören aktiver zu. Besonders bei den ruhigen Liedern ist das eine gute Chance um einen tieferen Zugang zum Text zu finden.
Na klar, gerade wenn man das neue Album released und die Songs das erste Mal live spielt ist das eine komische Erfahrung. Habt ihr persönlich Lieblingssongs auf der neuen Platte – und wenn ja, warum?
Michael: Gewinner, weil mir der Text wahnsinnig wichtig ist, der Song so politisch ist, die Produktion so speziell war und es einfach Spaß macht den Song zu hören und er live Spaß macht. Irgendwie ist einfach alles gut an dem Song.
Stefan: Ja, ich mag gerade einen anderen noch ein ganz bisschen mehr – nämlich Okay. Es ist der letzte Song auf der Platte und damit erfahrungsgemäß auch der, der in Zeiten von Spotify etwas vernachlässigt wird, weil die Leute das Album nicht so weit hören. Aber den hab ich am liebsten, weil der einfach am schönsten produziert. Ansonsten mag ich Gewinner aber auch sehr gerne, obwohl ich länger gebraucht habe um mit diesem Song warm zu werden.
Michael: Witzigerweise sind das beides Songs, die wir zuerst garnicht auf der Platte hatten und die erst später dazugekommen sind. Wir haben erst einige Wochen vor Release entschieden, dass die doch mit drauf müssen, weil wir sie zunächst total unterschätzt haben und deren Wert nicht so erkannt haben.
Stefan: Aber vielleicht ist das auch normal. Als Künstler*in findet man oft die Sachen besser die man zuletzt gemacht hat, die einem selbst noch am frischsten erscheinen. Andere Songs, die wir auch total schätzen, wie zum Beispiel Lichtgeschwindigkeit hatten vorher schon als Single release. Man neigt vermutlich dazu sich an diese Songs mehr zu gewöhnen. Aber im Grunde lieben wir all unsere Kinder gleich, ich könnte das nie so genau beantworten, es sind immer nur Momentaufnahmen.
Michael: – lacht – Also ich nicht, ich hab schon Lieblingskinder.
Ich denke es ist gewissermaßen normal dass man als Künstler*in Dinge die man schon sehr oft gesehen hat, mit der man sich viel beschäftigt hat irgendwann vielleicht auch anfängt weniger wert zu schätzen. Das ist wohl der Lauf von Gewohnheit.
Michael: Eigentlich ne ziemlich traurige Vorstellung, wenn man so drüber nachdenkt.
Nochmal zum Song Gewinner – ein Lied, welches sich dem Kapitalismus, dem Konsumismus und der schönen Scheinwelt widmet. Eine Welt, von der ihr euch abgrenzen wollt. Wie wichtig ist es euch in euer Musik politisch zu werden?
Michael: Ich glaube auf unserer ersten Platte waren wir schon an mehreren Stellen politisch. Die Songs zeigen einfach, womit wir als Personen uns beschäftigen und was – insbesondere mir – gerade wichtig ist. Es ist nicht so, dass ich Songs schreibe um einen politischen Song zu schreiben. Ich bin aber einfach ein nachdenklicher Mensch und irgendwann müssen diese Gedanken raus. Häufiger ist es tatsächlich so, dass politische Songs wieder in der Versenkung verschwinden oder nie das Tageslicht erblicken. Ich glaube wir wären noch politischer in unseren Texten, wenn es eine einfache Formel dafür gäbe. Dass unsere Musik politisch ist passiert von selbst, einfach, weil wir politische Menschen sind.
Und was zeichnet für euch einen Gewinner aus?
Michael: In diesem Song gibt es ja eine bestimmte Definition von Gewinner, von der wir uns distanzieren möchten. Die Gewinner im Sinne der Gesellschaft sind meist Menschen die viel Wert auf Konsum legen, die viel reisen, viel viel Co2 ausstoßen, denen materieller Zugewinn und Prestige das Wichtigste sind.
Stefan: Zumindest sind das die die sich vielleicht selbst so nennen würden. Man sollte differenzieren zwischen den Gewinnern im kapitalistischen Sinne und dem was für uns persönlich Gewinner ausmacht. Da muss sich schon auch selbst bewusst sein, dass wir auch Gewinner im Sinne dieser Gesellschaft sind, weil wir zum Beispiel white privilege genießen und eine gute Bildung erfahren haben. Wir können uns also nicht ganz davon freisprechen auch gewisse Vorteile zu haben.
Was wir tun können um uns von dieser Scheinwelt abzugrenzen ist den Fokus anders zu legen und idealistische Werte zu vertreten. Sich einfach mal mit weniger zufrieden geben, dankbar zu sein und versuchen möglichst nachhaltig zu leben. Man sollte sich grundsätzlich häufiger fragen „Wie viel brauche ich denn eigentlich wirklich?“. Das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen ist wichtig. Auch wenn uns natürlich bewusst ist, dass es oft leichter klingt als es umzusetzen ist, viele Mechanismen bekommt man ja garnicht bewusst mit, sie laufen unterbewusst schon seit der Kindheit mit.
Ihr selbst schreibt „edgy Indieboys die Popmusik machen“ – man findet aber auch sonst zahlreiche Versuche eure Musik in ein Genre zu kategorisieren. Hierbei habe ich von urbane Sounds mit einer Prise Soul und TripHop bis elektronische Einflüsse alles gelesen. Wie viel Indie und wie viel Pop steckt denn nun in eurer Musik und ist euch das Genre wichtig?
Stefan: Ne, garnicht. Ich finde das ist eh etwas obsolet in unserer maximal individualistischen Gesellschaft noch von Genres zu sprechen. Jede*r Künstler*in gibt sich ja irgendwie ihr*sein eigenes Genre. Ich würde bei uns vielleicht am ehesten sowas wie alternative Pop sagen, weil wir zwar Popmusik machen auf der einen Seite, aber den Mainstreamgedanken den Pop immer hat nicht total bedienen auf der anderen Seite. Uns ist das vermutlich auch etwas egaler als anderen Künstler*innen, ob wir jetzt den einen großen Hit haben. Wir möchten einfach gute Musik machen, von daher darf man das auch gerne als Popmusik bezeichnen.
Wenn man Popmusik hört denkt man natürlich an klassische deutsche Popmusik. Mir fallen spontan eher Clueso oder Max Herre ein.
Stefan: Ja, verständlich. Aber gerade auch Clueso mag ich wiederum sehr gerne – der ist immer noch ein sehr freier Künstler. Unser Ansatz war von Beginn, dass wir keine Angst haben vor Pop, wenn Pop eben genau sowas bedeutet wie Clueso oder Herbert Grönemeyer. Leute, die eigenständige Künstler sind und eine eigenständige Sprache haben.
Also könntet ihr damit leben, wenn man sagt ihr macht Popmusik aber als Personen weiterhin edgy Indieboys seid.
Stefan: – lacht – Auf jeden Fall.
Heute ist ja auch noch das Video zu Mauern | Laken online gegangen – ein Liveauftritt. Sonst sind eure Videos zumeist ja aufwendig filmisch inszeniert. Für viele Künstler*innen sind Musikvideos ja eher ein Übel. Was bedeuten Musikvideos euch?
Michael: Es gibt natürlich viele Künstler*innen für die das nicht so leicht ist. Wir haben für uns aber festgestellt, dass diese Arbeit mit Filmszenen einfach etwas ist, was uns wahnsinnig Spaß macht. Die Konzeption, aber auch die Recherche und die Kuration – einfach zu schauen wie man Musik und Bild miteinander in Beziehung setzen kann. Es ist immer wieder spannend wenn da ein neues Gesamtwerk bei entsteht.
Last but not least: 2020 war für alle etwas chaotisch. Aber was sind eure Wünsche für 2021, außer hoffentlich im Mai und September dann die Tour zu spielen?
Michael: Ich gehe jetzt am Freitag mit Abstand zu Fridays For Future. Ich wünsch mir für 2021 und auch für die kommenden Jahre, dass die Wirtschaft wieder angekurbelt wird, aber sich vieles verändert. Dass es mehr Initiativen für alternative Wege gibt. Jetzt ist gerade die Möglichkeit da, weil der erste Grundstein für Veränderung durch die Pandemie gelegt wurde. Manche Dinge – wie zum Beispiel Fluggesellschaften – sind sowieso aktuell in einer Umstrukturierung. Warum dann nicht direkt etwas grüner werden und das Produkt weg von Billigairlines in einer nachhaltigere Richtung bringen.
Stefan: Mehr Zoomkonferenzen abhalten, weniger fliegen, vielleicht öfter mal Zug fahren.
Und was wünscht ihr euch persönlich für 2021?
Stefan: Völlig tiefenentspannte, glückliche Gewinner sein. Nein, bei mir sind keine Wünsche offen.
Michael: Ich habe schon Urlaub gebucht mit Freunden im September 2021. Bei mir kann also nichts mehr schief gehen. Ich hoffe eigentlich nur, dass das alles klappt.
Stefan: Ich bin mittlerweile auf dem Stand, dass ich mich freue, wenn ich Socken geschenkt bekomme. Ich mag einfach inzwischen die Basics, ich kann das immer mehr wert schätzen. Wenn meine Mama das liest, dann soll sie mir gerne Socken schenken, ich würde mich wirklich darüber freuen.
In diesem Sinne: Liebe Mama KLAN, Stefan hätte gerne schwarze Socken. Und ich bedanke mich herzlich für eure Zeit. Danke ihr Lieben.