Nobody gonna pick me up
I’m falling down
And I’m 5th Street Bound
Now nobody wanna fill me up
I’ve fallen down
None of my friends around
Seen it on the news
Looked like me and you
Did they hear me calling?
Blue water
Black rider
Keep on rolling
Keep on riding
(Matt Berninger – Serpentine Prison)
Foto © Jeff Salem
Das erste Soloalbum von The Nationals Matt Berninger ist ein Gruß aus einer Welt vor der Pandemie. Es handelt sich also um keine Platte, die ein gelangweilter Frontmann während des Lockdowns geschrieben hat, sondern um eine über Jahre gewachsene Sammlung an „orphan songs“, die jetzt ein Zuhause gefunden hat. Produziert vom legendären Booker T. Jones, erscheint Serpentine Prison am 16. Oktober via Book‘s Records, einem Label-Imprint, das Berninger und Jones in Verbindung mit Concord Records gegründet haben. Die Liste der Gäste auf dem Album ist lang, darunter befinden sich Matt Barrick und Walter Martin (The Walkmen, Jonathan Fire*Eater), The-National-Schlagzeuger Scott Devendorf, Bassistin und Vokalistin Gail Ann Dorsey (David Bowie, Lenny Kravitz) und Harrison Whitford (Phoebe Bridgers). Berninger hat Booker einige Demos von Aufnahmen mit FreundInnen geschickt, der ermutigte ihn, daran weiterzuarbeiten. Am Ende reisten alle nach Los Angeles und nahmen die Platte in 14 Tagen auf. Der Sound erinnert Fans von The National wahrscheinlich an die früheren raueren Tage und die weniger experimentellen Stücke. Jones verlieh den dunklen Gedankenspielen Berningers eine warme Klangkulisse, die vor allem von seinem charakteristischen Bariton, Akustikgitarre und Klavier lebt.
Worum geht es also? Der Opener My Eyes are T-Shirts ist nicht nur einer der schönsten Songs der Platte, sondern beschwört sofort die Stärke des Albums: Berningers fast schon beiläufig gemurmelte Reflexionen über das Leben haben etwas von Alltagspoesie. Vor dem Hintergrund der leichten Perkussion sowie trockenen Gitarren und einem gedämpften Klavier fördern sie eine strenge Zerbrechlichkeit zutage, die an Nick Cave erinnert. Dieser Vergleich drängt sich auch beim Americana-Stück Loved So Little auf, hier vor allem durch die dunkle Rhythmussektion und den fast spöttischen Gesang über existentielle Fragen: „It’s only god or devil where you’re running / And I’m always getting caught in the middle / It’s so hard to be loved so little“. Besonders schön ist hier das lange Outro, in dem die hochkarätige Band eine wunderbar düstere Atmosphäre schafft, die fast wie ein Soundtrack wirkt. Das leichtere Silver Springs erinnert anfangs an Portisheads träumerische Qualitäten, wird dann aber handfester und besticht auch im Mittelteil als eines der interessantesten Stücke der Platte durch seinen rhythmischen und intensiv narrativen Gesang von Berninger und Gail Ann Dorsey. Diese vergleichbare Leichtigkeit besitzt auch One More Second mit seinen schlurfenden Beats, bleibt aber sonst nicht weiter im Gedächtnis. Oh Dearie kommt rustikaler daher und unterstreicht durch eine gezupfte Gitarre die nüchternen und oft distanziert und gleichzeitig todernst wirkenden Geständnisse, die sich durch das Album ziehen. Berningers gedämpften Zeilen am Ende des Songs („I don’t see no brightness, kind kind kind kind to start to like this“) stehen im Kontrast zu der akustischen Leichtigkeit, was eine interessante Note in dem sonst eher abwechslungsarmen Album darstellt. Die Platte endet mit dem namengebenden Stück Serpentine Prison, das von Nüchternheit, Entzug und dem Wahnsinn des täglichen Geschehens handelt. Bis auf Berningers schöne Textzeilen bleibt hier wenig im Ohr: „Total frustration, deterioration, nationalism, another moon mission, total submission, I’ve seen a vision, call an electrician“.
Der Sound von Serpentine Prison ist keine Überraschung und (leider) kein experimenteller Alleingang eines Künstlers, der sich außerhalb der erfolgreichen Band austoben möchte. Fans werden sich hier zu Hause fühlen. Die Songs sind bewegend und extrem geschmackvoll – eine sichere Sache – und können dadurch leicht in den Hintergrund geraten. Es fehlt an einigen Stellen an Intensität. Trotzdem nimmt Serpentine Prison den Hörer mit auf eine emotionale Reise, die es sich lohnt, anzutreten.
Matt Berninger – Serpentine Prison
VÖ: 16. Oktober 2020, Concord Records
https://www.facebook.com/mattberninger/
http://mattberningerswebsite.com/