THE GREEN CHILD – Shimmering Bassett

Quick trip to the station
stay a while or carry on
Sweaty hands on the window
feeling the pressure drop

Bought a time card to call it up
Ready to go with a sometimes
sentimental moon

(The Green Child – Double Line)

16 Stunden Flugzeit liegen zwischen Kalifornien und dem australischen Melbourne. Eine ordentliche Distanz für musikalische Zusammenarbeit, die Raven Mahon, ehemals Grass Widow, und Mikey Young, Gitarrist der australischen Post-Punk-Kombo Total Control, jedoch nicht daran hinderte, 2014 ihr Projekt The Green Child ins Leben zu rufen. Der Name, inspiriert von einem gleichnamigen Roman des anarchistischen Dichters Herbert Read, stand auch für ihr 2018 erschienenes Debüt Pate, ein Album zwischen Elektropop und Psychedelia.

Für den nun erscheinenden Nachfolger beließ es das Duo nicht mehr dabei, sich die Demo-Tracks quer über den Pazifik zu schicken. Mahon siedelte von San Francisco in Youngs Heimat Rye, einer Küstenstadt nahe Melbourne, über. Für Shimmering Bassett schienen sich die beiden aber besonders zu interessieren, was unter der idyllischen Oberfläche lauert. Das Album könnte geradeswegs einer Bühne aus den surrealen Kleinstadtwelten David Lynchs entsprungen sein: wabernde Synthesizer und stoisch dahinzuckelnde Drum-Machines bilden ein zuckriges Pop-Fundament, das Mahons mal verträumte, mal unbewegte Stimme zu einem geisterhaften Ganzen komplettiert. Die Kombination erinnert an britischen Synthpop á la OMD oder das 90er-Psychedelic-Revival mit Broadcast oder Stereolab, bewahrt sich aber mit einigen Brüchen eine gewisse Eigenständigkeit: süßlicher Kaugummi-Pop, gedehnt, gestreckt und mit Youngs dreckigem Gitarrensound als Kontrastmittel versetzt.

Meist zelebriert das Duo seine Entdeckung der Langsamkeit jedoch hinter einer kühlen Fassade, auf die Mahon ungerührt Bilder des Absurden malt: „see the face, and feel your body sway in voluntary walk / intoxicating view / take it home, a photograph, a file final form, a token for the shelf“ heißt es in Low Desk : High Shelf, das mit seinem geradlinigen Beat zum Schwofen in Lynchs Nachtclub einlädt. Eine willkommene, weil greifbare Abwechslung zwischen den glatten, automatisierten Traumgebilden, die sich in voller Albumlänge bisweilen zu erschöpfen drohen.

Im Gegensatz zum Vorgänger ist auf Shimmering Bassett an jeder Stelle die Konsequenz zu hören, mit der sich Mahon und Young ihrem Sound verschrieben haben. Auch wenn das Duo für diese konzeptionelle Geschlossenheit ein wenig die Experimentierfreude des Vorgängers eingetauscht haben: mit ihrem Zweitwerk ist ihnen ein beinahe irritierendes, weil geisterhaft zeitloses Album gelungen; ein ortloser Traum, der sich nicht um die Entfernung zweier Kontinente schert.

The Green Child – Shimmering Bassett
VÖ: 16. Oktober 2020, Upset The Rhythm
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