Foto © Universal Music
Yoann Lemoine, audiovisueller Ausnahmekünstler, der 2011 als Woodkid und mit Iron im Gepäck plötzlich auf den musikalischen Bühnen der Welt auftauchte und sein Talent für epische Gesamtkunstwerke 2013 mit seinem Debütalbum The Golden Age unterstrich, ist mit S16 endlich zurück! Der schöpferische Pariser, der allen anderen gefühlt immer 10 Schritte voraus ist und schon vor seiner Musikerlaufbahn als erfolgreicher Illustrator und Filmemacher Videokreationen für Popköniginnen wie Lana Del Rey, Katy Perry und Rihanna schuf, sucht konstant nach Herausforderungen und Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln. Lemoine’s Kopf scheint voller Visionen, seine Wahl fällt auf immer neue Kanäle und Kunstformen, die er gekonnt, und getrieben vom Wille immer besser zu werden und sich selbst herauszufordern, mischt und ihnen so seine ikonische Handschrift verpasst. Woodkid, der Junge aus Holz, wurde auf The Golden Age erwachsen und kämpfte Stück um Stück gegen oder besser mit den Dingen, denen man auf dem Weg zum Erwachsensein begegnet. Als atemberaubendes Experiment lässt sich das Album beschreiben, als musikalische Reise, auf die Lemoine uns mitnahm und deren visuelle Interpretationen, ob in Video- oder Live Format, immer nochmal um mindestens ein Level epischer wurden. Episch, epischer, am epischsten. Und dann Woodkid, so ungefähr.
Diesmal wollte er etwas industrielles kreieren, erklärt Lemoine, der S16 nicht as Fortsetzung zu den narrativen Erzählungen von The Golden Age sieht, sondern als dokumentarisches Werk, das soziale und politische Themen hinterfragt, ohne dabei Antworten liefern zu wollen. Auch wollte er Zeit verstreichen lassen, seinen Erfolg verarbeiten und idealerweise auch ein wenig vergessen werden: „I wanted to challenge myself to be forgotten“… Um möglichst unabhängig von seinem Erstwerk das neue Album als etwas wirklich Neues und Eigenes anzugehen, inspiriert von seiner Faszination mit dem Großen, dem Mächtigen. Die ersten Aufnahmen entstanden schon 2015 – Kollaborationen mit anderen Künstlern und der zeitliche Abstand, führten, so Lemoine, zu einem Reifeprozess und dazu, dass S16 langsam aber umso energetischer zu seiner Form fand. Groß und mächtig ist S16 definitiv geworden und sucht, typisch Woodkid, parallel die Balance. Das Gleichgewicht zwischen menschlicher Verwundbarkeit als zerbrechliches Individuum inmitten eines massiven, industriellen und mechanischen Kosmos. „You can’t talk about the world and not talk about contrast“, beschreibt Lemoine, „I think it is by nature a fundamental element of the world we live in. I needed to embed that ambiguity and talk about the equal fascination and repulsion there is for scale.“ Auf seiner Suche nach den größten und mächtigsten Energiekörpern, auf der er Kernkraftwerke, Ölplattformen und Kohlebergwerke besuchte, entdeckte er S16, das chemische Element von Schwefel. Schwefel, so Lemoine, verkörpert eben jenen Kontrast, mit dem er sich auf dem Album auseinandersetzt: einerseits als Symbolik für den Teufel und das Düstere und zur Herstellung von Waffen eingesetzt, kann Schwefel als Dünger neues Leben schaffen.
Where are you going boy?
When did you get so lost?
How could you be so blind?
How could you be so blind?
(Woodkid – Goliath)
Die Single Goliath ist ein Paukenschlag von einem Song geworden und auch der Inhalt stimmt: „There is a collective responsibility in the making of things.“ Wir müssen als Individuum und Kollektiv gegen das Große kämpfen, das wir gemeinsam geschaffen haben und uns über unsere individuelle und kollektive Verantwortung für den Zustand der Welt bewusst sein. Jeder, egal ob einzeln oder im Kollektiv, ist verantwortlich für diese Welt. In your Likeness beschreibt ruhig und trotzdem dramatisch eine Liebe die nicht zusammenpassen will, egal wie stark sie doch zu spüren ist. „Watch my fears unravel. Can you see the truth of me? I don’t hold the light required for this endless walk on wire. Pale Yellow handelt von der inneren Maschine, dem intimen Monster. Davon der Sucht zu entkommen und den Kampf, den man während einer Abhängigkeit mit sich selbst führt. Enemy wird eröffnet vom fließenden Klang der Streicher. In den Tiefen brodelt es, sowohl musikalisch als auch aufgrund von Woodkid’s unverkennbar roher Stimme, die während die Musik immer dramatischer wird, innere und äußere Narben offenbart. Highway und Reactor demonstrieren nochmal, wie sehr Woodkid sich auf der Platte zwar treu geblieben ist, sich gleichzeitig aber beeindruckend in neuen Richtungen auslebt: stimmlich, musikalisch und es bleibt abzuwarten, welch visuelle Geniestreiche er sich nach seinem Video für Goliath noch einfallen lassen wird… Der japanische Mädchenchor, Suginami Junior Chor, taucht nach Reactor auch im letzten Stück, Minus Sixty-One auf und übernimmt die letzten Töne des Albums. Denn die letzten Worte sollten von einer jungen Generation stammen, erklärt Lemoine. Der Chor klingt „utopic and dystopic at the same time“, wie eine allwissende Kraft, die sich weder eindeutig negativ noch eindeutig positiv anfühlt.
Woodkid – S16
VÖ: 16. Oktober 2020; Island, Universal Music
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