Foto-© J Konrad Schmidt
Der neuerliche Lockdown verhindert in der sowieso schon arg gebeutelten Kulturbranche bis auf weiteres alle Veranstaltungen, Auf- und Vorführungen im November…umso mehr Zeit um Zuhause neue gute Musik zu entdecken! Welche? Wir haben da mal etwas vorbereitet:
1. Martin Kohlstedt – FLUR (VÖ: 27.11.)
Martin Kohlstedt ist seit einigen Jahren einer der spannendsten Komponisten hierzulande, scheint ständig auf Tour oder im Studio zu sein und trotzdem werden seine Songs und Alben nur noch besser und besser. Nach Alben, die den Diskurs mit Elektronika und Chören als Gegenüber suchten, traut sich der in Weimar lebende Musiker bei seinem neuen Album eine Rückbesinnung auf den Kern: Solo Piano. Doch das Klavier ist nicht allein. Kohlstedt wohnt in ihm, nahm das Album zurückgezogen in seiner Dachgeschosswohnung auf, mit Blick auf Weimar, mit all den Vögeln, Winden, Regentropfen, dem Licht, mit der Geometrie und Tiefe, die diese Tage begleiteten und sich nun auf FLUR wiederfinden.
2. Ólafur Arnalds – some kind of peace (VÖ: 06.11.)
Der isländische Multiinstrumentalist und Tausendsassa ist zurück und bietet auf seinem neuen Album einen tiefen Einblick, verkörpert es doch die persönliche und kreative Entwicklung Ólafur Arnalds vor dem Hintergrund einer chaotischen Welt. Man begegnet dort einem bekennenden Perfektionisten in seiner Auseinandersetzung mit der chaotischen Realität des Alltags: mit den Möglichkeiten der Liebe, dem Sesshaft-Werden und und wie man das Ganze während einer globalen Pandemie handhabt (das Album wurde teilweise vor dem Lockdown geschrieben und in Arnalds‘ Hafenstudio in der Innenstadt Reykjaviks fertiggestellt). „Es ist so persönlich, dass ich immer noch selbst versuche, die Worte zu finden, um darüber sprechen zu können“, sagt Arnalds heute. „Ich hielt es für wichtig, dass das Album meine Geschichte auf eine sehr ehrliche Art und Weise erzählt.“ Miterzählen dürfen u.a. auch Bonobo, Josin und JFDR (Pascal Pinon)! Das vielleicht bisher beste und zugänglichste Album des Isländers bisher!
3. all diese gewalt – ANDERE (VÖ: 06.11.)
Max Rieger (Die Nerven) ist zurück mit seinem zweiten Solo-Album als all diese gewalt und sagt selbst darüber: „Ich finde das Album, so wie es jetzt geworden ist, furchtbar.“ Ganz so schlimm ist es nicht, klar ist der konzeptionelle Ansatz des Vorgängers einer Spielwiese für den Musiker und Produzenten gewichen, aber furchtbar?! Doch Rieger schiebt hinterher: „Vielleicht finde ich es deshalb furchtbar, weil ich in diesem langen Entstehungsprozess nicht mit mir im Reinen war. Jetzt ist es schmerzlich, genau das zu hören“. Pompös, sphärisch, melancholisch und auch ironisch – all das ist das Album…furchtbar nun wirklich nicht!
4. Wolf & Moon – Follow The Signs (VÖ: 20.11.)
Seit einiger Zeit treibt das Pärchen Wolf & Moon ihr musikalisches Unwesen als stetig unterwegs und tourendes Folk-Pop-Duo. Für den Nachfolger zu ihrem Debüt Before It Gets Dark aus 2019 haben sie sich entschieden sesshafter zu werden, haben ein Haus gebaut und sind dabei persönlich gewachsen. Sie sind ein Stück erwachsener geworden, wählerischer, aber auch spontaner, was sich auch im Produktionsprozess von Follow The Signs widerspiegelt. Die Band nahm einen Song pro Tag auf, was dem Album eine kühne Note verleiht. Entstanden ist ein lebender Organismus, der sich live auf Tour weiterentwickeln wird – denn allzu sesshaft werden Stefany und Dennis wohl nie werden! Viel zu sehr stehen die beiden für Abenteuer, für menschliches Potential und Freiheit, und zwar mit jeder Faser ihres Seins. Es ist eine Philosophie, ein Lebensentwurf, den eine Textzeile aus The Road perfekt zusammenfasst: „How would you know really what you got, if you never let go?“ Reisende aus Leidenschaft interessieren sich nicht für das sorgenfreie All-Inklusive-Paket. Anhören tut sich das dann auf Albumlänge nach The xx, Angus & Julia Stone oder Feist…
5. Great Mountain Fire – Movements (VÖ: 20.11.)
Nach einer Touree trafen sich die Belgier von Great Mountain Fire in einem kleinen Haus südlich von Brüssel, um das Fundament für Movements, dem drittel Kapitel ihrer Geschichte, zu legen. Von diesem Haus ging es in ein anderes, inmitten von Dünen, und schließlich in den 15m²-Keller der Band im Herzen der Stadt. Das Album spiegelt diesen nomadischen Weg im Sound wider. Mit Hilfe des Toningenieurs und Studiobesitzers Julien Rauis stellt die Band Indiepop mal wieder auf den Kopf. Ihr neues Album zeigt eine Geistesverwandschaft mit Tame Impala, Parcels und Metronomy: Vintage Funk, bei dem Groove auf Emotionen trifft. In diesem wilden Post-Disco-Trip breiten sich Synths wie Regenbögen aus, wellenförmige Gitarren umschließen wattig-sinnliche Grooves.
Newcomer:
1. Catt – Why, Why (VÖ: 20.11.)
Artwork tba!
Die Newcomerin CATT, die im vergangenen Jahr schon mit ihrer EP Moon zu einem der größten musikalischen Versprechen hierzulande avancierte, steigerte dieses Jahr mit jeder Single ihres Debüt-Albums Why, Why die Freude auf eben jenes. Nun erscheint es endlich! Die Ausrichtung eines jeden Songs ihres Albums bestimmt dabei nach wie vor CATTs charakteristisches Klavierspiel: Es schiebt an, tastet sich vor, schlägt Richtungen und Stimmungen ein und begleitet beim Hören wie ein verlässlicher Gefährte beim Wandern auf unbekanntem Terrain. CATT entführt mit ihrem schwebenden Wesen mal in weite Landschaften, mal lädt sie zum Tanz auf Hinterhöfen versteckter Seitengassen. So oder so ist es durchweg bezaubernd und einnehmend – die immense Vorfreude wird damit auf jeden Fall nicht enttäuscht!
2. Babeheaven – Home For Now (VÖ: 20.11.)
Den beiden Köpfe hinter Babeheaven wurde die Musik schon in die Wiege gegeben – Nancys Vater ist ein Werbe-Jingle-Autor, Jamies der Gründer von Rough Trade Records – und so wundert auch nicht, dass die beiden nachdem sie sich mit 13 Jahren kennengelernt hatten und dann als Erwachsene wieder gefunden haben, musikalisch extrem geschmäcklerisch präsentieren! Nancy Andersens (Vocals) und Jamie Travis’ (Instrumente und Produktion) Debütalbum ist zumindest ungemein zeitgeistig, voller Zitate an ihre musikalische Größen und gespickt mit lauter Songs, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen!
3. JW Francis – We Share a Similar Joy (VÖ: 06.11.)
JW Francis hat einen vielseitigen Lebenslauf – geboren in Oklahoma, aufgewachsen in Paris, mittlerweile heimisch in New York City – und eine ebenso beeindruckende Latte an Talenten: er ist Assistent eines Nobel Prize Gewinners, lizensierter New York City Tour Guide, Murder Mistery Business Besitzer…und er ist ein spannender Lo-Fi-Newcomer! Sein Debüt ist voller Bedroom-Pop Kompositionen, die den Spirit von Jonathan Richman oder The Velvet Underground verströmen und dem Hörer helfen soll die Schwere des alltäglichen Lebens abzustreifen. “It is a place to run away to, but also a place to celebrate life’s small moments of joy from a quiet moment of pre-dawn solitude to an all out delirious, cathartic party. The album is about the shared feelings of nostalgia, childhood, anxiety, longing, and most of all, joy.”, sagt JW Francis darüber.
Wiederkehrer: MT. Joy – Rearrange Us (VÖ: 05.06.)
Schon das Debüt der US-amerikanischen Folk-Band um Sänger/Songwriter Matt Quinn hatte bei uns eine lange Lebensdauer – und so ist es auch beim diesjährigen Nachfolger! Rearrange Us ist ein Album über die Suche nach Wegen, um die emotionalen und mentalen Kämpfe gezielt zu überwinden, und zeigt den wachsenden Ehrgeiz und die klanglichen Experimente der jungen Band. Klanglich klopft die Truppe dazu alles ab, was zu ihren Folk-Wurzeln passt und liefert ein sehr vielseitiges, wie eingängiges Album ab, das uns hoffen lässt, dass man bald noch viel mehr von MT. Joy hören wird!