CATT – weiche Texturen, voller Melodie, voller Gefühl

Foto-© Sebastian Madej

Wer unseren Blog ein wenig verfolgt hat es sicherlich schon unschwer erkannt: wir sind große Fans von CATT und freuen uns ungemein auf das diese Woche erscheinende Debütalbum Why, Why der Newcomerin! Inmitten idyllischer Umgebung vor den Toren Hamburgs, im Gartenhaus der Roger Willemsen Stiftung entstanden, fand die 25-jährige dort das ideale Refugium vor, um sich mit vollem Eifer nur der eigenen Kunst zu widmen. Fragend, ja orientierungslos blitzt es hier und da aus den Songs hervor, die sich auf die Suche machen – nach dem Warum, dem Sinn von Lebensentwürfen in unsicheren Zeiten und der Möglichkeit nach Hoffnung. Wie aus einem Guss sind die Songs auf Why, Why und kreieren weiche Texturen, voller Melodie, voller Gefühl. Und so befanden wir hier schon in unserer Review zum Album: „Ein Debüt, das Mut macht. In so vielen Hinsichten.“ Grund genug bei CATT selbst vorstellig zu werden und sie euch ausführlich heute in unserem Interview vorzustellen!

PS: Da uns Konzerte gerade ungemein fehlen und man aufgrund der aktuellen Lage auch noch nicht zu sagen vermag, ob die große Tour von CATT Anfang 2021 wirklich stattfinden kann, empfehlen wir euch morgen, am 19.11. um 20 Uhr, dem Releasekonzert im Festsaal Kreuzberg in Streamingform beizuwohnen! Mit kompletter Band wird dabei hier das komplette Album aufgeführt – und das Ganze ist auch noch kostenlos!

PSS: Wir bedanken uns bei unserem rasenden Fotografen Sebastian Madej für die mal wieder großartigen Portraits!

Hallo CATT, wie geht es dir und wie hast du die letzten Monate erlebt?
Ganz gut, nach wie vor ein wenig rest-verwirrt durch die ganzen Absagen für November. Der wäre ja eigentlich mein Voll-Action-Release-Monat gewesen. Ist er immer noch, nur ohne die Shows leider. Ich lerne aber so langsam durch die vielen durchkreuzten Pläne & Enttäuschungen, flexibler zu denken. Mich nicht zu sehr auf äußere Infrastruktur zu verlassen, weil das ja einfach nicht geht. Ich überlege mir neue Plattformen, um unabhängiger meine Musik zu Menschen zu bekommen. Zum Beispiel ein Newsletter oder schöne Ideen im Shop. Die letzten Monate waren auf jeden Fall ein Auf und Ab, herausfordernd für (bestimmt nicht nur) alle Selbstständigen!

Auch wenn du vielen seit deiner EP aus dem letzten Jahr schon ein Begriff bist, gehört es ja zum Debütalbum auch immer dazu, einen Act etwas vorzustellen – drum zurück zum Start: Was ist deine erste Erinnerung an Musik und wann hast du selbst angefangen Musik zu machen?
In meiner Familie war schon immer Musik. Es wurde gesungen, in Chören und auch zuhause. Meine Mutter hat mir neulich erzählt, dass sie mich, wenige Monate alt, auf der Wickelkommode dabei „ertappt“ hat, wie ich eine Bach-Melodie nachgesummt habe. Die hatte ich wohl aus dem elterlichen Posaunenchor aufgeschnappt. Da konnte ich noch lange nicht sprechen. Lustig, was wohl in dem Kopf dieses Babys los war. Selbst angefangen habe ich schon ganz ganz früh, wir hatten immer einen Flügel im Wohnzimmer stehen und da hab ich drauf gespielt, seit ich denken kann.

War dein erstes Instrument das Klavier? Und wenn ja, warum hast du dir dieses ausgesucht?
Die Stimme, weil die ja schon von Anfang an bei einem ist. Und, wie schon erwähnt, das Klavier – warum ich das ausgesucht habe, weiß ich gar nicht mehr. Es war da und ich habe die Entscheidung getroffen, bevor ich überhaupt bewusst entscheiden konnte. Schön am Klavier war glaube ich auch, dass schon kleine Ideen schnell schön klingen können, weil man ja nicht erst Jahre lang üben muss, einen geraden Ton herauszubekommen.

Ab wann war für dich klar, dass du die Leidenschaft zum Beruf machen willst? Spielte dabei auch der Umzug vom Dorf in die Großstadt Berlin eine Rolle?
Die Entscheidung fiel sehr, sehr spontan – in meinem Umfeld gab es offiziell gar nicht die Möglichkeit, Musik beruflich zu machen. Ich komme aus einem ganz kleinen Dorf auf dem Land, da musste man sich die musikalischen Möglichkeiten so ziemlich selbst zusammensuchen. Es gab dementsprechend auch nicht allzu viel Förderung in die Richtung, in die ich gern gehen wollte.
Erst wenige Wochen vor meinem Umzug, ich wollte eigentlich ins Ausland gehen, stieß ich „zufällig“ auf das Studium und war völlig begeistert. Ich beschloss noch am selben Abend, mich zu bewerben. Berlin war dann eine Nebenerscheinung, die natürlich viel mit sich brachte!

Welche musikalischen Einflüsse hast du?
Am Anfang stand die klassische Musik, ich habe auch jahrelang einen sehr guten klassischen Klavierlehrer gehabt. Meine erste eigene CD mit 6 war allerdings von Nena. Seitdem habe ich ständig versucht, an neue Popmusik heranzukommen. Irgendwann in der späteren Schulzeit habe ich dann von Freunden verschiedenste Indie-Musik gezeigt bekommen, mich parallel auch schon sehr für Jazz und Musik mit verschiedensten Kultureinflüssen interessiert. Ein anderes Herz schlug auch immer schon für Gospel. Ich bin mir sicher, alles davon wirkt irgendwie innerlich weiter und deswegen fällt es mir wahrscheinlich auch schwer, meine Songs in Genres einzuordnen.

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Hast du deine Lyrics schon immer auf Englisch geschrieben bzw. warum hast du dich dazu entschlossen nicht auf Deutsch zu singen?
Ich hab schon mit 11 oder 12 heimlich zuhause Songs am Klavier geschrieben, auf ziemlich schlechtem Englisch. Das kam einfach automatisch. Ich mag den Klang der englischen Sprache für meine Musik lieber und auch die gewisse Unvoreingenommenheit, mit der ich mit einer Nicht-Muttersprache umgehen kann. Das macht meine Intention in den Texten meistens klarer und pur, auf deutsch hätte ich bestimmt Hemmungen, das eine oder andere genau so zu sagen.

Du hast ja schon mit einigen Acts gearbeitet bevor du selbst mit deiner eigenen Musik bekannt wurdest, wie kam es dazu, in welcher Form verlief dabei deine Mitarbeit und welche Lehren hast du aus diesen Kooperationen mitgenommen?
Am Anfang, neu in Berlin, habe ich einfach alles gemacht, was mit Musik zu tun hat und mich mit neuen Leuten zusammengebracht und mir irgendwelche Erfahrungen ermöglicht hat. Ich war einfach sehr jung und sehr motiviert, ich wollte ganz viel lernen und machen. Dadurch entwickelten sich mit der Zeit immer neue Zusammenarbeiten. Ich bin ziemlich dankbar für die Erfahrungen, da ich so viel ausprobieren konnte. Die ersten Touren, Fernsehauftritte, Bandarbeit und das Komponieren für andere – vieles davon konnte ich später auf mein eigenes Projekt übertragen. Eine Sicherheit vor der Kamera zum Beispiel ermöglicht mir, mich völlig auf die Musik konzentrieren zu können, ohne aufgeregt über die Umstände zu sein. Oder das Arbeiten für andere hat mir gezeigt, welche Businessstrukturen ich mir für mich nicht vorstellen kann. Ich habe dann von Anfang an sehr viel Wert auf Unabhängigkeit gelegt und auf Mitarbeiter/innen, mit denen ich auf einer Wellenlänge bin und denen ich vertraue. Was ich aber auch gelernt hab ist, dass man sich ganz schön überarbeiten kann und ich frage mich im Nachhinein, wie ich das alles in meinen Terminkalender bekommen habe. Ich weiß jetzt, dass ich nicht ständig überall sein kann, wenn ich mit ganzer Energie bei einer Sache, meiner Sache, sein möchte.

Wann und warum hast du dich dann dazu entschlossen selbst als CATT aktiv zu werden und deine eigenen Songs zu veröffentlichen?
Ende 2017 habe ich in kleinem Rahmen ein paar eigene Songs zum ersten Mal gezeigt, ich glaube, für mich war es Zeit, aus der zweiten Reihe nach vorn zu kommen. Ich habe viel gelernt im Arbeiten für andere, aber hatte auch immer meine eigene musikalische Vision und irgendwann hat es mich einfach eingeschränkt, nur der Vorstellung anderer zuzuarbeiten. Als ich Moon geschrieben habe, wusste ich intuitiv, dass ich den aufnehmen und als ersten Song von mir veröffentlichen möchte.

Deine erste EP bekam auch direkt sehr viel Zuspruch – wie hast du das aufgenommen und sind dir überhaupt Besprechungen wichtig bzw. liest du diese überhaupt? Bedeutete dieser Erfolg auch Druck für dich für die Produktion des Debütalbums?
Die EP war mein erstes richtiges Commitment an mich selbst als CATT – ich habe mir das erste Mal mehr Zeit genommen, das Ganze einfach mal selbst zu versuchen. Bei meinen ersten drei selbst veröffentlichten Songs zuvor war ich ständig damit beschäftigt, Produzenten zu erzählen, was ich mir vorstelle. Und dann dachte ich mir: Ich hab doch Produktion studiert, ich mach das jetzt. Habe ganz von vorn angefangen, meine Songs ganz minimalistisch mit dem, was ich konnte und hatte, festgehalten. Es waren sozusagen die Songs in einfachster und purster Form und da freute es mich natürlich, dass die andere berührten. Dass ich gar nicht eine fremde Riesenproduktion brauche, um meine Musik zu vermitteln. Ich konnte den Zuspruch und die Möglichkeiten, die sich daraus ergaben, aber recht natürlich und voller Dankbarkeit annehmen, da ich die Lieder ja aus ganzem Herzen so gemacht hab – ich glaub, da gibt es dann auch immer offene Herzen auf der anderen Seite, die das gern annehmen und mögen.
Um mir Gedanken über Druck zu machen, fehlte mir damals noch etwas die Zeit, weil ich ständig unterwegs war – ich habe mich einfach gefreut, dass etwas mit den Liedern passierte.

Dein Debütalbum folgt nun relativ schnell auf die EP – war das von Anfang an der Plan oder wie kam es dazu?
Die EP im letzten Jahr war ein Zusammenführen aller bisherigen Songs, die sich vorher so angesammelt haben. Mit denen bin ich dann aufgetreten, sie haben irgendwie einen Weg geebnet. Erst in diesem Jahr habe ich mich endgültig von allen Musikerinnen-Jobs für andere getrennt und das erste Mal so richtig beschlossen, jetzt als CATT Musik zu machen. Im Februar und März 2020 bekam ich eine Artist Residenz im Mare Künstlerhaus (Villa der Roger Willemsen Stiftung bei Hamburg) und ich wusste, dass ich jetzt endlich Zeit habe. Wirklich einfach Zeit zum Musikmachen, ausprobieren, Zeit für zusammenhängendes Schreiben. Da habe ich mir vorher vorgenommen, aus der Zeit am liebsten mit einem Album rauszugehen.

Die Songs entstanden in Hamburg im Gartenhaus der Roger Willemsen Stiftung – wie kam es dazu und welchen Einfluss hatte die Umgebung auf das Album bzw. warum war der Ort perfekt für die Produktion des Albums?
Mein Klavierprofessor hat mir die Stiftung ans Herz gelegt über eine Bekannte. Ich habe mich beworben und wurde wunderbarerweise als erste Musikerin angenommen. Die Villa ist wirklich das wärmste Haus, das ich bisher erleben durfte. Seitdem glaub ich ganz fest, dass ein Haus einen so starken Eigencharakter haben kann, dass es das Leben darin maßgeblich mit prägt. Ich hatte im Haus einen Flügel im Wohnzimmer und da kamen mir meist die ersten Ideen. Die habe ich dann rüber ins Gartenhaus getragen, dort habe ich mir ein kleines, rustikales Tonstudio eingerichtet. Generell hatten die Räume im Haus so viel Platz und Licht, das fand ich ziemlich schön, wenn man sonst die Berliner WG-Enge gewohnt ist – und Ausblick nach draußen in den Wald. Die Natur drumherum und der Ortswechsel für eine so lange Zeit hat die Musik so sehr mitgeprägt, dass das bestimmt in den Liedern noch zu hören ist! Ich hab auch das meiste dort aufgenommen, das heißt, irgendwie muss man das ja hören!

“Dieses Album hätte man nicht in der Stadt schreiben können”, wirst du in der Bio zum Album zitiert – welche Rolle spielt Natur allgemein in deinem Leben? Welche Rolle spielt sie für deine Musik & Inspiration?
Ich bin in der Natur aufgewachsen, in einem Drei-Häuser-Dorf wirklich unmittelbar umgeben von Wald. Ich glaube, das prägt generell schon mal für immer. Ich mag den Effekt, den es hat, wenn man rausgeht mit seinen wirren Gedanken und durchgepustet und ein wenig geordneter und reflektierter wiederkommt. Für mich ist es speziell der Wald – ich mag die Erdung und die Ruhe, die Raum für die eigenen Gedanken lässt und auch oft Antworten zurückspiegelt. Ich habe eine Vorliebe für warme, organische Musik und deswegen klingt meine auch so. Ich wünsche mir sehr, dass es einen ähnlichen Effekt hat, meine Lieder zu hören, wie in die Natur zu gehen.

Kannst du ein bisschen vom Produktionsprozess von Why, Why erzählen, wie das Album entstanden ist, was der beste/schlimmste Moment während dieser Zeit für dich war und welche Anekdote du darüber am meisten erzählst?
Da ich ja so viel zusammenhängende Zeit hatte wie noch nie in meinem Leben, hab ich mir am Anfang auch keinen Druck gemacht, weil ich irgendwie dachte, das ist ja ewig, da wird schon was passieren. Ich war im letzten Jahr viel unterwegs und habe ständig zwischendurch kleine Zeilen, Gedanken und Beobachtungen aufgeschrieben. So konnte ich mich in Hamburg jeden Morgen in meine Notizen schauen und mich fragen, welches kleine Fragment ins Tagesgefühl passt. Damit bin ich meistens zum Flügel gegangen und mir kamen recht schnell Ideen. Diese Ideen hab ich dann später am Tag rüber ins Gartenhaus-Studio genommen, dort erste Dinge aufgenommen, Bläser, Keyboards, Stimmen, Beats. Das habe ich dann meistens ein paar Tage ruhen lassen, bis ich mich wieder nach genau dem Song fühlte. Das funktionierte mit dieser langen Zeit sehr gut, ein bisschen mehr nach Gefühl zu gehen und nicht wie sonst zu denken: Ich hab jetzt einen Nachmittag frei, da muss ich jetzt aber auch etwas schaffen, und zwar am besten genau das hier, und es muss besonders gut werden.

In der Zeit gab es viele gute Momente. Es war eine ziemlich friedliche Zeit in der Stadtrandidylle mit all dem Platz, gemütlicher Gesellschaft und auch der Zeit dafür, mich innerlich neu zu ordnen für diesen „Ich mach jetzt wirklich meine eigene Musik“-Gedanken.
Ganz besonders war der Abend, an dem mir Curve A Line einfiel und ich das erste Demo aufgenommen habe. Die Stimmenaufnahme aus der Endversion ist übrigens immer noch der Gesang aus der Nacht. Da dachte ich: Wow, hier wurde mir gerade etwas geschenkt.
Schlimm war der Moment, als ich zum April wieder nach Berlin musste, in die Ungewissheit des ersten Lockdowns, in eine öffentliche Situation, die man überhaupt nicht einschätzen konnte.
Am meisten erzählt habe ich glaub ich die Anekdote mit dem Besen – das kommt bestimmt später noch.

Wir haben gelesen, dass du fast alle musikalischen Parts selbst eingespielt hast – welche Instrumente waren das alle und wie kommt es, dass du diese alle spielen kannst?
Ich habe die Klaviere, Bässe, Bläser (Trompete, Posaune und Horn) und die Beats selbst gemacht. Dieses Mal bin ich noch etwas offener und experimenteller mit den ganzen Elementen umgegangen, glaub ich. Ich hatte ja auch eine ziemliche Limitierung und kein professionelles Studio. Da ist dann schon mal ein fegender Besen zur Snare geworden oder ein Tischklopfen zur Bassdrum. Klavier spiele ich, weil meine Mutter Klavierlehrerin ist und das Klavier einfach schon immer präsent bei uns war. Bläser spiele ich, weil ich mit neun eine Posaune in die Hand gedrückt bekommen habe, um damit im Posaunenchor zu spielen. Da konnte ich sie noch nicht mal halten. Die anderen Bläser hab ich mir danach Stück für Stück selbst beigebracht.

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Curve A Line ist einer unserer Lieblingssongs vom Album – kannst du uns ein bisschen darüber erzählen, wie der Song entstanden ist, worum es darin geht und was die Geschichte dahinter ist?
Lustig, dass ihr den jetzt auch noch mal erwähnt. Der fiel ja schon in meinen Lieblingsmoment.
Ich glaube, die Zeit war auch damals, vor dieser ganzen Corona-Situation, schon ziemlich angespannt, es gab viele politische Entzweiungen, Diskussionen, Schwierigkeiten. Ich hatte auch persönlich einiges zu verarbeiten, was sich angestaut hat. Und dieses Lied war glaub ich die Reaktion darauf, nicht immer kämpfen zu können, sich nicht immer selbst übertreffen zu können, nicht immer Antworten zu wissen, wie es weiter geht. Manchmal ist es okay so, wie es ist. Man darf sich in solchen Situationen zurücklehnen und auf die natürlichen Prozesse des Lebens verlassen.

In welchen Situationen/Stimmung schreibst du am besten deine Lyrics? Hast du einen bestimmten Work-Flow beim Schreiben deiner Songs – wenn ja, welchen?
Die ersten Worte entstehen meist unterwegs oder aus einem starken Gefühl heraus – die schreib ich dann meistens erstmal auf und sammle sie an einem Ort. Dann hol ich sie später wieder raus und experimentiere damit, überlege mir eine musikalische Idee und darauf entsteht dann der Rest des Textes. Manches schreibt sich dann wie in einem Atemzug, manches braucht länger, um zu reifen.

Dein Debütalbum erscheint nun inmitten eines zweiten Lockdowns und inmitten einer Zeit voller Unsicherheit – warum hast du dich trotzdem dazu entschlossen das Album jetzt zu veröffentlichen?
Ich wollte vor allem an diesem wunderschönen Datum, dem 20.11.20 festhalten. Haha, nein, das ist nur ein schöner Nebeneffekt. Trotz aller Umstände ist es mir wichtig, die Musik gerade jetzt rauszubringen, wo dringend Trost und Hoffnung gebraucht wird. Es bilden sich gerade überall so viele Fronten. Viele können es glaub ich gebrauchen, neben all den rationalen Auseinandersetzungen mal wieder einen emotionalen Gefährten an die Hand zu bekommen. Und der ist ja Musik!

Wurden die Songs bzw. die Kampagne irgendwie durch die Corona-Pandemie beeinflusst und wenn ja, wie?
Natürlich ist viel ausgefallen, meine erste Tour im Mai, viele Auftritte und Ideen, die man vielleicht ohne Quarantäne anders hätte umsetzen können. Aber wir haben eigentlich von Anfang an beschlossen, alles nach Plan zu veröffentlichen und ich wollte auch unbedingt, dass das Album nicht zu zeitversetzt rauskommt. Ich will ja noch in den Themen drinstecken, wenn ich sie mit anderen teile!
Der Produktionsprozess und die Detailarbeit hat sich weit ins Jahr hineingezogen, hat also das Gefühl bestimmt irgendwie mitbekommen. Die Songs sind aber alle kurz davor entstanden, also eigentlich unabhängig von der Pandemie. Und trotzdem beinhalten sie „zufälligerweise“ genau die Themen, die uns gerade so beschäftigen. Wie entsteht aus einem Ende ein neuer Anfang? Wie halten wir die Hoffnung oben? Und über allem natürlich das große Why, Why.

Mit der Veröffentlichung eines Albums ist der Plan normal ja dieses auch live aufzuführen – ein paar Shows hast du ja zuletzt schon mit Corona-Auflagen gespielt, in 2021 hast du ja eine ganze Latte an Shows auf dem Plan – wie ist deine aktuelle Stimmung, ob diese wirklich stattfinden können bzw. wie ist dein Gefühl insgesamt gerade zu Konzerten und zur strauchelnden Live-Branche?
Ich hoffe so, so sehr, dass es so langsam mal eine Gesetzgebung gibt, die es ermöglicht, gut konzeptionierte Veranstaltungen auch durchführen zu können. So ist es auf jeden Fall sehr anstrengend und nicht nachhaltig. Auch meine ganzen Release-Konzert-Pläne wurden durch das Kippen aller Konzerte im November ja spontan zunichte gemacht. Ich hoffe sehr, dass man vielleicht mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen etwas besser und sicherer planen kann und damit auch die Live-Branche wieder eine Chance bekommt. Bisher bin ich noch optimistisch für Februar. In irgendeinem Rahmen wird das bestimmt möglich!

Was uns auch aufgefallen ist – das Cover zum Album wurde ja erst kurz vor der Veröffentlichung veröffentlicht. Was war der Gedanke dahinter es so lange „geheim“ zu halten?
Die vier Single-Cover basierten alle auf dem Album-Cover-Foto. Ich wollte bis nach der Veröffentlichung vom vierten Song Surface warten, diese Metamorphose dann endgültig zu ihrem Ursprung zu führen. Josephina Elverfeldt hat diese wunderschöne Reihe entworfen, die vom sehr abstrakt Skizzenhaften immer konkreter wird. Am Ende steht das Bild, das Tran Chau von mir im Februar in der Villa gemacht hat und ich hab mir vorgestellt, das ist ein schöner Effekt, wenn man erst ganz am Ende sieht, worauf diese ganzen abstrakten Bilder hinauswollten.

Mit dem Debütalbum fertiggestellt – was sind deine Pläne für die Zukunft für das Projekt und gibt es einen Traum/eine Wunschkooperation, den/die du dir gerne für die nächste Veröffentlichung erfüllen wollen würdest?
Erstmal wünsche ich mir, dass es wieder eine nachhaltige Zukunft für Musiker/innen und alle Selbstständigen in der Branche gibt. Ich wünsche mir gute und lösungsorientierte Konzepte. Und, dass meine Musik, die jetzt in diese ungewisse Zeit hinausgelassen wird, auch tatsächlich berührt und Ohren findet.
Ein weit entfernter Wunsch ist, ein Album mit ganzer Band in einem großen Haus in den Weinbergen Siziliens aufzunehmen. Das fiel mir vor zwei Jahren mal ein und seitdem halte ich daran fest. Ich habe noch nicht recherchiert, ob es auf Sizilien überhaupt Weinberge gibt…

Was steht bei dir als nächstes an?
Die Songs des Albums zum Leben zu erwecken – sie live zu spielen, sie auf den Weg zu bringen.

Was machst du wenn du nicht Musik machst?
Im Moment geht tatsächlich fast die meiste Zeit an das Projekt CATT, da gehört ja auch noch ziemlich viel anderes zu, als Musik zu machen. Ansonsten:
Musik hören. Raus fahren. Freunde sehen. Mich zu Themen, die mich begeistern, weiterbilden. Irgendwohin reisen. Und manchmal nachmittags zum Aperitivo an die Spree gehen und Pizza essen und Wein trinken und mich so zu fühlen, als wär ich in Rom (Guter Trick für die reisefreie Corona-Zeit, sobald die Läden wieder aufhaben!).

Was hast du in 2020 gelernt?
Die zerschmetterten Pläne haben Zeit geschenkt und die Möglichkeit, vieles zu hinterfragen und aufzuarbeiten. Ich habe mich mit vielen Themen beschäftigt, auch, um zu wissen, wer ich eigentlich sein will, wenn ich mich jetzt mit meiner Persönlichkeit in eine Art Öffentlichkeit stelle. Was möchte ich ausdrücken und was auslösen. Das ist natürlich ein langer Prozess, sich selbst zu erkennen, aber 2020 war ein spannendes Jahr, damit zu beginnen.

Welches Album hast du dir zuletzt gekauft/welches zuletzt angehört?
Die Vinyl war erst gestern in der Post: Über Nacht von Oehl.

Wie würde deine Bedroomdisco aussehen?
Bunt, gemütlich und voll von Kerzen, Weißwein und Pflanzen – es muss einen Balkon geben, im besten Fall einen Ausgang direkt in einen Garten auf dem Land.

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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