Ich roch es schon von weitem
Ein Duft auf frischem Wind
Ein Lächeln wie Gezeiten
Die Flut kam heut geschwind
Ich seh mich um und weiß nicht
Ob ich mich noch retten kann
Am Kap der guten Hoffnung
Steuere ich die Klippen an
Oh Oh Oh
Ich wollte doch bloß einsam sein
Oh Oh Oh
War eben noch so schön allein
(Timbeau – So Schön Allein)
Wer sehnt sich nach Synth-Pop aus den eigenen Reihen, den man nur allzu gut auf die Ohren hauen kann, während man durch die nächste Großstadt der Wahl stapft? Da kommt Timbeau ins Spiel. Der Musiker – oder besser gesagt die Musiker – aus Süddeutschland erfüllen mit dem Debütalbum Wundersam genau diese Wünsche. Bei Referenzen wie Makoto Matsushita, Taeko Onuki, Hildegard Knef und Donny Benét läuft bestimmt mehreren Musikliebhabern gerade das Wasser im Mund zusammen. Frontmann Tim Bohner verstaut ihren Musikstil am liebsten im Genre Japan City Pop. Die Vierköpfige Band, bestehend aus Tim Bohner, Philipp Knoth (Schlagzeug), Hannes Scherf (Bass) und Florian Schirmer (Keyboard), verzaubern mit ihrem groovigen, leichtfüßigen Sound und den kitschigen, poetischen und ab und an düsteren Lyrics.
Die vor ein paar Monaten veröffentlichte Single Melodram hat mit einem Schlag das Können der jungen Band bewiesen. Eine sexy Bass-Spur, schwingende Synths und wunderschöne, schmerzliche Lyrics geben dem Song einen zeitlosen Character. Man will tanzen und weinen und genau das spiegelt sich auch in dem künstlerischen, minimalistischen Musikvideo wider. Tim Bohner tanz verschmitzt vor bunten Containern. Das Accessoire seiner Wahl ein asiatisch anmutender, zerfledderter Regenschirm. Zerrissen zwischen Hoffnung und Schmerz krümmt er sich auf dunklem Asphalt, steht aber letztendlich wieder auf. Und weiter geht es auch im Album. Bieder behandelt den Umgang mit Depression und Angststörung. Der trottende Beat mit eindringlichen Synths unterstreicht die lyrische Dramaturgie. Etwas geschmeidiger geht es mit Sonnenstich weiter. Der Name ist Programm und man wünscht sich mit benebeltem Kopf an einem Strand zu liegen. Mit Und da die Traurigkeit nimmt Timbeau einen neuen Stil an. Der Gesang wirkt erzählend und etwas avantgardistisch, während die Synths aus einem Actionfilm der 80er Jahre entsprungen sein könnten. Ein weiteres Highlight des Albums ist der Titelsong Wundersam. Der Track verführt mit dem mitreißenden Groove zum Tanzen und lässt einen fast nicht mehr los mit seiner wundersamen Atmosphäre. Es folgt So schön allein mit einem treibenden Beat, getragen von Schlagzeug und E-Gitarre. Abgeschlossen wird das Album mit Mannigfaltigkeit, ein fast 8-minütiger Track der harmonisch vor sich hin schreitet. Die verträumte E-Gitarre und die mit Hall unterlegten Stimmen verschmelzen zu einem epischen Finale.
Timbeau schafft mit Wundersam ein Fundament für eine glänzende musikalische Zukunft. Die stark hervorstechenden Highlights des Albums stellen zwar den Rest etwas in den Schatten, vielleicht braucht man aber auch einfach eine Weile, um den künstlerischen Umfang des Albums gänzlich verstehen zu können. Auf jeden Fall ist das Leben zu kurz um auf den groovigen, tiefgründigen und kitschigen Newcomer zu verzichten und das beweist Wundersam schon nach ein paar Sekunden.
Timbeau – Wundersam
VÖ: 27. November 2020, Tomatenplatten
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