Foto-© Universal Music
We don’t have to talk
Leave your words in the city with your heavy thoughts
We don’t have to shout
Oh, I wish that you would just let me out
We don’t have to shiver
Like we did back then
We don’t have to quiver
Or remember when
I am soaked in symmetry
Beating on the axis of symmetry
Soaked in symmetry
(Maggie Rogers – Symmetrie)
Als Maggie Rogers in einer Masterclass an der Tisch School 2016 Pharrell Williams mit ihrem Song Alaska fast zu Tränen rührte, schaute die ganze Welt zu. Auch wenn das der Beginn ihrer kommerziell erfolgreichen Karriere war, Plattenfirmen anriefen, 2017 die fantastische EP Now That The Light Is Fading erschien und 2020 die Nominierung als Best New Artist bei den Grammy Awards ins Haus flatterte, war diese Masterclass nicht der Beginn ihres Schaffens. Den Weg, den die Künstlerin aus Maryland bis dahin gegangen ist, zeichnet sie mit dem ersten Release auf ihrem eigenen Label Debay Sounds nach. Rogers öffnet ihr Archiv und veröffentlicht heute 16 Songs, die sie vor dem öffentlichkeitswirksamen Video geschrieben hat. Die Retrospektive beinhaltet unter anderem neu gemasterte Titel aus ihren frühen Indie-Alben Blood Ballet (2014) und The Echo (2012), aber auch sechs bisher unveröffentlichte Stücke. Dabei geht es ihr darum, zu zeigen, dass Entwicklung Teil des künstlerischen Prozesses ist: „So much of this record is about the process. It’s about honoring the time it takes to come to a full form…I wanted to give you the chance to hear me grow and hear me make mistakes, hear me change — because all of those pieces are really beautiful parts of my present, and I don’t feel complete without them in the world.” Die Stücke klingen allerdings wenig nach Werkstatt, sondern bezeugen eingängig produziert den Weg eines Ausnahmetalents aus ihrer eigenen Perspektive.
Die Platte startet mit vier bisher unveröffentlichten Stücken: Celadon & Gold und Together sind rockig und melodisch. Together hat dabei eine laute Dringlichkeit, die in dieser Art auf dem Album selten ist. Steady Now und besonders One More Afternoon sind gesetzter, in letzterem zeigt sich die große Stärke der Künstlerin: Unaufgeregt nimmt sie mit auf Gedankenreise, man verliert sich leicht in ihren Songs. Die Atmosphäre dieses Rückblicks ist meistens ruhig, akustisch geprägt, aber nie öde. Symmetrie (zuerst erschienen auf Blood Ballet) zum Beispiel besteht vor allem aus einem minimalistischen Klavier und Rogers eindringlicher Stimme. Durch kleine Elemente wie dem Einsatz von Hall schafft es das Stück vollkommen einzunehmen und ist eines der schönsten Stücke des Albums. On The Page (ebenfalls von Blood Ballet) oder Blood Ballet sind ebenfalls minimalistisch und haben trotz schlichter Gitarrenbegleitung eine ähnliche räumliche Tiefe. Die begegnet im Laufe der Platte immer wieder und schafft den Spagat zwischen intimer Verbindung von Künstlerin und Hörer/in und dem Gefühl, dass es um etwas Größeres geht. Andere Titel leben vom folkigen Sound gepaart mit der Dringlichkeit Rogers‘ Stimme – besonders gelungen auf Anybody oder dem dichten Little Joys. Die Banjos und der einnehmende Rhythmus von James sind unerwartete Wendungen auf einem sonst eher leisen Album. Folkig und soundtechnisch komplex ist das Stück Resonant Body, in dem zwei Soundspuren gegeneinander laufen wie Gedankenströme.
Notes From The Archive klingt nicht nach Demotapes, sondern erscheint als Sammlung außergewöhnlich schöner Songs einer außergewöhnlichen Künstlerin. Die Wechsel zwischen sehr minimalistischen und dezent treibenden, aber immer emotional aufwühlenden Tracks ist so fein abgestimmt, dass man zwar die Entwicklung Rogers nachhören kann, aber aus den Stücken ein Ganzes entsteht. Es ist beeindruckend, dass die immer noch als Newcomerin gehandelte Künstlerin den Mut hat, einen so dezidierten Blick zurück zu werfen und damit zu zeigen, dass Kunst Zeit braucht und kein Verfallsdatum hat. Wir hören ihr gerne dabei zu.
Maggie Rogers – Notes From The Archive: Recordings 2011 – 2016
VÖ: 18. Dezember 2020, Capitol
www.maggierogers.com
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