AARON FRAZER – über Realität, die Schönheit des Moments und Weltkrisen


Foto-© Alysse Gafkjen

Aaron Frazer dürfte als Drummer der amerikanischen Neo-Soulband Durand Jones and the Indications bekannt sein. Dieser Tage bringt er sein Debütalbum Introducing… heraus. Der Albumname ist selbstbewusste Pose: Er hatte Skrupel, Musik unter seinem eigenen Namen herauszubringen. Als er sich aber dafür entschied, wollte er es auch direkt mit jeder Konsequenz machen. Dürfen wir also vorstellen: Unser Interview mit Aaron Frazer – ein Gespräch über Dan Auerbachs Glasaugen, Heavy Metal und die realitätsverklärende Wirkung von Musik.

Aaron Frazer hat keine Bananenbrote gebacken, hatte es Mitte März letzten Jahres aber plötzlich eilig: Er wollte schnell von Chicago nach Hause nach Brooklyn kommen, um Zeug wie Klopapier zu kaufen. Typischer Pandemie-Modus also. War ja hierzulande nicht anders. „Als es hieß, es gäbe einen Lockdown, sollten wird Abends eigentlich ein ausverkauftes Konzert spielen,“ erinnert sich Frazer. Mit „wir” meint er Durand Jones and the Indications. Bei der Band sitzt er nicht nur hinter den Drums, sondern ist auch maßgeblich am Songwriting beteiligt – etwa für den Hit Morning in America.

Das Jahr 2020 ist natürlich auch für Frazer nicht so gelaufen, wie es eigentlich geplant war. Dennoch hatte er das Glück, sich sowieso mit den finalen Produktionsschritten seines Debütalbums beschäftigen zu dürfen. Die Arbeit mit menschlichem Kontakt war jedenfalls längst erledigt: Bereits im Januar hatte Frazer sich eine Woche mit Black Keys Frontmann Dan Auerbach in dessen Studio für Aufnahmen zurückgezogen, um die gemeinsam geschrieben Songs aufzunehmen. Auerbach und sein Easy Eye Sound Studio in Nashville sind längst legendär: Das unscheinbare ehemalige Callcenter am Stadtrand der Musikstadt gilt als kleines Mekka für Fans und Musiker*innen, die sich Auerbach einlädt, um mit ihnen Musik zu machen. Die britische Soul-Stimmgewalt Yola oder White Trash Sweetheart Lana Del Rey machten hier für Albenproduktionen bereits Halt.

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„Es ist, als würde man in eine surreale, mystische Welt treten, wenn man bei Dan im Studio ist. Wusstest du, dass sein Vater ein Antiquitäten-Händler ist? Das erklärt so viel! Es stehen Lampen herum, die man eigentlich kitschig finden würde, die einem aber plötzlich so geschmackvoll vorkommen. Er hat da ein bemaltes, altes Drumkit rumstehen, dass einer ehemaligen Feuerwehr-Marchingband gehörte, oder man findet plötzlich ein Glasauge, das irgendwo herumkullert.“ Wenn Frazer über Auerbachs Studio redet, schwingt Faszination mit. „Dan hat einfach wirklich ein Gefühl für Besonderheiten, die von der Zeit enthoben sind, für kleine Schätze, die manchmal auch einfach nur schön sind.“ Eine Beschreibung die problemlos auf den Musiker Aaron Frazer selbst passen könnte.

Bei Frazer schimmert permanent die glanzvolle Vergangenheit des Soul und Groove der 60iger und 70iger durch die Musik. Sein Songwriting ist in dem Sinne zeitlos, dass es zwar Retro ist, aber eine gekonnte Übersetzung in die Gegenwart erfährt. Auf Introducing… gibt es voluminöse Bläser neben jazzigen Querflöten, die E-Gitarren sind prägnant, ohne sich zu sehr aufzuspielen, der Rhythmus geht direkt in die Knie und dank Frazers Falsettgesangs erhalten die Stücke etwas entspanntes, leichtfüßiges. Songs wie Ride with Me erinnern direkt an die Temptations, Stevie Wonder könnte seine Finger bei Lover Girl im Spiel gehabt haben und natürlich ergibt der direkte Vergleich zur Institution Curtis Mayfield absolut Sinn. Es sprenkeln sich aber hin auch wieder kleine Elemente anderer Genres in die Kompositionen: Ein bisschen Hip Hop, etwas Rock, Gospel, Country. „Ich mag so viele Musikstile – außer Heavy Metal, das respektiere ich, aber es ist null mein Ding,“ er lacht, „Dan hat mich ermutigt, alles hineinzugeben, was ich gerne möchte: Add a little Spice! sagte er zu mir.“ Auch durch diese Mischung schafft Frazer den Schritt zu aktuellem Sound, zur musikalischen Gegenwart und landet irgendwo zwischen Jamiroquai, Michael Kiwanuka und Newcomerin Celeste. Gute Gesellschaft also.

 

In ebenso guter Gesellschaft ging es im Studio zu: Dan Auerbach hatte, wie für ihn üblich, ein paar Hochkaräter bestellt, um aufzunehmen. Ein paar Mitglieder der Memphis Boys (die schon mit Dusty Springfield und Aretha Franklin aufgenommen haben) gaben sich die Ehre oder Musiker aus dem Big Crown Records Orbit. „Ich wusste nicht, ob ich mich eingeschüchtert fühlen würde. Ich hatte schon auch Bedenken im Vorfeld, ich dachte, ich würde mich vielleicht nicht zugehörig fühlen oder so…“ gesteht der Musiker. Überflüssige Gedanken: Die Arbeit am Album läuft rund, mit Frazer an der kreativen Spitze. Der Musiker und Multiinstrumentalist hat schon an unzähligen Platten mitgeschrieben, nicht nur für Durand Jones and the Indications. „Diese Arbeit an den Alben anderer hat meinen Willen für das geschärft, was ich auf meiner eigenen Platte möchte. Ich hatte eine Vision und die habe ich verwirklicht,“ erklärt er. Da hilft es auch nichts, wenn Auerbach mit einem Schlagzeug-Schwergewicht ins Studio kommt. Frazer erzählt, dass ein legendärer Musiker anwesend war, der die Drums einspielen sollte. Er habe sich bemüht, das eigene Ego runterzuschrauben. Es sollte vordergründig darum gehen, gute Songs zu produzieren, „ich wollte das richtige Werkzeug für seinen entsprechenden Job einsetzen. Wenn dieser Drummer das richtige Werkzeug für die Songs gewesen wäre, hätte ich ihn eingesetzt,“ sagt er. „Ich weiß, dass ich nicht der beste Drummer der Welt bin. Aber ich bin der beste darin, so zu klingen wie Aaron Frazer,“ sagt er und lacht.

Mit ihm zu sprechen geht ganz leicht, was sicherlich an seiner angenehmen Erzählstimme liegt, aber auch mit dem grundlegend unbeschwerten Gemüt des Amerikaners zu tun hat. Auf seinem Debüt-Album etwa ist er von seiner hervorragend funktionierenden Liebesbeziehung inspiriert. Er ist also keiner der Musiker, die leiden müssen, um Lovesongs schreiben zu können. „Es hat etwas Schönes und sogar Meditatives, einfach mal gute Momente auszukosten und sie als solche zu beachten,“ weiß er. Dennoch spricht Frazer auf seiner Platte ernsthafte Themen an: Seine erste Single Bad News klingt mit Zeilen wie „I just keep on giving/ Till I just can’t keep on living anymore“ nach dem Ende einer Liaison und meint auch eine toxische Beziehung – allerdings anderer Art als man denken könnte. „Es geht um Klimawandel. Ich habe den Song aus der Sicht der Erde geschrieben, finde es aber sehr gut, wenn der Song nicht zu eindeutig klingt.“

Aaron Frazer möchte mit seiner Musik ein Zeichen setzen, er möchte das aktuelle Geschehen kommentieren. Seine Themen sind Armut, Rassismus, bereits erwähnter Klimawandel aber natürlich auch die Amerikanische Politik, die nun dank Joe Biden und Kamala Harris hoffentlich eine neue Richtung erfährt. Dennoch geht es bei Frazer nie bitterernst zu: „Musik gibt dir manchmal einfach genau das, was du brauchst. Und wenn du in einer Situation bist, in der es dein Bedürfnis ist, die Realität zu verklären, dann kann Musik auch das.“ Auf Introducing… findet man beides: Realitätschecks und Realtätsferne, Vergangenheit und Gegenwart, Gehaltvolles auf leichtem Fuß. Oder, ganz einfach gesagt: Richtig geschmackvolle Musik, die gut tut.

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Silvia Silko

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