Foto-© Molly Matalon
Da sind wir wieder, frisch gemästet aus dem Winter- und Weihnachtsschlaf und gehen direkt mit einem kulturellen Rückblick auf das vergangene Jahr in das mit viel Hoffnung verbundene Jahr 2021! Dazu haben wir als Redaktion 2020 Revue passieren lassen und präsentieren euch nun nach und nach unsere liebsten Alben, Filme, Serien und Songs des Jahres – heute gibt es das Flaggschiff des Jahresrückblicks, unsere liebsten Alben aus 2020!
50. Helgen – Die Bredouille
Das zweite Album des Hamburger Trios Helgen, bestehend aus Niklas, Helge und Timon, ist so vielschichtig, dass es ein jeder anders erleben wird. Gespielt wird dabei, wie schon auf der ersten LP Halb Oder Gar Nicht, Indie-Pop, gespickt mit einem Hauch Post-Rock, den die Musiker während ihrer jahrelangen Freundschaft perfektioniert haben. Entscheidend sind aber vor allem die Lyrics, die Helgen, zu einer bunten Schultüte der Emotionen schnüren.
49. Dope Body – Crack a Light
Nach 5 Jahren Abstinenz kehrt die Baltimorer Band zurück mit einem Brett von einem Album, das irgendwo zwischen Girl Band, black midi und ausladender Punk-Rock-Geste zeigt, was passiert wenn sich Funk, Hardcore und Noiserock durch den Moshpit jagen.
48. Deradoorian – Find The Sun
Ach, ist doch alles nur so Esoterik-Kram, lässt sich leicht denken, wenn man bei den Recherchen zu Angel Deradoorian über Tarot-Karten und Sternzeichen stolpert. Andererseits erscheint ihr Ratschlag, ihr neues Album Find The Sun am besten mit geschlossenen Augen auf dem Fußboden liegend zu hören, ganz selbstverständlich. Schließlich entfaltete schon Expanding Flower Planet, das 2015 erschienene Debüt der früheren Dirty Projectors-Bassistin, mühelos eine hypnotische Sogwirkung. Bevor also missmutig die eigenen Grenzen zwischen Spiritualität und vermeintlicher Spinnerei ausgelotet werden, sollte man es sich lieber auf dem Teppich bequem machen. In ruhigen Atembewegungen dehnt sich das Album aus, um sich dann wieder zusammenzuziehen, Inne zu halten und erneut auszubrechen. Der Weg zur Sonne ist keine vorsichtige Tastbewegung mehr, sondern wird selbstsicher beschritten. Tiefenentspannt und ganz bei sich stellt Deradoorian so mit Find The Sun unter Beweis, dass sie längst als Solo-Künstlerin ernst zu nehmen ist.
47. Gordi – Our Two Skins
Von seiner zutiefst innerlich zentrierten Thematik und der musikalisch fragil und sphärisch veranlagten Stilistik ist Our Two Skins von Gordi ein Werk, das in dieser Form einzigartig fesselt und an Stellen gar zu Tränen rühren in der Lage ist – so gewaltig wirkt diese elegante Ästhetik, die sich hier präsentiert. Aus der inneren Isolation und einer persönlichen Krise heraus, höhlt sich die Australierin auf ihrem Album selbst aus und macht sich dabei verletzlich wie nie zuvor. Dass unter der ersten Schicht auch eine zweite liegt, davon handeln und zeugen die zehn Lieder mit eindrucksvoller Aussagekraft. Hier bleibt wirklich nichts im Verborgenen. Am Ende tröstet es dann doch einfach sehr, wie aus innerer Orientierungslosigkeit und persönlichem Schmerz derart verzaubernde Kunst entstehen kann, die im Prozess der Verarbeitung zugleich eine verändernde Schönheit offenlegt.
46. Keaton Henson – Monument
Eigentlich verabschiedete er sich 2016 mit einem rätselhaften Posting von seinen Fans, doch 2019 gab es glücklicherweise wieder ein Lebenszeichen des Songwriters Keaton Henson in Form der Veröffentlichung Six Lethargies, einer komplexen Sinfonie für Streichorchester. Erschöpft von der Arbeit an dem Werk zog sich Henson in das englische Hinterland zurück, wo die Geschichte seines neuen Albums begann. Es ist – wie der Titel schon andeutet – ein monumentales, wie großartiges Werk, das sich um den Themenkomplex Trauer und den Umgang mit dem Verlust derer, die wir lieben beschäftigt. Komplett zurückgezogen und ein sehr einfaches Leben führend, entschied sich der Künstler nämlich genau diese Themen anzupacken, vor denen er sich seine ganze Karriere lang gesträubt hat: Die jahrzehntelange Krankheit und der bevorstehende Tod seines Vaters, der zwei Tage vor Abschluss der Aufnahmen zum Album verstarb. Doch Monument ist keinesfalls ein tieftrauriges, deprimierendes Album geworden, sondern eine Ansammlung von Songs, die mal gefühlvoll, mal warmherzig die Thematik von allen Seiten beleuchtet und mal wieder zeigt, wie großartig dieser außergewöhnliche Künstler ist.
45. Muzz – Muzz
Wenn eine Freundschaft mit einer gehörigen Portion Pfeffer gewürzt wird, kommt bei Musikern wie der von Interpol-Sänger Paul Banks, Matt Barrick von The Walkmen und Josh Kaufman, der ein Teil der Indie-Folk-Band Bonny Light Horseman ist, eine köstliche Portion Muzz heraus. Muzz sind aber nicht nur die drei erfolgreichen Musiker und deren inniges Band, das sie verbindet, sondern vor allem auch die Erfahrungen, die sie alle, auf die unterschiedlichsten Arten, über die Jahre gesammelt haben und nun allesamt ins Töpfchen werfen und die in einem wahrhaft großen Debüt mündeten.
44. Tame Impala – Slow Rush
Aufgrund der Erwartungshaltung an ein Genie wie es Kevin Parker als Tame Impala mit seinem bisherigen musikalischen Treibens unbestreitbar ist, war die Reaktion auf die doch an vielen Stellen eher plätschernde neue Platte The Slow Rush doch eher verhalten. Die künstlerische Nachdrücklichkeit fehlt, das Unerwartete und die Brüche, die vorherige Tame Impala-Alben so interessant gemacht haben. Man kann Parker nicht vorwerfen, die Melancholie von Currents hinter sich gelassen zu haben, aber seine positiveren, wenn auch oft nachdenklichen Popsongs haben einfach nicht die Wucht seiner vorherigen Werke. Und trotzdem ist es natürlich Enttäuschung auf hohem Niveau und zeugt im Vergleich mit anderen Popalben eine absolut künstlerische Dichte, weshalb es auch hier in unserer Bestenliste nicht fehlen darf!
43. Lianne La Havas – Lianne La Havas
Obwohl Fans eine lange Durststrecke ertragen mussten, ist Lianne La Havas nie aus ihren Köpfen verschwunden. Mit ab und an erschienenen Cover-Auftritten machte die begabte Künstlerin immer wieder auf sich aufmerksam. Das jetzt endlich erschienene, selbstbetitelte Album beweist aufs Neue, wie grandios ihr Gespür für Melodie, Harmonie und Rhythmus ist. Im Gegensatz zu älteren Liedern setzt sie ihre kräftige Stimme sanfter und kontrollierter ein, was den Tracks sehr guttut und dem Album eine ganzheitliche Balance verleiht.
42. Nathaniel Rateliff – And It’s Still Alright
Nathaniel Rateliff kehrte mit sensiblem Folk-Songwriting zu seinen Wurzeln zurück. Mit seiner Platte And It’s Still Alright trägt er einen guten Freund und seine Ehe zu Grabe – und versucht bei all dem, die guten Seiten des Lebens zu feiern. Hoffnung – davon scheint Rateliff überdurschnittlich viel zu haben. Wie sonst würde er Songs schreiben, die den Tod einer geliebten Person besingen und sich gleichzeitig anhören wie heilsames Balsam auf geschundene Seelen? Rateliff erschreckt es halt nicht, wenn er unten ist. Er träumt dann vielleicht auch davon, dass die Zeiten besser werden. Aber erstmal schaut er sich um, wie man das Beste aus dem macht, was sich um einen befindet. Und das macht ihn auf gewisse Art und Weise unverwundbar.
41. Róisín Murphy – Rósín Machine
Auf ihrem neuen Album präsentiert Róisín Murphy eine facettenreiche Palette ihres bewundernswerten Könnens – angefangen beim ansteckenden Disco-Funk von Incapable, über das vollkommene, New-Disco-beeinflusste Narcissus, mit dem Murphy die Messlatte für das Genre noch einmal ein ganzes Stück höher hängt, bis zu dem 70er-Jahre-inspirierten Ohrwurm Murphy`s Law. Es ein Album, dessen Klangkraft sich mühelos über jeden Raum hinweg entfaltet. Ein Werk, das sich nahtlos in ihr 25 Jahre umfassendes, bahnbrechendes Œuvre einfügt, das ikonoklastische Musik, Regie sowie Kunst und Mode miteinander verbindet.
40. SAULT – Untitled (Black Is)
Egal ob Afrobeat, RnB, Soul, Punk oder House; die mysteriöseste Band des letztens Jahres beweist bei allen Sprüngen zwischen den Genres stets politische Haltung und bringt mit sogar zwei Alben in 2020 den Straßenkampf in die Clubs, respektive die Wohnzimmer. Selten hat sich antirassistische Überzeugung so antiautoritär und trotzdem absolut notwendig angehört, wie auf Untitled (Rise) und Untitled (Black Is).