Foto-© Ninja Tune
Dancing to Jerskin, I got down on my knees
I told you I loved you in front of black midi
I told my friend Jack that it could’ve been you
I know it was funny, but I was struggling too
I left my drink on the eighteenth floor
Thought about jumping in your face when you saw
I thought of my father and proving him wrong
But mostly Mollie and Dylan, and my mum
(Black Country, New Road – Track X)
Ein mit 140 BPM, dumpf-polterndes Schlagzeug, wie in der Eröffnungssequenz eines Zirkusfilms aus alten Tagen, darüber eine einsetzende Keyboardfigur im Sound des arabischen Frühlings, ein streng eingegliederter Basslauf, melodische Saxophon- und Geigenpattern. Eine Explosion zwischen Jazz, Folklore und Punk eröffnet den wilden Ritt, den niemand so schnell vergessen wird.
Was mit Instrumental zunächst eher an Bands wie die Afrobeat Pioniere Sons of Kemet erinnert, geht mit dem für Fans der ersten Stunde altbekannten Athen‘s, France in eine, im ersten Moment eingängige, Post-Punk Nummer über. Hier dann auch mit Sänger Isaac Wood, der uns eine Geschichte von sich und seiner unausgeglichenen Beziehung erzählt. Erst aufregt und stagnierend, dann zärtlich, nachdenklich und letztlich fast voller Hingabe. Die Band verpackt die Geschichte nicht nur dazu, sie spinnt sie immer dann weiter, wenn die Stimme verstummt. Fast gelöst und trotzdem ernst klingen die letzten Töne aus, da baut sich schon Science Fair auf, erst unterschwellig, dann mit so viel aggressiver unharmonischer Gitarrenverzerrung, dass man fast die Kopfhörer abziehen muss, um Luft zu holen. Und dann hören wir doch wieder eine Geschichte: „I met her accidentally / It was at the Cambridge Science Fair / And she was so impressed I could make so many things catch on fire / But I was just covered in bubbles of methane gas / And you ended up burning.” Irgendwie absurd aber trotzdem nichts für schwache Nerven, genauso wie die gegenseitig ineinanderfallenden Klangmonster aus verzerrten E-Gitarren, Saxophonheulen und bedrohlichen Streichern.
Die Dynamik zwischen verstörenden Ausbrüchen und weichen Post-Punk Tälern ist fast zu intensiv, um sie auszuhalten. Wie im ebenfalls bereits bekannten Sunglasses, wo sich das erste Mal Saxofon und Streicher zu einer friedfertigen Symbiose vereinen und Wood aus tiefem Herzen zu singen scheint – ein bisschen wie Bright Eyes Sänger Conor Oberst. Natürlich hält dieser Zustand von musikalischer Auflösung nicht lange und das fast zehn Minuten Stück führt uns schon kurze Zeit später noch durch relativ gradlinigen Rock mit merkwürdigen Kampfansagen á la Sleaford Mods.
In konzentrierter Minimal Music Klangwelt nimmt uns dann Track X, gestützt durch Staccato von Saxophon und Streichern, in kryptische Jugend- und Kindheitserinnerungen mit. Es bleibt auch hier offen was genau uns die sieben Briten erzählen wollen, aber wow, das ist schön…oder melancholisch und schön. Der hier in den Lyrics implizite Gruß an die musikalische Verwandtschaft und Inspiration black midi und Jerskin Fendrix gehört in die Geschichte der 2018 gegründeten Band, die nicht zuletzt durch Touren mit black midi zu ihrer pre-Album Bekanntheit gekommen ist und den gegenseitigen Bezug überall proklamieren.
Mit Opus endet dann das größte Spektakel, das man wohl mindestens (!) im letzten Jahr gehört haben mag, mit einem letzten zusammenfassenden Aufbegehren: Wilder folkloristischer Tanz, düstere Post-Punk Gitarren mit gesprochener Geschichte und nicht zu überhörenden Metal-Fantasien, immer wieder unterbrochen vom einschneidenden Saxofon und gebogenen Streichern. Die Stille, die nach den knapp 40 Minuten den Raum erfüllt, fühlt sich herbeigesehnt an und gleichzeitig will man sich nicht vom Gehörten verabschieden.
Manchmal beschreibt man die Dinge ja am besten durch das. was sie nicht sind. Und Black Country, New Roads Debüt ist eines ganz sicher nicht: Wiederholung. Was fast etwas ernüchternd klingt, ist hier so ernst gemeint, wie der Erfolg, der der Band schon länger prognostiziert wird. Dieses Album ist eine Offenbarung für alle, die auf der Suche nach den neuen musikalischen Formen unserer Zeit sind und dabei nicht auf Geschichten verzichten möchten. Und es ist ein Zeitdokument dafür, dass trotz ständiger digitaler Ablenkung und globaler Krisenstimmung Menschen kreativ sind, nicht zum Zweck der Macht-Aneignung, sondern weil sie Musik in einer Band machen wollen.
Black Country, New Road – For the first time
VÖ: 5. Februar 2021, Ninja Tune
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