Es ist immer spannend, wenn sich ein Album oder Künstler der Streaming-Maschinerie verweigert: ein persönlicher Soundtrack, der nicht durch Maschinen jedweden musikalischen Dilettanten auf dem Algorithmus-Silbertablett serviert wird. The Sirens Sleep von Cantaloup war für mich genau so ein gut gehütetes Geheimnis und trotzdem bin ich froh, dass es eben jene Platte nun auf Spotify geschafft hat. Der Schritt in die ambivalente Digitalität erfolgte nicht ohne Anlass, denn mit Songs From In Between erschien am 20. Januar das erste musikalische Lebenszeichen von Thomas Finn-Peters seit nunmehr zehn Jahren.
Nicht nur die Welt, sondern auch mein Geschmack, haben sich in den letzten 10 Jahren verändert. „Man siebt mehr aus!“ trifft es wahrscheinlich ganz gut. Und doch schafft es Songs From In Between eine musikalische Vertrautheit in mir heraufzubeschwören, die ich nicht häufig empfinde. Eine nostalgische Empfindung, bei der es sich auf Grund der Neuerscheinung jedoch um eine Illusion handeln muss. Und das obwohl die neun versammelten Tracks oder Songs (Ich kann mich einfach nicht für einen Begriff entscheiden!) zwischen 2016 und 2021 aufgenommen wurden. Zeit wäre zumindest da gewesen.
Auf dem Opener Patterns ringen scheppernde Beats mit Streichersätzen und eingesprenkelten Ambient-Sounds um die Vorherrschaft eines ersten Eindrucks. Es ist genau diese eklektische Spannung zwischen Soundlandschaften und Genres, die mich sofort wieder bannt. Der Track Fields erinnert mit seinem Zittern an eine verschleppte Homerecording-Version von Four Tets Hit Two Thousand and Seventeen und tauscht produktionstechnische Brillanz gegen meditativen, persönlichen Drive. Eine Reminiszenz im besten Sinne! Überhaupt entfalten alle Songs From In Between über das Spektrum von 3-5min eine enorme Sogwirkung, dieses Mal sogar ganz ohne Gesang, auf den wurde im Vergleich zum Vorgänger nämlich konsequent verzichtet. Noch exponierter und fragiler wirken Fieldrecordings, Electronica und teilweise verhuschte Beatbasteleien, immer mehr stehen Klang und Rhythmus im Fokus.
Mahayana (großes Fahrzeug bzw. Großer Weg; eine der beiden Hauptrichtungen des Buddhismus) ist ein schwellender, hypnotischer Epos der Gefälligkeit, der sich immer weiter aufbauscht, um schließlich in gezügeltem Wohlklang auszuhallen. Kurz darauf beschliesst Gemini das Album mit einfühlsamen Pianomelodien und Geräuschen, die gleichzeitig schmelzenden Schnee und flackerndes Feuer darstellen können und so wunderbar zum Album Artwork passen. Dazwischen mischt sich ein elektronischer Herzschlag, der sich wie ein roter Faden durch alle Songs (ja, jetzt doch Songs) zieht. Zehn Jahre nach The Sirens Sleep bin ich immer noch beeindruckt von Cantaloups Arrangements und Songwriting-Qualitäten und freue mich deshalb ganz ungeniert seine Songs nun einfacher teilen zu können, in Playlists zu packen und in die Welt zu senden. Denn wie auch sein Vorgänger, ist Songs From In Between einfach zu gut, um es nur für mich zu behalten.
Cantaloup – Songs From In Between
VÖ: 20. Januar 2021
cantaloup.bandcamp.com
und eben auch bei Spotify.