FOTOS – Interview

Die Band FOTOS veröffentlicht am 26.02.2021 mit ihrem Album Auf zur Illumination, eine sehr persönliche Reise ins Unterbewusstsein des Sängers Tom Hessler. Inspiriert wird die Musik von seinem Serge Modular System und der Musik der sechziger und Siebziger Jahre.

Wir haben mit dem Sänger, Songschreiber und Gitarristen Tom Hessler der Hamburger Band über das neue Album geredet. Dabei hat Tom uns erzählt, warum er während des Lockdowns am kreativsten ist, wovon die neue Platte beeinflusst wurde und warum sich die Band mal fast getrennt hätte.


Hi Tom! Wie geht es dir und wie waren die letzten Monate für dich?
Für mich ist es eigentlich genau so wie immer, nur, dass ich noch weniger die Verpflichtung verspüre am sozialen Leben teilzunehmen (lacht). Eigentlich merke ich also keinen krassen Unterschied, außer, dass der wöchentliche Besuch in der Stammkneipe weg fäll, wo man sich dann auch mal mit Musikerkollegen trifft oder auch mal auflegt und seine Platten spielt, die man sonst nur zu Hause hört. Das fehlt schon, weil das für mich immer eine gute Zäsur, innerhalb einer Woche war, um mal raus zu kommen. Aktuell arbeiten ja viele von Zuhause aus, aber ich mache das quasi schon immer, ich habe mir selbst ausgesucht, dass ich nicht raus gehen muss um zu arbeiten. Also für mich ist das eigentlich sehr angenehm (lacht).

Ihr musstet die Veröffentlichung eures neuen Albums ja leider verschieben, freut ihr euch, dass es jetzt bald endlich raus kommt? Und fällt euch damit auch eine Last von der Seele?
Ich weiß gar nicht genau ob es wegen Corona ist, also angeblich ja, aber ich glaube das Presswerk hat auch durchaus mal Verzögerungen unabhängig davon. Ich bin jetzt per se überhaupt nicht froh, dass mir irgendeine Last von der Seele fällt, weil man durch diese Spotify- oder Streamingentwicklung eh einen ultra langen Releasezeitraum hat. Ich finde das aber eigentlich entspannt und gut, weil dadurch mehr Aufmerksamkeit auf einzelnen Stücken liegt und sowas wie Silberne Maschine, unser elfminütiger Song auf dem Album, mal eine Aufmerksamkeit bekommt, weil er als Single veröffentlicht wurde. Das ist echt sehr schön, vor einigen Jahren währe das wahrscheinlich nicht passiert, da hätte man gesagt, dass man die zwei bis drei Lieder auskoppeln muss, die auch im Radio laufen können. Ich freue mich aber natürlich darauf, die Schallplatte in der Hand zu halten, wenn sie denn dann kommt. Das ist immer ein schönes Gefühl und dann hat man natürlich das Gefühl, dass es passiert, das finde ich immer noch ganz stark. Ich bin ja selbst auch Schallplatten Sammler und dementsprechend spielt das für mich schon eine große Rolle, ob meine Musik nur digital raus kommt, oder gepresst wird. Da freue ich mich besonders drauf!

Du hast es gerade schon angesprochen, euer Song Silberne Machine ist über zehn Minuten lang, das ist ja schon eine deutlich längere Spielzeit als der „Durschnittsindiesong“. Wo liegt für euch der Reiz darin Songs in dieser Länge zu produzieren?
Da kann man jetzt natürlich auch wieder einen Zeitbezug herstellen und sagen „Alles wird ja immer konzentrierter“. Ich glaube das viele Musikhörer, oder generell auch Medienkonsumenten eine immer kleinere Aufmerksamkeitsspanne haben, um überhaupt irgendwas anzuhören, zu lesen und aufzunehmen, weil sie parallel bei Instagram sind, oder irgendeine Arbeit verrichten. Da hat sich einfach ganz viel verändert und dementsprechend gibt es ja auch diese ganzen Achtsamkeits- und Meditations- und Yogatrends, um mit diesem Stress umzugehen. Ich habe vor einiger Zeit gelesen, dass letzten Endes, dieses Multitasking Märchen eigentlich Quatsch sei, also das einige Menschen angeblich multitaskingfähiger seien als andere, letztendlich soll das bei allen Menschen Stress verursachen. Die einen kommen eben besser mit diesem Stress zurecht, als andere. Um endlich auf die Frage einzugehen: Das ist halt so ein bisschen offensiv damit umgehen, dass sich eigentlich kaum jemand mehr einen Song zu Ende anhört. Gerade bei Social Media Posts merkt man das, wenn man versucht an jemand heranzutreten, der das noch nicht gehört hat, dann scannen die meisten Leute das durch, geben dem Ganzen ein paar Sekunden, um dann zu entscheiden ob es ihnen gut oder nicht so gut gefällt. Das kennt man ja auch von sich selbst. Der Song ist wirklich das Gegenteil dessen. Wenn man sich darauf einlassen will, dann muss man dem auf jede Fall die elf Minuten geben (lacht). Sonst kann man es gleich ganz sein lassen. Das finde ich irgendwie auch ganz schön. Das ist eigentlich Musik für wahre Musikfans. Es kann auch einschläfernd wirken, oder vegetativ, oder man kann sich währenddessen verlieren, das finde ich ganz gut.

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Und wie kam es dann zu der Entscheidung, den Song als Singleauskopplung zu wählen? Auch aufgrund dessen, dass es durch die aktuelle Musikwelt, mit Streaming etc. einfacher ist, oder weil es wirklich nur eine bestimmte Zielgruppe anspricht?
Für mich ist es einfach eins der wichtigsten und zentralsten Stücke des Albums, weil ich auch für mich persönlich diese vertikalen „Musikschreibzwang“ durchbrochen habe. Also dieses, einen Refrain brauchen müssen und, dass es einen immer catchen muss. Es gibt so viel Musik die ich höre und die ich gut finde, die überhaupt nicht so funktioniert, sondern die sich Zeit nimmt. Das war das erste Mal, dass mir das so richtig gelungen ist, das auch umzusetzen, mit dieser Band. Wenn ich elektronische Musik in anderen Projekten mache, dann ist das was anderes. Aber hier ist der Weg das Ziel sozusagen. Das zu zeigen, in Form von einer Auskopplung war mir total wichtig. Es hätte beinahe nicht geklappt, aber durch die Verzögerung der Pressung der Vinyl ging das dann doch. Dementsprechend bin ich da eigentlich eher froh drüber. Es wird aber demnächst auch noch einen Remix von einem Freund geben, der eigentlich elektronische Musik produziert. Der hat mit 3:40 Minuten die Radiolänge und auch richtige Drums und ist total poppig (lacht). Das hat irgendwie gut als Kontrast gepasst, dass der Musikproduzent elektronischer Musik, der auch ein bisschen vom Kraut und vom Jazz kommt, am Ende den Remix macht, der die 3:40 Popform hat, von dem Lied, das die Indieband macht, die ne 11 Minuten Elektronikimprovisation liefert (lacht).

Ja cool! Du hast es ja gerade schon etwas angeschnitten; im Gegensatz zu den vorangegangenen Alben, hat sich der Sound mit dem neuen Album schon sehr geändert. Hat der melancholische Unterton seinen Ursprung auch in der Melancholie des Lockdowns?
Findest du es melancholischer als die anderen Alben?

Schon irgendwie! Ich finde es ist ein bisschen langsamer auf jeden Fall, es ist nicht so „Indiepoppig“.
Achso du meinst musikalisch und nicht textlich?

Ja genau!
Weil inhaltlich, was die Texte angeht, haben die anderen FOTOS Alben, alle einen ziemlich dunklen oder melancholischen Unterton. Ich glaube es ist einfach einfacher sich von Melancholie beflügeln zu lassen, als einen happy Text zu schreiben. Was aber die Musik angeht, da hast du Recht, da ist dieses Album wahrscheinlich das zurückgenommenste und ruhigste und auch ein bisschen in sich gekehrteste Album von uns. Das hat definitiv was damit zu tun, dass es in einer sehr kuriosen Zeit entstanden ist. Wir wohnen ja mit Neukölln in einem Stadtteil, der sehr laut und voll ist und als der erste Lockdown losging, wurden hier einfach plötzlich die Gehsteige hochgeklappt und es wurde so ruhig wie noch nie. Diese Ruhe hört man dem Album auf jeden Fall an. Wenn ich anfange was zu produzieren und zu schreiben, mache ich meistens die lauten, krachigen Drums und die Sachen die sehr viel Aufmerksamkeit fordern wieder aus. Mainstreammusik höre ich zum Beispiel auch gar nicht mehr, es gibt nicht mehr diese eine coole Indie Nummer, die dann auch mal Im Radio läuft. Es gibt einfach nur noch total aufgeballerten EDM Trash, mit irgendwelchen Samples von irgendwelchen Hits von früher oder halt die Musik die man selber hört, was dann aber kompromisslos Indie ist. Ich hab gemerkt, dass ich da gar nicht mehr mitspielen kann und will. Vor zwei Jahren durfte ich daneben sitzen, als Olaf Opal, der auch unser Album gemischt hat, für die Düsseldorf Düsterboys Sachen nochmal über ein Tonband aufgenommen hat, die die dann auf Kassette gemacht haben. Das war irgendwie ein sehr inspirierender Moment, zu merken wie Musik, die komplett zurückgenommen, weich und ruhig ist, einen großen Einfluss bei mir hinterlässt, im Vergleich zu Sachen, die immer viel von einem wollen und sehr aggressiv sind. Seit ich mich darauf eingelassen habe mich zurückzunehmen und so ruhig wie ich möchte, in meinem Tempo zu musizieren, bin ich irgendwie viel entspannter geworden. Und dann kommt halt auch mal so eine Silberne Maschine angeflogen (lacht).

Hast du auch Sorge, dass den Hörer*innen die neue Richtung nicht gefällt, oder ist dir das mittlerweile eher egal geworden?
Ich hab auch schon den Satz gehört „Jedes Album der Fotos ist eigentlich schon komplett anders.“, mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen wo das überhaupt keine Rolle mehr spielt. Als ich das Album angefangen habe war ich ja auch gezwungenermaßen ohne die Band und war mir überhaupt nicht sicher, ob das ein Album wird, das unter diesem Namen veröffentlicht wird, oder ob das vielleicht sogar ein Soloalbum wird. FOTOS war immer mein „Indieportal“, ich kam von der Indie Gitarrenmusik und wenn ich Musik geschrieben hab, die Indie Gitarrenmusik war, dann kam die unter diesem Namen raus. Das war mitunter auch mal ziemlich unnachvollziehbar für die Hörer von uns, dass innerhalb von zwei Alben so krasse stilistische Sprünge passiert sind. Aber ich bin halt sehr leicht zu begeistern und ich liebe alle Arten von Musik, da kann es durchaus auch passieren, dass mich was total stark beeinflusst, innerhalb von wenigen Monaten oder Jahren. Ich freue mich auf jeden Fall, wenn die Leute dem folgen wollen und das hören wolle. Ich glaube, dass Musik generell für sich selbst spricht, ich seh das nicht so als Marke oder Verkaufsportal. Ich weiß, dass ,am wahrscheinlich wesentlich erfolgreicher ist, wenn man über viele Jahre sich selbst und seinem Stil komplett treu bleibt, aber ich glaube das würde mich zu sehr einschränken und langweilen. Ich bin neugierig und möchte immer wieder andere Sachen ausprobieren und dann muss man auch damit Leben wenn Leute sagen, dass sie nur das erste Album mögen.

Du hast ja gerade schon gesagt, dass du dich für viele Sachen begeistern kannst. Bei diesem Album hast du dich ja besonders von Ariel Pink inspirieren lassen, an welchen Punkten auf der Platte ist das deiner Meinung nach besonders spürbar?
Ich hab gesagt, dass die Art und Weise, wie wir mit Kassettenrekordern umgegangen sind, auch inspiriert von dem Sound von Ariel Pink ist. Dass es auch mal so klingen kann, damit meine ich vor allem die alten Platten von dem, wie eine Kassette die schon 20 Mal überspielt wurde. Dann sind keine Höhen mehr da und es klingt irgendwie als wär das vielleicht die vorletzte Möglichkeit diese Musik zu hören, bevor die Kassette dann überhaupt keine Kapazitäten mehr hat, den Klang wiederzugeben. Damit offensiv umgehen fand ich interessant, weil das Album inhaltlich ein bisschen wie eine Blackbox ist und man das Gefühl hat es kommt aus einer anderen Zeit oder aus einem Paralleluniversum. Es ist eben sehr krautige Musik und auch fast schon esoterische Musik, aber mit deutschen Texten und in den 70ern, in denen Musik so klang, wird man sowas selten mit deutschen Texten finden, weil die Musiker sich damals auch bewusst davon fern halten wollten. Ich glaube, dass die Ariel Pink Ästhetik dazu dient, dass es eine Art Guckloch in ein kleines Paralleluniversum ist. Da ist sowas emotionales, wenn Musik so klingt, als wäre sie schon 1000 Mal angespielt worden, das macht es irgendwie filmischer.

 

Die Stimmung von dem Album wurde dadurch ja auch extrem geprägt, demnach war dir der analoge Sound schon extrem wichtig, oder?
Ich bin glaube ich mehr als jemals zuvor ein Fanatiker von alten Geräten und habe vor einigen Jahren angefangen Bandgeräte gebraucht zu kaufen und selbst zu restaurieren, damit ging das los, dass ich mich mit dieser Art von Sound beschäftigt hab. Dann kommt eben der Sound von diesen Modular Synthesizer Modulen dazu, die aus den 70ern oder 60ern stammen, aber jetzt nochmal mit Bausätzen zum selber bauen neu aufgelegt wurden. Die Kombination aus den Bändern und dem Modularsystem und meiner Farfisa Orgel, kam dann irgendwie so zusammen, genau in der Phase als der Lockdown kam, so, dass eigentlich ein sehr geschlossener Sound dabei raus kam. Dann kam eben Olaf Opal dazu und hat das mit mir gemischt und hat nochmal diesen „Kassettenzerstörungsfaktor“ darauf gelegt. Also ja, der analoge Sound spielt ne große Rolle, aber gleichzeitig arbeitet man auch mit digitalen Mitteln, um das dann in Konkurrenz zu setzen mit den anderen modernen Mitteln.

Das macht die heutige Zeit ja auch so ein bisschen aus, also dieses Zusammenspiel aus digital und analog.
Es gibt ja sogar Plug-ins für Musikproduktions-Softwares, die dafür sorgen, dass Sachen so klingen, als wären sie schon drei mal auf MP3 gezogen worden und auf YouTube grippt. Weil das tatsächlich auch ne Kompression ist, die manche Leute mittlerweile mögen. Wenn man zum Beispiel ein klassisches Stück hat und das drei mal rippt, dann bekommt das eine charaktervolle extreme Verzerrung, dass es eigentlich gar nicht mehr klingt, wie es normalerweise klingen würde. Also auch mit solchen Sachen arbeitet man mittlerweile. Mit allem was einen davon abgrenzt, was in diesem Mainstream EDM Kram passiert, wo es eigentlich darum geht, etwas so laut und aggressiv wie möglich an den Mann zu bringen. Es geht eigentlich immer um Abgrenzung (lacht). Und wenn irgendwann mal in diesem Mainstream Bereich alle Bandechos benutzen, dann mache ich vielleicht nur noch mit Plug-ins rum (lacht).

Zwischen der Veröffentlichung eures letzten Albums Kids und dem neuen Album liegen jetzt fast vier Jahre. Wie hast du, oder ihr euch als Band euch in dieser Zeit weiterentwickelt?
Kids ist daraus entstanden, dass die Band sich hätte auflösen müssen, wenn wir es nicht gemacht hätten. Die Songs sind größtenteils eigentlich schon einige Jahre vor der Produktion des Albums entstanden und die Kraft und das Selbstbewusstsein das dann fertigzustellen, hatte ich in der Zeit nicht. In der Zeit habe ich mich primär mit elektronischer Musik auseinander gesetzt und mit Musik ohne Gesang und mit Musik die gar nicht im Radio laufen soll. Dann als ich gemerkt habe, dass schon sechseinhalb Jahre rum sind, haben wir uns zusammengenommen und ich habe dafür gesorgt, dass das Album passiert. Erst danach bin ich ein bisschen zur Gitarrenmusik und traditioneller Band Instrumentierung zurück gekehrt. Ich glaube die letzten zehn oder elf Jahre ist auf jeden Fall sehr viel Veränderung passiert, sowohl als Musiker, als auch als Menschen.

Was sind denn eure Pläne für 2021, nachdem das Album veröffentlicht wurde?
Also ich bin eigentlich schon dabei an einem neuen Album zu arbeiten, für mein Soloprojekt der Assistent und möchte das eigentlich gerne noch diesen Sommer fertig schrieben. Es kommt jetzt am 05. März schon ein neuer Song raus und auch ein Video. Also wenn die Fotos Platte veröffentlicht ist, geht es nahtlos weiter mit dem Assistenten! Ich war seit sehr langer Zeit nicht mehr so glücklich mit meinem Output und bin total motiviert (lacht)!

Total schön das von sich sagen zu können!
Ja das liegt aber tatsächlich irgendwie an der Corona Sache. Also, dass so viel Ruhe draußen ist und, dass die Welt irgendwie in diesem komischen Zwischenzustand verharrt, das sorgt bei mir offenbar für Kreativität (lacht).

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Emely Triebwasser

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