Foto-© Jackie Lee Young
I followed you into traffic
I never thought about asking
What we were going to do
When we got where we wanted to get to
I’m slipping into an accent
It’s almost more than a habit
What are we going to do
When I can’t talk, can’t talk straight at you
(Katy Kirby – Traffic!)
Immer seltener, aber doch auch heute noch regelmäßig zu beobachten, sind Musiker*innen, die ihren ersten Kontakt mit ihrer späteren Leidenschaft in Kirchen machten. So auch Katy Kirby, die mit Cool Dry Place ihr wohlwollend erwartetes Debütalbum veröffentlicht. Aufgewachsen in Texas und unterrichtet im Home-Schooling von zwei Ex-Cheerleader*innen, bestand ihre musikalische Sozialisation vor allem aus christlichem Pop; glattgebügelt, gefällig und um so einprägsamer.
Um dies abzulegen und einen Schritt aus der vermeintlichen Hinterwelt zu machen, zog Kirby nach Nashville, scharrte eine politisch linke Band um sich und versucht seitdem die Welt und ihr Leben in Songs zwischen Pop, Indie Rock und Folk zu reflektieren. Wer also erwartet hat, dass sie ihre musikalische Sozialisation in der Chihuahua-Wüste gleich vollkommen zurückgelassen hat, täuscht sich. Die neun Stücke klingen wenig rebellisch und können als eingängiger Gitarren-Pop bezeichnet werden. Mit mal mehr oder weniger verzerrten E-Gitarren, immer aber mit eingängigen Melodien präsentiert sie Geschichten und ihre sanfte Stimme im harmonisch unaufgeregten Gewand. Von Christian-Pop ist das Album trotzdem sehr weit entfernt. Es geht wie so oft um Kapitalismus, komplizierte Beziehungen und Muttersein. Nur eben nicht eingebettet in einer weltuntergangsähnlichen Post-Punk Stimmung, sondern wie aus der Perspektive einer behütet aufgewachsenen Texanerin, die mit Naivität und Neugier die „echte“ Welt zu überdenken versucht. Songs wie Peppermint oder Traffic! mit dezenter Stimmverzerrung und Mellotron sind etwas frecher und dadurch besonders einprägsam, machen den Reiz aus. Kennt man Kirbys Geschichte meint man in Traffic! sogar einen ironischen Wink in Richtung musikalischer Heimat zu hören, mit elektrischer Orgel und anschwellendem Gospel Chor. Aber musikalische Sozialisation hin oder her, ihr Songwriting zeugt von einem großen Talent und Verständnis für schöne Pop Melodien und Harmonien.
Cool Dry Place ist kein Album, das sich, bis auf einzelne Ausnahmen, lange einprägt – ganz bestimmt aber die Zeit des Hörens verschönert. Katy Kirby nähert sich damit an Künstlerinnen wie HAIM auf der einen und Lucy Rose oder Laura Marling auf der anderen Seite an. Bei diesen Vergleichen steckt sie sicherlich noch eher in den Kinderschuhen, das Potenzial ist aber nicht zu überhören.
Katy Kirby – Cool Dry Place
VÖ: 19. Februar 2021, Keeled Scales
https://katykirbyon.bandcamp.com
www.facebook.com/katykatykirbykirby