Foto-© Nick Murphy
Manchmal braucht man eine Reise quer um die Welt, um letztlich wieder bei sich selbst anzukommen – so auch beim australischen Musiker Nick Murphy, der seinen musikalischen Alter Ego Chet Faker eigentlich vor einiger Zeit auf Eis gelegt hatte und nach der Album-VÖ (als Nick Murphy) 2019 von Run Fast Sleep Naked ein Jahr lang um den Globus gereist war. Anfang 2020 hatte er dann aber auf einmal wieder einige neue Songs im Gepäck, die so die Energie der Anfangstage von Chet Faker atmeten, dass dem Projekt neues Leben eingehaucht wurde. Umso mehr, als er feststellte, dass er da in seinem New Yorker Studio ein komplettes Album fertig hatte: Hotel Surrender!
Wie schon bei seinem Debütalbum Built on Glass (2014) schrieb und produzierte Murphy die 10 Songs selbst und stellte die meisten Songs noch vor Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 fertig. Kurz nachdem diese einen weltweiten Stillstand verursacht hatte, verlor Murphy seinen Vater, und plötzlich bekam die neue Wohlfühlmusik eine noch tiefere Bedeutung für ihn. „Es gab eine Menge schwerer Perspektivwechsel für mich”, erinnert er sich. „Ich habe die Musik damals in einem anderen Licht gesehen und betrachte sie jetzt als eine Art Massentherapie. Früher fühlte es sich an, als wäre ich auf einem Kreuzzug oder einer kreativen Odyssee. Heute weiß ich, dass es etwas Schamanisches ist. Man muss ein Licht – oder manchmal auch die Dunkelheit – finden und es teilen. Mir wurde bewusst, dass das der Kern von Chet Faker war. Und ich hatte das Gefühl, dass die Welt litt, also wollte ich etwas tun, um den Menschen eine Freude zu machen.“
Warum er damals den Künstlernamen seines erfolgreichen Projekts abgelegt hatte, erklärt er wie folgt: „Chet Faker kannte ich selbst nur so lange wie alle anderen Leute auch und sie hatten alle diese bestimmte Vorstellung davon, was es war“, so Murphy. „Ich musste mich einfach davon befreien und ich bin froh, es getan zu haben, denn nur dadurch konnte ich das Projekt in einen neuen Kontext stellen. Es erlaubte mir, mich weiterzuentwickeln und viele neue Dinge zu lernen, ohne mit Widerständen kämpfen zu müssen, die auf dem beruhten, was ich bereits mit Chet aufgebaut hatte.” Das Wichtigste für ihn ist jedoch: „Es war endlich wieder aufregend, Musik zu machen!“
Obwohl er nicht weiß, was die Zukunft bringen wird, freut sich Murphy darauf, wieder an Chet Faker zu arbeiten. Vor allem ist er glücklich, dass er, nun ja, glücklich ist. „Ich glaube, ich war schon immer ein Wohlfühltyp, war mir dessen aber nicht bewusst, weil ich insgeheim fürchtete, dafür verurteilt zu werden“, gibt er zu. „Inzwischen ist es mir nicht mehr wichtig, ob jemand mein Material kitschig oder lahm findet, es tut mir für denjenigen eher leid. Denn ich weiß jetzt, wie gut es sich anfühlen kann, wenn man einfach loslässt.” Und er fügt hinzu: „Um wirklich glückliche, unbeschwerte Musik schreiben zu können, muss man erst seine eigene Traurigkeit kennen lernen. Das ist es, was mich hierhergebracht hat. Ich hatte genug von dem Elend.”
Mit der Albumankündigung, erscheint auch die neue Single Whatever Tomorrow, über die er sagt: „Es ist eine Rebellion gegen die Idee, dass man auf die Dinge warten muss, die man braucht.” Mit seiner druckvollen Produktion und dem trotzigen Text ist Whatever Tomorrow das Statement-Piece von Hotel Surrender. „Es fühlte sich an, als würde man uns das Morgen verkaufen und wir würden für das Heute bezahlen”, fügt Murphy hinzu. „Ich wollte ausdrücken: Scheiß auf euer Morgen, wir verdienen unser Leben jetzt!”