Foto-© Eric Welles Nyström
Sam: Pharoah…
Pharoah: Huh…?
Sam: Were you asleep? I’m sorry…
Pharoah: No no… I was listening… and dreaming… and listening to music in my head…
Sam: Oh wow… sorry.
(Aus dem Pressetext zu Promises)
Das Unwahrscheinliche an der Zusammenarbeit zwischen dem DJ mit den fiependen Modularsynthesizern, der in seinen Radioshows House und Disco auflegt, und dem Altmeister des Tenorsaxophons ist nicht das Aufeinandertreffen zweier musikalisch getrennter Welten. Im Gegenteil: In Sam Shepherds alias Floating Points Musik steckte schon immer etwas von Pharoah Sanders Astral Travelling, genauer, in den satten Streicher- und Vokalarrangements seines Debütalbums Elaenia – oder auf dessen Nachfolger Crush, wo Synthesizer-Fahnen wie langgezogene Bläsersätze über den wogenden Tracks wehten. Überraschender ist, dass die beiden tatsächlich zueinander gefunden haben, um ein gemeinsames Album aufzunehmen: Das letzte Werk des 80-jährigen Pharoah Sanders, With A Heartbeat, erschien immerhin vor fast zwanzig Jahren – versuchte sich aber bereits an einer Fusion seines spirituellen Sounds mit zeitgenössischen Breakbeats.
Ein wenig öffnet Promises jetzt ein kleines Fenster, das die „Was-wäre-wenn“-Gedankenspielereien mit zeitlosen Supergroups wahr werden lässt: „Was wäre, wenn John Coltrane und Aphex Twin, wenn Björk mit CAN singen würde, wenn…“ Die Begeisterung für solche Fantasien kann man als die nerdige Aneinanderreihung großer Namen abtun, aber sie lässt sich auch als eine Anything-goes-Utopie verstehen, in der dieser Genie-Kult um die beteiligten MusikerInnen hinter dem Ergebnis ihrer Zusammenarbeit verschwindet.
Höchste Zeit also, um über das Album selbst zu sprechen. Die 46-minütige Komposition, geteilt in neun „Movements“, kreist in aller Seelenruhe um eine wiederholende, kaum variierte Keyboardfigur. Kein Ambient-Teppich, sondern ein luftiges Arpeggio, das noch bei der x-ten Wiederholung wie frisch aus dem Handgelenk geschüttelt klingt. Dazwischen bleiben reichlich Raum und Zeit für zirpende Elektronik, flirrende Streicher – und Pharoah Sanders, der mit seinem Saxophon periodisch dem sanft schwebenden Gebilde neue Schubkraft verleiht. Bescheiden begleitet Shepherd ihn dabei am Rhodes-Piano, flicht mal eine Orgelstimme, mal eine Violine ein, die dann ihrerseits zur vollen Opulenz des London Symphony Orchestra (LSO) überleitet. Die stetig rotierenden Zeiger von Shepherds himmlischer Uhr mögen in diesen Momenten auf Kurz-vor-Kitsch stehen – aber schließlich hat auch Sanders Spiritual Jazz nie weniger als die Erlösung selbst versprochen: Love Is Everywhere.
Vielleicht steckt in dem wohligen, leicht amüsiert klingenden Gebrummel, das Sanders im Verlauf des Albums intoniert, auch eine Antwort auf die übliche Frage, ob das jetzt nicht alles schon mal dagewesen sei: diese unter Overtourism ächzenden Klangreisen-Metaphern, sobald nur eine Hammond-Orgel anschwillt und so weiter und so fort. Aber was sollte falsch daran sein, so ein grundentspanntes Heilsversprechen heute nochmal zu erneuern? Man nimmt Shepherd, Sanders und dem LSO ihr gemeinsames Gelöbnis nur zu gerne ab.
Floating Points, Pharoah Sanders & The London Symphony Orchestra – Promises
VÖ: 26. März 2021, Luaka Bop
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