Der als Fünfjähriger mit seinen Eltern von Japan nach Großbritannien immigrierte, britische Schriftsteller Kazuo Ishiguro ist ein Meister seines Schaffens, wovon nicht nur seine Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis 2017 zeugt, sondern auch der internationale Erfolg seiner Bestseller-Romane, die sich häufig mit den Themen Vergessen, Erinnern, Identität, Individualität und Menschlichkeit beschäftigen. Auf den ersten Blick überrascht in dieser Hinsicht die Wahl der Protagonistin seines neusten Romans Klara und die Sonne, widerspricht das Konzept einer künstlichen Intelligenz doch im Kern diesen Thematiken – nicht so bei Kazuo Ishiguro!
Klara ist eine von vielen KFs (Künstlicher Freund), die in einem Laden in einer amerikanischen Stadt um die Gunst der vorbei eilenden Jugendlichen wirbt – und doch ist sie etwas ganz besonderes, wie die Managerin des Ladens ihr immer wieder versichert. Ihre Neugier ist außergewöhnlich, genauso ihre Detailverliebtheit, auch wenn sie kein Modell der neusten KF-Reihe ist. Als sie von einem jungen Mädchen ausgewählt wird sieht sie endlich ihren großen Wunsch in Erfüllung gehen – denn auch Josie scheint jemand ganz besonderes zu sein. Von da an lebt sie mit Josie, ihrer alleinerziehenden Mutter und der Haushälterin abseits auf dem Land und kümmert sich aufopferungsvoll um das kranke Kind und versucht ihr immer eine gute Freundin zu sein – doch wie sie selbst später merkt, steckt noch mehr hinter ihrer Anschaffung…
Das Thema Künstliche Intelligenz dient in den meisten Science Fiction-Romanen als Vorlage für eine düstere Zukunftsvision, in der die Maschinen die Vorherrschaft über die Menschheit übernehmen wollen – anders ist es natürlich bei Ishiguro, der in Klara und die Sonne im wahrsten Sinne einer Maschine Leben einhaucht, sie sogar menschlicher als ihre sie umgebenden Menschen aus Fleisch und Blut gestaltet. Sprachlich einfach und unmittelbar, vermag er dabei mit einfachen Mitteln und mit wenigen Worten ein vielschichtiges Bild der Zukunft, der Verhältnisse und der menschlichen Abgründe zu Zeichnen und lässt einen sehr schnell mit der KF hoffen und bangen. Hier und da stößt man sich vielleicht mal an der kindlichen Sprache oder an den etwas zu ausufernden und auch manchmal etwas verwirrenden Raster-Beschreibungen des Sichtfelds dieser – und dennoch vermag Ishiguro einen doch wie immer in den Bann seiner Erzählung zu ziehen und einen auch zum Nachdenken anzuregen, wodurch aus der vielleicht kleinen und einfach beschriebenen Geschichte, mal wieder ein großer Roman geworden ist…er ist eben einfach ein Meister seines Fachs.
Kazuo Ishiguro – Klara und die Sonne
VÖ: 15. März 2021, Karl Blessing Verlag
Gebundene Ausgabe, 352 Seiten
ISBN: 978-3896676931
24,00 €