MINE – Interview

Foto-© Simon Hegenberg

Von der Pandemie ließ sich die Künstlerin Mine nicht stoppen, denn da, wo andere Live-Shows hinterher trauern, nahm sie einfach ihr fünftes Album HINÜBER auf, welches am 30. April erschienen ist. Die Künstlerin schafft es darauf die perfekte Balance zwischen selbstreflektierten und hochpolitischen Songs zu finden. Auch einem spezifischen Genre kann man das Album nicht zuordnen – dass es irgendwo zwischen Pop, HipHop, Clubmusik und Jazz liegt, zeigt spätestens der Blick auf die Künstler*innen, die Mine auf dem Album unterstützen: Sophie Hunger ist beim Titelsong dabei und auf AUDIOT hört man Dexter & Crack Ignaz. Wir haben mit Mine darüber gesprochen, was sie heute machen würde, wenn es mit der Musik nichts geworden wäre, mit wem sie gerne mal zusammenarbeiten würde und was sich bei ihr geändert hat, seit sie entschieden hat die Produktion ihrer Musik selbst in die Hand zu nehmen.

Hey Mine! Wie geht’s dir heute?
Mir geht’s gut, vielen Dank!

Ich starte mal ähnlich bedrückend wie der Opener auf deinem neuen Album, mit der Frage: Wie war das letzte Jahr für dich?
Joa gut war’s nicht (lacht). Also ich muss sagen, dass ich noch ziemlich großes Glück hatte, weil das das erste Jahr war, in dem ich keinen Release geplant hatte, das heißt für mich sind nicht so arg viele Konzerte ausgefallen. Ich glaube es waren 15 oder so, ich weiß natürlich nicht wie viele eventuell noch gekommen wären, aber insgesamt war es doch überschaubarer als bei vielen meiner Kolleg*innen. Ich hatte dadurch aber viel Zeit im Studio und konnte mich auf das neue Album konzentrieren. Trotzdem kann man sich was schöneres vorstellen, als sozial alles runterzufahren und keine Konzerte mehr zu spielen, aber ich bin immer noch eine von den Privilegierteren würde ich behaupten.

Wie hat sich Corona denn generell auf die Albumproduktion ausgewirkt?
Generell, dass ich viel Zeit am Stück im Studio verbringen konnte. Normalerweise ist es oft so, dass ich zwei Tage im Studio bin, dann bin ich wieder am live spielen oder hab Promo Termine, dieses Mal war es so, dass ich oft auch mal zwei Wochen am Stück im Studio war, was auch ein ganz geiler Flow war. Am Anfang haben wir auch öfter Mal abgebrochen, weil wir nicht wussten wie das jetzt mit den Regelungen ist, da war ja alles noch etwas schwieriger. Das Studio, wo ich jetzt bin ist in Sandhausen, das ist bei Heidelberg, das sind 7 Stunden von hier, das war dann auch immer nicht so einfach. Aber das hat sich dann auch eingependelt und dann war das vor allem sehr intensiv dadurch.

Ist vielleicht dann auch gar nicht so schlecht für das Album, wenn man den Fokus mal wirklich nur darauf hat oder?
Ja, ich mein es wär natürlich auch super gewesen zwischendrin mal Konzerte zu sehen oder sich irgendwie inspirieren zu lassen. Auch damit man sich soundmäßig ein bisschen weiterbildet und mehr Input bekommt und sich nicht die ganze Zeit um sich selbst dreht, aber für das Album hat’s auf jeden Fall noch gereicht, also der Input den ich noch aus 2019 übrig hatte (lacht).

Du hast ja schon sehr früh deine Liebe zur Musik entdeckt und soweit ich weiß warst du als Kind schon auf Gesangswettbewerben. Weißt du noch was für dich der ausschlaggebende Punkt war, an dem du gesagt hast, dass du Musik beruflich machen willst?
Oh das kam erst sehr viel später! Also ich bin im Dorf aufgewachsen, wo es niemanden gab, der Musiker oder Musikerin war, deswegen war das für mich nie eine Option. Es war nicht so, dass ich gedacht hab „Hm, werde ich Musikerin oder werde ich Lehrerin oder werde ich irgendwas anderes?“, sondern die Option Musikerin zu werden, die gab’s für mich gar nicht. Die war nicht im Auswahlpool drin, weil ich gedacht hab, dass man entweder entdeckt wird oder halt nicht (lacht). Ich bin ja auch ohne Internet groß geworden, ich hatte das erste Mal Internet als ich 17 war, das ist schon was anderes dann. Die Entscheidung, dass ich wirklich Musikerin werden will, kam eigentlich erst nachdem ich an der Aufnahmeprüfung als Lehrerin gescheitert bin. Dann dachte ich „Okay für Klavier bin ich zu schlecht, dann mach ich halt jetzt Gesang.“, da gab’s dann aber keine Schulmusik und ich wusste, dass ich nicht klassisch singen kann, also hab ich dann einfach Jazzgesang gemacht, ohne zu wissen, was ich daraus machen will.

Was glaubst du denn, was du jetzt machen würdest wenn das mit der Musik nichts geworden wär? Hättest du dann versucht doch irgendwie Lehrerin zu werden?
Naja es wär auf jeden Fall irgendwas mit Musik geworden, in dem Augenblick in dem ich Jazz studiert hab, wär ich wahrscheinlich Musikpädagogin geworden oder so. Ich hatte ja eigentlich nie vor beruflich Musik zu machen, ich dachte ja nicht, dass sich irgendwer überhaupt für meine Musik interessiert (lacht), weil ich da auch sehr eigen bin und immer nur das mache, was mir selbst gefällt. Deswegen hatte ich eigentlich vor, dass ich Musik unterrichte und mir dadurch Alben finanziere, die ich selbst produziere und dann rausbringe, so war der Plan.

Für dein erstes Album hast du dir ja auch kurzerhand dein Produktionsequipment selbst gekauft, hast du das Gefühl, dass dich das musikalisch weitergebracht hat, beziehungsweise was hat es für deine musikalische Entwicklung getan?
Oh ja auf jeden Fall hat mich das an einen anderen Startpunkt katapultiert! Ich hab das ja damals nur gemacht weil ich so ungeduldig war (lacht), ich hab mich mit einem Produzenten getroffen und der meinte, dass er in zwei Wochen wieder Zeit für mich hätte. Ich meinte dann „Zwei Wochen??? Bist du wahnsinnig?“ (lacht), dann hab ich mir einen Kredit aufgenommen und hab mir das Equipment gekauft, was man braucht. Also das kleinstmögliche; einen Computer, Logic und ein paar Plug-ins und hab dann angefangen zu produzieren. Sicherlich wäre das alles anders ausgegangen, wenn ich von Anfang an mit jemandem produziert hätte, der sich damit auskennt. Aber vor allem inzwischen sehe ich Produktion auch als Songwriting-Prozess und ich arbeite mega gerne als Produzentin, auch für andere! Auch der Sound hätte sich garantiert anders entwickelt, wenn man selbst produziert denkt man beim Songwriting ganz anders, man denkt mehr kompositorisch als songwriterisch, das ist schon ein großer Unterschied finde ich.

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Mega spannend! Für deine Single UNFALL hast du die Lyrics und die Noten vorher schon an deine Fans rausgegeben, damit sie ihr eigenes Ding daraus machen können, bevor du dann deine Version veröffentlicht hast. Hast du irgendwann mal den Moment gehabt, dass jemand eine Version eingereicht hast und du dachtest „Fuck, warum hab ich das nicht so gemacht?“?
Nee (lacht), aber das wär geil gewesen! Im Normalfall schreibe ich ja die Songs so und finde sie dann auch so am besten. Die Gefahr hab ich also gar nicht gesehen und das ist auch nicht passiert ehrlich gesagt. Es war total horizonterweiternd und voll schön so viele Versionen zu hören, trotzdem hab ich es ja so geschrieben, wie ich es geschrieben hab, weil ich das so schreiben wollte. Deswegen bin ich eigentlich total happy, dass es so viele Versionen gibt und ich bin auch sehr happy mit meiner eigenen (lacht).

Du beschäftigst dich auf dem Album unter anderem mit Fragen wie „Was ist Freiheit?“ – hast du mit der musikalischen Verarbeitung dieser Themen teilweise antworten darauf finden können?
Naja eigentlich hab ich zu den Fragen schon eine gewisse Antwort bekommen, aber ich find’ es immer schöner wenn man Fragen stellt, statt Antworten zu servieren. Ich mag zeigefingrige Musik nicht so gerne, die einem sagt, wie es geht und wie es richtig ist. Am Ende finde ich es schöner, wenn jeder für sich selbst darüber nachdenkt und man sich fragt, wie frei man selbst eigentlich ist und von wo aus man los ist. Das ist finde ich auch eine Sache, die bei jedem anders ist, ich für mich kann sagen, dass ich von einem sehr guten Startpunkt losgegangen bin, auch wenn ich jetzt vielleicht nicht die geilste Jugend hatte, aber trotzdem bin ich eine weiße Cis-Frau, die in einem ziemlich freien Land aufgewachsen ist, ohne Krieg, ohne politische Gewalt und die jetzt Musikerin sein darf, das sind alles echt krasse Privilegien. Diese Privilegien sollte man sehen, um dann halt auch verantwortungsbewusst durch dieses Leben zu gehen und dann auch humanistischer in manchen Situationen zu agieren.

Foto-© Thiago Auge
Foto-© Thiago Auge

Sind deine Songs ausschließlich autobiografisch oder handelt es sich auch mal um fiktive Ereignisse oder Personen?
Ne, es ist eigentlich immer persönlich, also manchmal geht es auch um Dinge, die ich an meinen Freunden oder so beobachte, aber es geht eigentlich zu 99% um persönliche Themen, die ich mit mir selbst behandle.

Im Pressetext zum Album steht, dass die beste Mine Referenz ist, dass du die Quersumme aus den Künstler*innen bist mit denen du schon zusammengearbeitet hast. Wie sehr beeinflussen diese anderen Musiker*innen dich als Musikerin?
Also ich werde von allem beeinflusst, was ich höre, deswegen würde ich sagen, dass alles ein Einfluss ist. Nicht nur die, mit denen ich zusammen arbeite, sondern auch die, die ich höre. Das fängt bei Sachen an, die ich schon immer gehört hab, aber auch bei Sachen, die ich im alltäglichen Leben serviert bekomme. Ich glaube ja daran, dass Geschmack nur Hörerfahrung ist und, dass sich das nur zusammensetzt aus allem, was man bis jetzt gehört hat. Wenn ich jetzt zum Beispiel eine Band gut finde und die die ganze Zeit höre, dann werde ich davon Sachen adaptieren, ob ich das will oder nicht.

Gibt es denn irgendwelche Musiker*innen, egal ob national oder international, mit denen du unbedingt mal zusammenarbeiten möchtest?
Ja! (lacht) Es gibt unglaublich Viele, ich würde gerne jetzt diesen Sommer einen Song mit ÄTNA machen – mega geile Band aus Dresden und dann würde ich gerne einen Song mit NENDA machen, mega krass geile Newcomerin aus Wien. Es gibt so viele Leute, mit denen ich das machen will, ich würde auch gerne ein Lied mit Schmyt machen, wir haben auch gesagt, dass wir uns mal treffen wollen. Also die Liste ist lang (lacht).

Du hast ja letztes Jahr ein paar Wohnzimmerkonzerte und auch ein paar Picknickkonzerte gespielt, kannst du dir vorstellen sowas zum Albumrelease nochmal zu machen?
Ja wir spielen sogar welche dieses Jahr! Ich weiß halt, dass die zumindest wahrscheinlich nicht abgesagt werden, deswegen war ich ganz froh, dass wir ziemlich früh schon Anfragen dafür bekommen haben. Wir spielen in Berlin ein Picknickkonzert, wir spielen Open Air in Leipzig, da freue ich mich schon riesig drauf!

Was hast du denn sonst noch so für Pläne für dieses Jahr?
Ich würde gerne bis September so sieben bis acht Songs vom nächsten Album schreiben. Wenn ja jetzt eh so viel ausfällt, hab ich ja mehr Zeit, ich hab gestern schon den ersten Song angefangen und ich würde gerne so gut wie alle Songs bis September oder Oktober geschrieben haben.

Nicht schlecht!
Ja das ist der Plan (lacht). Mal gucken ob’s klappt (lacht).

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Emely Triebwasser

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