FRITZI ERNST – Keine Termine


Foto-© Frederike Wetzels

Dann hab‘ ich wieder ein‘ gebaut
Das hast du doch gewollt
Denn alles wird viel schöner noch
Wenn eine einen rollt.

(Fritzi Ernst – Wieder einen gebaut)

Fritzi Ernst? Da war doch was. Ja genau und da war sogar einiges, nämlich Schnipo Schranke, die vor sechs Jahren mit Hits wie Pisse oder Cluburlaub kurzerhand die deutsche Indie-Musikszene aufmischten. Ihre unkonventionelle Art Lebensthemen zwischen Genitalbereich und Harry Potter zu platzieren und dann auch noch zum Mitsingen zu verleiten, konnte man gar nicht ignorieren und brachte viel Spaß. Der Auflösung vor zwei Jahren trauerten viele Fans nach und während ihre ehemalige Kollegin Daniela Reis bereits ein neues Projekt hat, erscheint nun auch Fritzi Ernst zurück auf der Bildfläche mit ihrem Solo-Debüt Keine Termine.

Hätte jetzt jemand erwartet, dass Ernst nach der musikalischen Pause und dem Beginn einer Klavierbauausbildung ihren Nachnamen zum Programm ihrer neuen musikalischen Form macht, läge er/sie natürlich falsch: „Alle wollen was erleben, ich könnt‘ mich übergeben“, beginnt der Titeltrack Keine Termine. Und in ähnlicher Form schreitet das Album elf Stücke lang fort. Motivationsmangel, Selbstzweifel und Liebeskummer werden auch 2021 eingehüllt in strikte Reimschema mit Hang zum Vulgären und natürlich mit viel Humor. Das Klavier spielt auch hier die tragende Rolle, nur selten gibt es einen Beat, ein Cello, ein Schlagzeug oder ein Harmonium.

Neben dem von Schnipo Schranke gewohnten Kinderliederstil (u.a. Trauerkloß, Höhle) gibt es auch Momente, die wesentlich atmosphärischer und unbequemer anklingen, wie z.B. das in Cannabis eingehüllte Wieder einen gebaut, das lethargische, fast schmerzvolle Den Rubin oder Alles Liebe. Manchmal geht alles auf in diesen Songs – wenn es auch gar nicht unbedingt gewollt scheint – und dann wird man an die großen The Dresden Dolls erinnert, die zwischen Punk, Songwriter und Cabaret jenseits des Mainstreams schon lange einen Legendenstatus halten. Meist aber bleibt dieses gewisse Etwas in der Atmosphäre aus, was Reibung provoziert und die Hörenden gefordert werden. Immer angenehm ist das nicht, doch freut man sich dafür sehr häufig über die Haus-Maus Reime, die wie dafür geschaffen scheinen Lethargie und Zufriedenheit auszudrücken. „Das ist meine Höhle hier wohn ich, komm rein der Boden ist Honig, hier gibt’s keinen Hass, nur Honig, und Zeitdruck sowieso nicht. Hier bin ich immer erster, denn ich war zuerst da.“

Produziert wurde das Album mit Die Goldenen Zitronen-Gründungsmitglied Ted Gaier, der in den Kosmos dieses Albums wunderbar reinpasst und sicherlich viel Erfahrung im Schreiben teilen konnte. Denn im Vergleich zum bisherigen Schaffen strahlt das Album vor allem eine neue lyrische Dimension aus, die den doch oft sehr jugendlichen Charakter von Schnipo Schranke im besten Sinne übersteigt.

Gerne hätte sich Fritzi Ernsts Debütalbum musikalisch mehr von Schnipo Schranke abheben können, grade weil man ihr nach dem damaligen kometenhaften Aufstieg sehr viel zutraut. Eine Bereicherung ist Keine Termine allemal, grade für eine Welt, in der Termine Lebenselixier zu sein scheinen.

Fritzi Ernst – Keine Termine
VÖ: 11. Juni 2021, Bitte freimachen
www.fritziernst.cool
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Christian Weining

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