Foto-© Stefy Pocket
This sound is physical its very physical
And literal but metaphysical and mystical…
Like medicine it‘s medicine
Now open wide and let it in
(Greentea Peng – This Sound)
Künstler lassen sich nicht gerne festnageln. Sie sagen nicht, worum es ihnen im Text geht, lassen Interpretationsspielraum. Die Frau, die eigentlich Aria Wells heißt und sich Greentea Peng nennt, macht da nicht mit. Sie geht in die Offensive, erklärt klipp und klar, für wen sie an den Start geht („This is for the collective not the culture…this is for the love and all my mankind“), wie sie ihre Musik bewertet („This sound is sensual, and plentiful alchemical its medicine and medical“) und wie sie sich Politik vorstellt („We don‘t wanna chat until my people free“). Die Musik klingt wie zu Zeiten, in denen Ari Up und Neneh Cherry zusammen abhingen und auf Reggae, Dub und Jazz abgingen. Neo-Soul ist es auch, aber dem Vergleich mit Amy Winehouse sollte man besser nicht glauben (obwohl Pengs jüngster Auftritt bei Later…with Jools Holland darauf schließen ließ, als sie die hier nicht enthaltene Single Hu Man vorstellte). Eher folgt sie einer Erykah Badu, das ist präziser. Und psychedelisch ist es auch.
Man hat eine Mittzwanzigerin vor sich, die nicht den geregelten Weg gegangen ist. Geboren wurde sie im Süden Londons, wo sie nach ihrem Realabschluss um die Häuser zog und an der Bar arbeitete. Ihr Geld investierte sie in Fernreisen nach Kalifornien, Peru und Jamaika. Wichtig war ein längerer Aufenthalt an der Karibikküste von Mexiko. In zwei Songs auf Man Made spielt sie darauf an: In Maya, wegen der historischen Fundstätten in der Stadt, und in den sieben Minuten von Meditation über eine innere Einkehr, die sie in Tulum suchte und fand. Oft hat man beim Durchhören der 18 Titel den Eindruck, als dauere der Prozess der Reflexion noch an. Wells beharrt auf Grundentspannung, unterstützt vom Glauben an die Wirkung von Religionen und Pilzen.
Bei Make Noise und Earnest werden diejenigen aufschreien, die in Greentea Peng eine Vertreterin des Trip-Hop-Revivals sehen. Schleppender Beat, Betonung von Kontrabass-Akkorden, verschlafene Vocals – da sind Massive Attack oder Morcheeba nicht weit weg. This Sound hat mehr mit The Specials gemein, der Basslauf ist der Killer. Groove steckt auch in Free The People. Simmy und Kid Cruise haben hier die einzigen Feature-Auftritte auf dem Album – angesichts der sonst vorherrschenden Gästeschar in vielen R&B, Hip-Hop- oder Trap-Tracks unserer Zeit ist das mal ganz erfrischend. Greentea Peng vertraut auf eigene Ausstrahlung und zeigt das auch mit Outfit und Tattoos. Bei ihr geht es äußerlich bunt zu.
In Suffer plädiert die Lebenskünstlerin für Aufarbeitung („Broken mothers, broken daughters won‘t have the strength to move forward if you‘re scared to look back“). Jimtastic Blues ist dem verstorbenen Stiefvater gewidmet. Er hat Wells einst Punk und Metal vorgespielt und damit ihren rebellischen Spirit bestärkt. „We‘ve got to fight for our right to party“, fordert Greentea Peng deshalb final. Gut gesagt. Noch besser wäre es, wenn es tatsächlich wie bei den Beastie Boys tosen würde. Auch in einem Song wie Party Hard erwartet man, dass die 26jährige einen draufmacht – am Ende ist es dösig wie beim Chillout. Mangel an Variation und Temperament ist ein Problem, gerade während der zweiten Hälfte des Albums. Daran kann die Frau, die sich als Freigeist versteht, definitiv arbeiten. Wie wäre es in diesem Zusammenhang mit einer kleinen Umstellung? Tee ist ja ganz schön. Manchmal hilft aber auch Kaffee.
Greentea Peng – Man Made
VÖ 4. Juni 2021, AWAL
www.greenteapeng.net
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